Zusammenfassung
Thema des Beitrags sind soziale Beziehungen und soziale Ungleichheit und die Erträge qualitativer Studien. Das Kapitel beginnt mit einigen Bemerkungen zur Bedeutung persönlicher Sozialbeziehungen (Familien-, Freundschaftsbeziehungen und Bekannten) für die Reproduktion sozialer Ungleichheit. Im Anschluss gebe ich einen Überblick über die spezifischen Erträge interpretativer Verfahren der empirischen Sozialforschung. Diese liegen vor allem im Bereich der Transformation von sozialem in kulturelles Kapital, der Wirkungsweise und Aktivierung von Sozialkapital und der Konstitution und Veränderung sozialer Beziehungen. Am Beispiel von schichtspezifischen Freundschaften wird genauer auf die Beiträge qualitativer Studien zur Erklärung der Genese und Dynamik von Beziehungen eingegangen. Das Kapitel schließt mit einem kurzen Fazit zu Herausforderungen bei der qualitativen Untersuchung von Fragen sozialer Ungleichheit.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Dies ist vermutlich ein Grund, warum das Konzept des Sozialkonzepts in den letzten Jahren einen besonderen Aufschwung erlebt hat. Kritisch anzumerken ist allerdings, das viele Fragen, die hier in neuem Gewand daherkommen, bereits systematisch in der Unterstützungsforschung untersucht worden sind (Pfaff 1989; Diewald 1991).
- 2.
In der Studie wurden achtzehn verwitwete und bereits verrentete Frauen und Männer zwischen 63 und 73 Jahren befragt. Für die Erhebung der sozialen Beziehungen und deren subjektiver Bedeutung wurden biographisch-narrative Interviews und standardisierte Instrumente (wie das „emotionale Netzwerk“ nach Kahn/Antonucci (1980) oder das Austauschnetzwerk) kombiniert. Der Stimulus der biographischen Interviews lag auf der Lebensgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Beziehungen. Im Anschluss wurde systematisch nach der Alltagsgestaltung vor und nach der Verwitwung, Beziehungen und Aktivitäten sowie deren subjektiver Bedeutung gefragt. Ziel war die Identifikation eines Typenfelds, das die Variationsbreite der Veränderungen der Beziehungen und Netzwerke nach der Verwitwung sowie der individuellen Orientierungsmuster maximal abdeckt. Hierzu wurde die Stichprobe aus einer großen Repräsentativerhebung nachgezogen und nach theoretisch relevanten Gesichtspunkten (Geschlecht, Kinderzahl, Bildungsstand, Art und Dauer der früheren Erwerbstätigkeit, materielle Situation u. a.) zusammengestellt. Die Auswertung erfolgte anhand von Einzelfallrekonstruktionen und der Bildung empirischer (Extrem-)Typen (Hollstein 2002).
- 3.
Die Freunde sind in der Regel entweder auch Single oder haben ebenfalls eine/n Partner/in, meist trifft man sich entweder zu zweit oder zu viert. Im Unterschied dazu spielt die Frage ob man Single ist oder einen Lebenspartner hat, bei den individualisierten Freundschaften eine nachgeordnete Rolle.
- 4.
Zu betonen ist, dass Personen entweder nur individualisierte Freundschaften haben oder nur Lage-gebundene Freundschaften. Die Interviewpartner/innen mit individualisierten Freundschaften hatten bzw. haben zwar auch Beziehungen, die von außen betrachtet wie die Lage-gebundenen Freundschaften aussehen (bspw. Beziehungen zu Paaren, die vor allem geselligen Charakters sind). Diese Beziehungen wurden aber durchweg als „nicht eng verbunden“ charakterisiert (dritter Kreis des Kahn/Antonucci-Diagramms) und dezidiert als „Bekannte“ bezeichnet.
- 5.
Die hohe Partnerschaftsorientierung ist im Übrigen auch unabhängig davon, ob man aktuell wieder in einen Partners hat. Diejenigen, die weder eine neue Partnerschaft eingegangen sind noch neue (Lage-gebundene) Freundschaften geschlossen haben, empfinden ihre Lebenssituation als besonders unbefriedigend.
Literatur
Allan, G. A. (1979). A sociology of friendship and kinship. London: Allan & Unwin.
Beck, U. (1983). Jenseits von Stand und Klasse? In R. Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. Sonderband 2 der Sozialen Welt (S. 35–74). Göttingen: Schwartz.
Beck, U., & Beck-Gernsheim, E. (1990). Das ganz normale Chaos der Liebe. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Bell, C. R. (1968). Middle class families. London: Routledge & Kegan Paul.
Böhnke, P. (2007). Solidarität im Wohlfahrtsstaat. Prekäre Lebenslagen und soziale Integration. In J. Lüdicke & M. Diewald (Hrsg.), Soziale Netzwerke und soziale Ungleichheit (S. 235–263). Wiesbaden: VS Verlag.
Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In R. Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. Sonderband 2 der Sozialen Welt (S. 183–198). Göttingen: Schwartz.
Burt, R. S. (1992). Structural holes. The social structure of competition. Cambridge: Cambridge University Press.
Coleman, J. S. (1990). Social capital. In J. S. Coleman (Hrsg.), Foundations of social theory (S. 300–321). Cambridge: Harvard University Press.
