Zusammenfassung
Der Autor analysiert die institutionellen Handlungsmöglichkeiten, Chancen und Restriktionen der parlamentarischen Opposition im Deutschen Bundestag. Mit einer neo-institutionalistisch und systemtheoretisch orientierten Forschungsperspektive werden zunächst die Besonderheiten der politischen Institution parlamentarische Opposition herausgearbeitet. Für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages wird dann für die „Mini-Opposition“ untersucht, wie häufig Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen das Instrumentarium der Minderheitenrechte genutzt haben. Aus der Analyse des Fallbeispiels werden zukünftige Anforderungen für eine konzeptionell wie empirisch anspruchsvolle Forschung zur Parlamentsopposition skizziert.
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Die Bundestagswahl am 22. September 2013 ergab folgendes prozentuales Ergebnis: CDU/CSU: 41 %, SPD 25,7 %, Die Linke 8,6 % und Bündnis 90/Die Grünen 8,4 %. Der 18. Deutsche Bundestag umfasste 631 Abgeordnete. Die Zahl der Parlamentssitze verteilte sich folgendermaßen: Union 311 (CDU: 255 und CSU: 56), SPD 193, Die Linke 64 und Bündnis 90/Die Grünen 63.
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Die Bundestagswahl am 19. September 1965 ergab folgendes prozentuales Ergebnis: CDU/CSU: 47,6 %, SPD 39,3 % und FDP 9,5 %. Der 5. Deutsche Bundestag umfasste 496 Parlamentarier (plus 22 Abgeordnete aus Berlin). Die Zahl der Parlamentssitze verteilte sich folgendermaßen: Union 245 (+6 Abgeordnete aus Berlin), SPD 202 (+15 Abgeordnete aus Berlin) und FDP 49 (plus 1 Abgeordneter aus Berlin).
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Ein interessanter Fall war das Eheöffnungsgesetz. Im Sommer 2017 stimmte der Deutsche Bundestag über diese Vorlage des Bundesrates ab. Dafür stimmten sowohl die beiden Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen als auch die Regierungsfraktion der SPD wie 75 Unionsabgeordnete.
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Die Formulierungen beschreiben Konventionen, wie Journalisten von den Gesprächen mit Politikern in den Medien Gebrauch machen dürfen. Gespräche „unter eins“ sind unmittelbar für die Publikation gedacht. Demgegenüber darf bei Äußerungen „unter zwei“ zwar der Inhalt zitiert werden, verhüllt wird jedoch der Politiker von dem die Aussage stammt. Statt dem konkreten Namen finden sich üblicherweise Formulierungen, wie „aus Regierungskreisen verlautet“ oder aus „gut unterrichten Kreisen wird gesagt“. Gespräche „unter drei“ sind weder namentlich noch inhaltlich unmittelbar zitierfähig. Dennoch ist damit seitens der Politik eine strategische Absicht verbunden, das der Gesprächsinhalt das Meinungsbild der Journalisten prägt und so, indirekt doch in die Art und Weise der Berichterstattung bzw. Kommentierung einfließt und Wirkung erzeugt.
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Bröchler, S. (2020). Der Handlungsraum der parlamentarischen Opposition im Deutschen Bundestag. Erfahrungen mit der „Mini-Opposition“ in der 18. Legislaturperiode. In: Bröchler, S., Glaab, M., Schöne, H. (eds) Kritik, Kontrolle, Alternative. Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29910-1_6
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