Zusammenfassung
Das Verhältnis der Kinder- und Jugendhilfe zur Politik ist – wie die Entwicklung zeigt – seit jeher sehr wechselhaft und auch widersprüchlich. Gerade in den letzten 50 Jahren zeigt sich dies an zahlreichen Beispielen, nicht zuletzt an den Kontroversen in der Zeit der Reformbewegung Ende der 60-er und in den 70-er Jahren und auch an dem Scheitern der Jugendhilferechtsreform im Jahre 1980.
Das das Verhältnis sehr wechselhaft ist, hat auch viel zu tun, mit dem Doppelcharakter der sozialen Arbeit generell. So ist die Kinder- und Jugendhilfe nicht nur eine sozialpädagogisch geprägter Ort der Hilfe und Unterstützung, der Bildung, Erziehung und Betreuung, sie ist zugleich auch mit einen kinder- und jugendpolitisches Mandat ausgestattet, was sie in die Nähe von Politik rücken läßt. Denn damit ist sie gesellschaftlich und politikimmanent, eben weil sie in einem Spannungsverhältnis zwischen individueller Problemlage und gesellschaftlicher Rahmung steht.
Mit ihren Aufgaben ist die Kinder- und Jugendhilfe Teil der öffentlichen Fürsorge und gehört damit zu den Grundpfeilern der sozialen Daseinsvorsorge (Art. 74 GG). Wurde in der Vergangenheit immer wieder darüber gestritten, ob dieser Bereich ausgebaut werden sollte bzw. konnte, so stellte sich in der Praxis der Ausbau als ein notwendiger und auch konsequenter Schritt dar, um den wachsenden Herausforderungen die an die Förderung von Kindern und Jugendlichen, deren Schutz und die Unterstützung der Familie bei der Bewältigung ihrer Erziehungsaufgaben mit sozialpädagogischen Angeboten gestellt wurden, begegnen zu können. Denn unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch, und sie produziert Risiken und Gefährdungen, die die Familie allein nicht mehr bewältigen kann.
Der Ausbau der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und auch die neuen Orientierungen, die sich z. B. aus dem neuen Bildungsverständnis, dem präventiven Kinderschutz und der frühen Bildung ergeben, bestätigen zwar die Notwendigkeit einer professionell tätigen Kinder- und Jugendhilfe. Es wäre aber ebenso erforderlich, dass sich diese Veränderungen auch in einer neuen Jugendpolitik zeigen. An einer solchen fehlt es bisher in der Politik. Diese ist zwar immer wieder eingefordert worden, doch ist in den letzten 10 Jahren eher ein „Verschwinden der Jugendpolitik“ festzustellen. Es ist aber notwendiger denn je, dass die Politik jugendpolitischer wird, will sie eine überzeugende Rahmung für die Überwindung der sozialen Kluft, der Zukunftssicherung für junge Menschen und für die Umsetzung der mit der Inclusion verbundenen Aufgaben entwickeln. Dies wird in den kommenden Jahren weiterhin eine besondere Herausforderung an alle Akteure bleiben.
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Literatur
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Schäfer, K. (2018). Die Kinder- und Jugendhilfe im Spannungsverhältnis zur Politik. In: Böllert, K. (eds) Kompendium Kinder- und Jugendhilfe. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19096-9_76
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