Zusammenfassung
Die Tradition der Psychoanalyse ist durch Brüche und Spaltungen belastet, deren Folgen meines Erachtens bisher nicht ausreichend reflektiert wurden. Das betrifft insbesondere die Zeitbezogenheit einiger psychoanalytischer Konzepte und die Erlebnisbedeutung der frühesten Erfahrung mit der Mutter vor und während der Geburt. Ein wesentlicher Grund für die unvollständige Erfassung der Wirklichkeit der prä- und perinatalen Erfahrungen liegt in den zeitbedingten und persönlich bedingten Begrenzungen der Erkenntnismöglichkeiten Freuds, die in Anbetracht seiner großen Entdeckungen und aus Loyalität nicht ausreichend reflektiert wurden. Die genannten Brüche waren oft kompromisshafte „Lösungen“ in Bezug auf unterschiedliche Wahrnehmungen, die aber auch mehr, als es jeweils bewusst war, einen Verlust an substanziellen Einsichten bedeuteten. Die Folge dieser Situation ist die, dass wir heute eine Vielfalt von Schulen und Gruppen um Teileinsichten haben, die aber der Gruppenidentität zuliebe oft unbegründet verallgemeinert werden. Der Beitrag will ein Versuch zur Reflexion dieser Situation und ihrer Hintergründe sein.
Abstract
The tradition of psychoanalysis is burdened with fractures and splitting, the consequences of which have not yet, in my opinion, been adequately reflected. This concerns in particular the time-relatedness of some psychoanalytical concepts and the experiential importance of earliest experiences with the mother before and during birth. A fundamental reason for the incomplete apprehension of the reality of prenatal and perinatal experiences lies in the era-dependent and personally related limitations of Freud’s possibilities of insight, which were not adequately reflected in consideration of his great discoveries and from loyalty. The fractures mentioned were often compromise-like “solutions” relating to differing perceptions but also meant, more than had been realized, a loss of substantial insights. The consequence of this situation is that nowadays we have a variety of schools and groups with partial insights, which are, however, often arbitrarily generalized for the sake of group identity. This article is an attempt at a reflection of this situation and its background.
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Janus, L. Freud und die pränatale und perinatale Dimension des seelischen Erlebens. Forum Psychoanal 32, 285–298 (2016). https://doi.org/10.1007/s00451-016-0242-y
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