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Beiträge zur Biologie des Sandregenpfeifers (Charadrius hiaticula L.)

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Zusammenfassung

Die vierjiährige Durchbeobachtung der möglichst vollzählig buntberingten Sandregenpfeifer (jährlich 10–16 Paare) auf dem 10 km langen Stück der Kurischen Nehrung um Pillkoppen brachte folgende Ergebnisse:

  1. 1.

    Die Flügelmaße, die beim gleichen, freilebenden Individuum von Jahr zu Jahr nicht unbeträchtlich wechseln, genügen nicht zur Rassenbestimmung.

  2. 2.

    Im Regelfalle macht jedes Paar jährlich zwei Bruten. Sie waren 1936 in drei Fällen ineinandergeschachtelt, d. h. die Zweitbrut begann vor dem Flüggewerden der ersten Jungen; weiterhin waren alle Zyklen zerdehnt, d. h. die zweite Brut beginnt erst einige Zeit, nachdem die Eltern die ersten, flüggegewordenen Jungen aus ihrer Führung entlassen haben. Geht ein Gelege verloren, so wird ein Nachgelege gemacht, um so früher, je jünger das Gelege zur Zeit seines Verlustes war. Im Höchstfalle hatte ein Paar in einem Sommer fünf Gelege; andere Paare verließen das Gebiet schon nach dem ersten Gelegeverlust; alle erdenklichen Zwischenstufen verbinden diese beiden Grenzfälle.

  3. 3.

    Von einem 23 km weiter nördlich aufgefundenen Vogel abgesehen, waren sämtliche altberingten Brutvögel absolut ortstreu; zwei kamen alle vier Jahre wieder, fünf wurden in drei Jahren, zehn in zwei Jahren, 28 in nur einem Jahr beobachtet. Zudem waren sie fast alle nicht nur jahrüber, sondere auch in aufeinanderfolgenden Jahren reviertreu (Abb. 1, 2, 4); Umpaarungen in ein anderes Revier und Neubesetzungen eines leergewordenen waren sehr selten.

  4. 4.

    Während des Jahres ist die Gattentreue, falls beide Partner gesund bleiben, ausnahmslos. Kamen sie, getrennt voneinander, im nächsten Jahr beide gesund wieder, so paarten sie sich am neutralen Orte abermals: Gattentreue ist hier mehr als Reviertreue und unabhängig von ihr. Nur fußkrank gewordene Partner wurden von ihren gesund gebliebenen, vorjährigen Partnern verschmäht, verteidigten trotzdem einzeln ihr altes Brutgebiet monatelang und konnten sich endlich mit ihresgleichen neu verpaaren.

  5. 5.

    Von den 68 beim Schlüpfen beringten Jungvöeln kamen in späteren Jahren nur 6 wieder, davon drei lediglich als Durchzügler. Zwei brüteten gut 6, einer 11 km vom Geburtsort entfernt. Schon Einjährige sind voll fortpflanzungsfähig.

  6. 6.

    Von allen abgelegten Eiern schlüpften durchschnittlich nur 37%, und nur 15% lieferten flügge Junge. Im Durchschnitt zeitigte jedes Paar ein Junges im Jahr. Wenn etwa die Hälfte von ihnen noch vor ihrer ersten Brut umkommt, und wenn alle überlebenden Jungtiere im Beobachtungsgebiet wiederbrüten würden, so müßte im Durchschnitt ein Paar vier Jahre lang brüten, wenn der Bestand sich aus eigener Kraft erhalten soll. Das aus den Wiederkehrbeobachtungen als Mindestzahl berechnete Durchschnittsalter beträgt 2,2 Jahre; in Wahrheit dürfte es höher sein. Wahrscheinlich haben wir ein Verlustgebiet beobachtet, d. h. der Bestand kann sich nur durch Zuzug auf der alten Höhe halten. Vermutlich nehmen zahlreichere Jungvögel im Beobachtungsgebiet Revier, als Jungvögel abwandern.

  7. 7.

