Auszug
Lange Zeit konnten sich die Parteien auf ihre Wähler verlassen. Bis in die 80er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hinein blieben Wahlbeteiligungsraten hoch und Regierungen wurden vor allem im Amt bestätigt. Dieser fast schon paradiesische Zustand ist mittlerweile Geschichte. Der Typ des „emanzipierten Bürgers“ bereitet den Parteien große Sorge, zumal er immer häufiger in Erscheinung tritt. Bürger, die sich weder von den Parteien lossagen noch von der Politik abwenden, aber frei genug sind, sich bei jeder Wahl neu zu entscheiden, ob sie an ihr teilnehmen, einmal eine andere Partei wählen oder aber auch „ihre“ Partei einmal richtig abstrafen wollen. Um sie geht es in diesem Beitrag. Sie sollen zunächst definiert, dann beschrieben und, wenn möglich, annähernd quantifiziert werden. Ferner soll versucht werden, etwas über die Motivation ihres Handelns zu erfahren. Gibt es theoretisch ableitbare Gemeinsamkeiten? Stellen sie eine Gruppe und damit auch eine Gefahr für die Stabilität der Demokratie dar oder handelt es sich eher um verstreute Einzel-Täter, die es den Parteien lediglich in der Summe erschweren, politische Macht für längere Zeiträume auszuüben? Zumindest stellen emanzipierte Wähler die Kalkulierbarkeit von Wahlergebnissen in Frage — für Parteien, Politiker, Demoskopen und Wahlforscher.
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Literatur
Vgl. Michael Eilfort: Verdrossene, entfremdete Bürger? Nichtwähler als Herausforderung für die Demokratie, in: Gerd Meyer et.al. (Hrsg.): Brennpunkte der politischen Kultur in Polen und Deutschland, Warschau 2007, S. 119–134, hier S. 125. Siehe auch Birgit Hoffmann-Jaberg/Dieter Roth: Die Nichtwähler. Politische Normalität oder wachsende Distanz zu den Parteien?, in: Wilhelm Bürklin/Dieter Roth (Hrsg.): Das Superwahljahr: Deutschland vor unkalkulierbaren Regierungsmehrheiten, Köln 1994, S. 132-159, hier S. 134.
Vgl. Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.): Politische Partizipation in Deutschland, Gütersloh 2004; Jan van Deth: Soziale und politische Beteiligung: Alternativen, Ergänzungen oder Zwillinge?, in: Achim Koch et al. (Hrsg.): Politische Partizipation in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 2001, S. 195–219.
Klaus von Beyme: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1999, S. 92.
Vgl. Jürgen W. Falter/ Siegfried Schumann: Der Nichtwähler — das unbekannte Wesen, in: Max Kaase/ Hans-Dieter Klingemann (Hrsg.): Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1990, Wiesbaden 1994, S. 365–396; Max Kaase/Petra Bauer-Kaase: Zur Beteiligung an der Bundestagswahl 1998, in: Max Kaase/Hans-Dieter Klingemann (Hrsg.): Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1994, Wiesbaden 1998, S. 85-112, hier S. 87; Hoffmann-Jaberg/Roth (Fußnote 2), S. 132.
Zur Literatur seit dieser Zeit siehe Claudio Caballero: Nichtwahl, in: Jürgen W. Falter/ Harald Schoen (Hrsg.): Handbuch Wahlforschung, Wiesbaden 2005, S. 330.
Zum Begriff der Politikverdrossenheit siehe Bernhard Kornelius und Dieter Roth in: Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.): Politische Partizipation in Deutschland, Gütersloh 2004, S. 17ff.; Kai Arzheimer: Politikverdrossenheit, Wiesbaden 2002.
Vgl. Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien, Opladen 2000.
Siehe hierzu z.B. Fritz W. Scharpf: Governing in Europe: Effective and Democratic?, Oxford 1999.
Andreas M. Wüst/ Dieter Roth: Parteien, Programme und Wahlverhalten, in: Jens Tenscher (Hrsg.): Wahl-Kampf um Europa, Wiesbaden 2005, S. 56–85, hier S. 73.
Karlheinz Reif/ Hermann Schmitt: Nine national second-order elections: A systematic framework for the analysis of European elections results, in: EJPR 8, 1980, S. 3–44.
Siehe Berichte der Forschungsgruppe Wahlen Nr. 54 Europawahl am 18.6.1989, S. 54; vgl. auch Teil 3 dieses Beitrags.
Zum Konzept und zur Messung der Parteiidentifikation siehe Harald Schoen/ Cornelia Weins: Der sozialpsychologische Ansatz zur Erklärung von Wahlverhalten, in: Jürgen W. Falter/ Harald Schoen (Hrsg.): Handbuch der Wahlforschung, Wiesbaden 2005, S. 187–242, S. 206ff.
Dieter Roth (1992), Sinkende Wahlbeteiligung — eher Normalisierung als Krisensymptom? In: Karl Starzacher et. Al. (Hrsg.): Protestwähler und Wahlverweigerer, Köln 1992, Birgit Hoffmann-Jaberg, Dieter Roth (1994).
Michael Eilfort (2007), Verdrossene, entfremdete Bürger? Nichtwähler als Herausforderung für die Demokratie, in: Gerd Meyer et.al. (Hrsg.):Brennpunkte der politischen Kultur in Polen und Deutschland S. 124 ff.
Max Kaase: Wechsel von Parteipräferenzen, Meisenheim am Glan 1967.
Russell J. Dalton/ Martin P. Wattenberg: Partisan Change and the Democratic Process, in: dies. (Hrsg.): Parties without Partisans: Political Change in Advanced Industrial Democracies, Oxford 2000.
Max Kaase, Bedingungen unkonventionellen politischen Verhaltens in der Bundesrepublik Deutschland, in: Peter Graf Kielmansegg, Legitimationsprobleme politischer Systeme, PVS-Sonderheft, Nr. 7, 1976, S. 179–216.
Bernhard Kornelius, Dieter Roth, 2004, Politische Partizipation in Deutschland, Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), S. 95.
Vgl. Dieter Roth: Potential und Struktur extrem rechter Wählerschaften, in: Einsichten und Perspektiven 2/2006, Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, S. 108ff.
Vgl. hierzu die Einteilung von Jürgen R. Winkler: Rechtsextremismus. Gegenstand-Erklärungsansätze-Grundprobleme, in: Wilfried Schubarth und Richard Stöss (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 2001, S. 38–68.
Franz Urban Pappi: Die Republikaner im Parteiensystem der Bundesrepublik. Protesterscheinung oder politische Alternative?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 40, 1990, S. 37–44.
Siehe z.B. Kai Arzheimer: Politikverdrossenheit. Bedeutung, Verwendung und empirische Relevanz eines politikwissenschaftlichen Begriffs, Wiesbaden 2002, S. 86ff.
Vgl. Andreas M. Wüst/ Dieter Roth: Schröder’s Last Campaign: An Analysis of the 2005 Bundestag Election in Context, in: German Politics 15(4), 2006, S. 439–459, hier insbesondere S. 454ff.
Klaus von Beyme, Parteien im Wandel, Wiesbaden 2000.
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© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Roth, D., Wüst, A.M. (2007). Emanzipiert und ungeliebt: Nicht-, Wechsel- und Protestwähler in Deutschland. In: Patzelt, W.J., Sebaldt, M., Kranenpohl, U. (eds) Res publica semper reformanda. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90763-5_31
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