Devine, F. (2004). Class practises. How parents help their children get good jobs. Cambridge: Cambridge University Press.
Diewald, M. (1991). Soziale Beziehungen: Verlust oder Liberalisierung? Soziale Unterstützung in informellen Netzwerken. Berlin: Edition Sigma.
Diewald, M., & Lüdicke, J. (2007). Akzentuierung oder Kompensation? Zum Zusammenhang von sozialer Ungleichheit, Sozialkapital und subjektiver Lebensqualität. In J. Lüdicke & M. Diewald (Hrsg.), Soziale Netzwerke und soziale Ungleichheit. Zur Rolle von Sozialkapital in modernen Gesellschaften (S. 11–53). Wiesbaden: VS Verlag.
Fischer, C. S. (1982). What do we mean by ,friend‘? An inductive study. Social Networks, 3, 287–306.
Goldthorpe, J., Lockwood, D., Bechhofer, F., & Platt, J. (1969). The affluent worker in the class structure. Cambridge: Cambridge University Press.
Granovetter, M. (1973). The strength of weak ties. American Journal of Sociology, 78, 105–130.
Granovetter, M. (1995). Getting a job. A study of contacts and careers. Cambridge: Harvard University Press. (Erstveroffentlichung 1974)
Hollstein, B. (2001). Grenzen sozialer Integration. Zur Konzeption informeller Beziehungen und Netzwerke. Opladen: Leske + Budrich.
Hollstein, B. (2002). Soziale Netzwerke nach der Verwitwung. Eine Rekonstruktion der Veränderungen informeller Beziehungen. Opladen: Leske + Budrich.
Hollstein, B. (2007). Sozialkapital und Statuspassagen – Die Rolle von institutionellen Gatekeepern bei der Aktivierung von Netzwerkressourcen. In J. Lüdicke & M. Diewald (Hrsg.), Soziale Netzwerke und soziale Ungleichheit. Zur Rolle von Sozialkapital in modernen Gesellschaften Reihe Sozialstrukturanalyse (S. 53–84). Wiesbaden: VS Verlag.
Hollstein, B. (2011). Qualitative approaches. In J. Scott & P. J. Carrington (Hrsg.), Sage handbook of social network analysis (S. 404–417). London: Sage.
Hollstein, B. (2012). Soziale Netzwerke. In S. Mau & N. Schöneck-Voß (Hrsg.), Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands (S. 745–757). Wiesbaden: Springer VS.
Hollstein, B. (2014). Mixed methods social networks research. An introduction. In S. Dominguez & B. Hollstein (Hrsg.), Mixed methods social networks research. Design and applications (S. 3–34). New York: Cambridge University Press.
Kahn, R. L., & Antonucci, T. C. (1980). Convoys over the life course: Attachment, roles, and social support. In P. B. Baltes & O. G. Brim (Hrsg.), Life-span development and behavior (S. 383–405). New York: Academic.
Klein, J. (1965). Samples from english cultures. London: Routledge & Kegan Paul.
Lareau, A. (2000). Home advantage: Social class and parental intervention in elementary education. Lanham: Rowman & Littlefield.
Lareau, A. (2011). Unequal childhoods. Class, race, and family life. Berkeley: University of California Press.
Lin, N. (2001). Social Capital: A Theory of Social Structure and Action. New York: Cambridge.
McPherson, M., Smith-Lovin, L., & Cook, J. M. (2011). Birds of a feather: Homophily in social networks. Annual Review of Sociology, 27, 415–444.
Mewes, J. (2010). Ungleiche Netzwerke – Vernetzte Ungleichheit. Persönliche Beziehungen im Kontext von Bildung und Status. Wiesbaden: VS Verlag.
Mogey, J. M. (1956). Family and neighbourhood. London: Oxford University Press.
Pfaff, H. (1989). Stressbewältigung und soziale Unterstützung. Zur sozialen Regulierung individuellen Wohlbefindens. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
Schwalbe, M., Godwin, S., Holden, D., Schrock, D., Thompson, S., & Wolkomir, M. (2000). Generic processes in the reproduction of inequality: An interactional analysis. Social Forces, 79(2), 419–452.
Scott, J., & Carrington, P. J. (Hrsg.). (2011). Sage handbook of social network analysis. London: Sage.
Small, M. L. (2009). Unanticipated gains. Origins of network inequality in everyday life. Oxford: Oxford University Press.
Smith, S. S. (2005). „Don’t put my name on it“: Social capital activation and job-finding assistance among the black urban poor. American Journal of Sociology, 111(1), 1–57.
Tenbruck, F. H. (1964). Freundschaft. Ein Beitrag zu einer Soziologie der persönlichen Beziehungen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 16, 431–457.
Tilly, C. (1999). Durable inequality. Berkely: University of California Press.
Verbrugge, L. M. (1977). The structure of adult friendship choices. Social Forces, 56, 576–597.
Willis, P. (1977). Learning to labour. How working class kids get working class jobs. Lexington: Lexington.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Hollstein, B. (2018). Soziale Beziehungen, soziale Ungleichheit und Erträge qualitativer Studien. In: Behrmann, L., Eckert, F., Gefken, A., Berger, P. (eds) ‚Doing Inequality‘. Sozialstrukturanalyse. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07420-3_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-07420-3_9
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-07419-7
Online ISBN: 978-3-658-07420-3
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)