    Gleich nach der Ankunft beginnt am neutralen Ort in Gemeinschaft die Balz. Die Vorbalz endet mit dem endgültigen Paarzusammenschluß (aktive Paarungszeremonie des ♀, vgl.Lorenz' Labyrinthfischtypus), die Nachbalz mit dem Vollgelege. Die Haupthandlung der Vorbalz ist das Imponiergehaben, das anfangs sowohl feindliche wie werbende Absichten ansdrücken kann. Später wird es zur Symbolhandlung bei der Begrüßung der Paarpartner und dient zur Revierverteidigung. Im Revier beginnt das ♂ mit dem Scheinnisten, der Haupthandlung der Nachbalz; Begleithandlungen sind seine Balzflüge und Flugsprünge. Indem das ♀ das Scheinnisten des ♂ immer stärker beachtet, entwickelt sich in vollendeter Handelnverschränkung beider die Ablösung unter dem gefächerten Schwanz und aus ihr die Nestgründung. Aus dem Scheinnistkomplex nehmen beide Partner in die durchschnittlich 24tägige Brutzeit hinüber: die Teilhandlungen des Nestausmuldens (Hudern, Wöltern, Baggern, Drehen) sowie die Ablösung als solche unter baldigem Verblassen ihrer Zeremonie, endlich das Verlegen und Schleudern, offenbar beim stammesgeschichtlichen Uebergang zum Nisten im Sande überflüssig gewordene und dennoch zäh festgehaltene Instinkthandlungen. Während der anfangs ebenfalls streng reviertreuen Jungenführung bleibt die Ablösung erhalten: der „Innendienst“ steht unter den Jungen und löst anfangs durch Warnruf ihr Sichdrücken aus, der „Außendienst“ steht abseits Posten. Zur Zeit der ineinandergeschachtelten Bruten brütet ein Partner, der andere führt, beide stehen miteinander in Stimmfühlung, sind sozusagen „Außen- und Innendienst“ zugleich. Ueberhaupt bildet das Paar in allen Bruthandlungen eine Wirkungseinheit. Die Jungen werden bis zum fünften Tage auch tags, später nur nachts gehudert, endlich nur noch gewarnt und verteidigt; nach durchschnittlich 22 Tagen sind sie flügge.

  8. 8.

    Die Jungen der ersten Brut verlassen ihre Eltern bald nach dem Flüggewerden; bei der Zweitbrut kann die Familie länger zusammenhalten. Das ♀, das auch im Frühjahr als erstes eintraf, verschwindet im Herbst eher als das ♂.

  9. 9.

    Jede dieser Teilhandlungen des Brutgeschäftes schwankt im Ablauf der Brutzeit in ihrer Intensität, wechselt je nach ihrer Verknüpfung mit anderen Handlungen ihre biologische Bedeutung und kennzeichnet als jeweilige Haupthandlung verschiedene Brutperioden. Abb. 5 veranschaulicht dieses verwickelte Ineinandergreifen, die Bedeutungswechsel der einzelnen Handlungen und ihr zeitliches Zueinander.

  10. 10.

    Offensichtlich stecken in den verschiedenen Einzelhandlungen eine sehr große Anzahl mehr oder weniger starrer Instinkthandlungen im Sinne von K.Lorenz (aufgezählt auf S. 283). Daß sie angeboren sind, zeigt für viele bereits das eben geschlüpfte Junge unter Normalbedingungen, für andere bleibt es durch deren isolierte Aufzucht noch zu prüfen.

  11. 11.

    Manche Ergebnisse von Freilandversuchen zur Frage, wie die Regenpfeifer ihr Nest und ihre Eier erkennen, wurden in die Darstellung andeutend eingeflochten. Zusammenhängend sollen sie in der Zeitschrift für Tierpsychologie dargestellt werden.

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Laven, H. Beiträge zur Biologie des Sandregenpfeifers (Charadrius hiaticula L.). J Ornithol 88, 183–287 (1940). https://doi.org/10.1007/BF01670406

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