Zusammenfassung
Konflikte zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik über die verfassungsrechtlichen Grenzen politischen Agierens sind in der rechtsstaatlichen Demokratie systematisch angelegt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich für jede Bundesregierung immer wieder neu die Frage stellt, ob das Bundesverfassungsgericht zu sehr in „ihre“ Politik hineinregiert. Für die Regierungszeit der schwarz-gelben Bundesregierung von Angela Merkel lässt sich zeigen, dass das Bundesverfassungsgericht weit davon entfernt gewesen ist, ein starker Veto- oder Gegenspieler zu sein. Zwar hat es den Gesetzgeber in der Innen- und Rechtspolitik häufiger in die verfassungsrechtlichen Schranken gewiesen, zugleich hat es aber die Handlungsspielräume der Politik in anderen zentralen Politikbereichen (Sozialpolitik, Steuer- und Finanzpolitik, Europapolitik) penibel gewahrt. Allerdings geriet das Gericht wegen seiner – rechtsstaatlich konsequenten – Rechtsprechung im Bereich der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften unter öffentlichen Beschuss der (konservativen Teile der) Regierungskoalition. Die Ursache hierfür ist aber weniger in richterlichem Aktivismus zu suchen als vielmehr in parteipolitischer Enttäuschung über eine verlorene gesellschaftspolitische Auseinandersetzung.
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Kneip, S. (2015). Von rügenden Richtern und richtenden Rügen. In: Zohlnhöfer, R., Saalfeld, T. (eds) Politik im Schatten der Krise. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05213-3_12
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