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Bildung als Randerscheinung? Zum Umgang mit Wissen in Lebenswelten

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Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität

Zusammenfassung

Erziehungswissenschaft im Allgemeinen und Erwachsenenpädagogik im Besonderen interessieren sich seit geraumer Zeit verstärkt für informelle, selbstgesteuerte Formen des Lernens. Gerade in diesen Formen wird die Möglichkeit gesehen, das ‚lifelong learning for all‘ zu realisieren, da es, anders als in der Reformeuphorie der 1970er Jahre gedacht, offensichtlich nicht gelungen ist, den überwiegenden Teil der Menschen zur periodisch wiederkehrenden Teilnahme an formellen Angeboten von Bildungsinstitutionen zu bewegen. Am Beispiel zweier ‚kleiner sozialer Welten‘, der Hexenszene und eines Umweltverbandes, zeigt der Beitrag, dass in solchen Welten angeeignetes und ausgetauschtes Wissen in erster Linie dazu dient, Gewissheiten zu reproduzieren und fraglos Selbstverständliches gegenüber Bedrohungen abzuschirmen. Lernen dieser Art der Erwachsenenbildung zuzuordnen, erweist sich damit als ein Missverständnis.

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Notes

  1. 1.

    Wir beschränken uns hier auf deren Kern, die ‚Lebenswelt des Alltags‘, von der Schütz und Luckmann vor allem Traum- und Phantasiewelten unterscheiden (vgl. ebd., S. 29, 66 ff.). Damit verzichten wir zugleich auf den Versuch, die Begriffe Lebenswelt und Alltag dezidiert voneinander zu unterscheiden. Ein solcher wäre immer nur unter Bezug auf einzelne Autoren, deren Verständnisse voneinander abweichen, ertragreich und ist für den hier zu entwickelnden Gedankengang nicht erforderlich. Vielmehr gehen wir mit Blumenberg (s. u.) davon aus, dass mit Lebenswelt und Alltag in erster Linie Konstellationen bezeichnet werden, in denen ein besonderer Modus der Bezugnahme auf Welt regiert, und um diesen Modus geht es uns.

  2. 2.

    „Verlegenheit ist geradezu Symptom des Lebensweltverlustes, des Durchschlagens der Kontingenz aufs Verhalten. Man hat keine Erklärungen, aber man weiß, wie es gekommen ist und wie es zusammenhängt“ (ebd., S. 14).

  3. 3.

    Böhme und von Engelhardt stellen dementsprechend eine Analogie zwischen der Bedeutung von Krisen in der Lebenswelt und ‚Revolutionen‘ in der Wissenschaft (im Sinne Kuhns) her (vgl. dies. 1979, S. 21 ff.).

  4. 4.

    Ähnlich hohe Erwartungen gibt es in fast allen einschlägigen Erklärungen supranationaler Organisationen zum ‚lifelong learning‘ seit etwa Mitte der 1990er Jahre; einen Überblick gibt Schemmann (2007).

  5. 5.

    Das gilt zumindest für ihre ‚traditionelle‘ Gestalt. Aber wie immer man den Bildungsbegriff auch heute fasst, wird man ihn kaum ohne ein Moment von Reflexivität, ohne das Zulassen von Kontingenz, ohne die Thematisierung dessen, was in der Doxa ‚verschlossen‘ ist, denken.

  6. 6.

    Im Rahmen einer laufenden, eher noch explorativen Studie soll der Umgang mit Wissen in verschiedenen lebensweltlichen Zusammenhängen untersucht werden. Über die hier verwandten hinaus liegen Daten von World-of-Warcraft-Spielern, Liferollenspielern, Mitgliedern eines Lauftreffs, Angehörigen der Poetry-Slam-Szene und Menschen, die sich der Pflege und dem Betrieb historischer Eisenbahnen widmen, vor. Beabsichtigt ist zunächst, eine möglichst breite Repräsentanz unterschiedlicher Arten von Domänenwissen zu erreichen und zu prüfen, in welchem Verhältnis das jeweilige Wissen zum Aktivitätskern der Szenen steht. Die Auswahl der Interviewpartner (zwei bis drei pro Szene) orientierte sich an der Dauer der Zugehörigkeit zu der jeweiligen kleinen sozialen Welt und der Intensität des Engagements. Eine erste Ausarbeitung zu den Hexen liegt vor in Wecke 2011.

  7. 7.

    Anselm Strauss hat demgegenüber ein weiteres, offeneres Verständnis von ‚social worlds‘. Er versteht sie als Universen regulierter wechselseitiger Reaktionen, kulturelle Areale (z. B.: Oper, Ballet, Baseball), die nicht über formelle Mitgliedschaft, sondern über Kommunikation begrenzt werden. Sie bilden keine stabilen Formationen aus, vielmehr untergliedern sie sich ständig in Subwelten, die dann wiederum neue Verbindungen eingehen usw. (vgl. Strauss 1982). Auch sie eignen sich zur Analyse in der hier verfolgten Perspektive, sind in diesem Beitrag aber nicht Gegenstand.

  8. 8.

    Bei den Interviewpartnerinnen handelt es sich um eine 42jährige Bürokraft (A1w), eine 41jährige Diplom-Sozialpädagogin (A2w) und eine 40jährige selbständige Einzelhändlerin (A3w).

  9. 9.

    B1m ist ein 60jähriger Chirurg.

  10. 10.

    B2m ist ein 37jähriger Arbeitsloser.

  11. 11.

    Lediglich bei B2m ist dieser Aspekt kaum ausgeprägt.

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Giese, J., Wittpoth, J. (2014). Bildung als Randerscheinung? Zum Umgang mit Wissen in Lebenswelten. In: von Rosenberg, F., Geimer, A. (eds) Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19038-9_9

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