Zusammenfassung
Voraussetzung und zugleich Folge der fortdauernden Entwicklung, dass private Haushalte kleiner werden, ist eine zunehmende Verlagerung ehedem privater Austauschbeziehungen und Unterstützung im sozialen Nahraum hin zu sozialstaatlichen Institutionen und kommerziellen Dienstleistern, wobei dem größeren Familienverband weiterhin eine wichtige Rolle zukommt. So werden beispielsweise immer noch die weitaus meisten pflegebedürftigen Menschen von Familienangehörigen versorgt. Darüber hinaus geben sich Mitgliedern privater Haushalte untereinander auch vielfältige kommunikative, emotionale und lebenspraktische Unterstützung, die Alleinlebende sich in anderen sozialen Kontexten erschließen müssen oder aber entbehren. Wie lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen den privaten Beziehungs- und Austauschmustern einerseits und öffentlichen Strukturqualitäten andererseits charakterisieren? Haben Alleinlebende einen eigenen Bedarf an personen- und situationsgebundenen Unterstützungsangeboten jenseits privater Arrangements? Sind sie dabei auf eine organisierte Bereitstellung von kommunikativen, emotionalen und lebenspraktischen Leistungsangeboten angewiesen?
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Wenn hier von Familien gesprochen wird, sind auch Haushai Urgemeinschaften eingeschlossen, in denen Menschen wie in einer Familie miteinander leben und wirtschaften, ohne im juristischen Sinn eine Familie zu bilden.
Zur Gestaltung von Umgebungsstrukturen mit dem Ziel, dass sie den „alltäglichen Mustern der Lebensorganisation“ einer bestimmten Personengruppe entgegenkommen, die Lebensform stützen, siehe auch den Ansatz von Hans-Rolf Vetter (1999) für ein Modellprojekt „Alleinerziehende und öf-fendiche Strukturqualität“. Vetter macht die wirtschaftliche und sozialpolitische Unterversorgung dieser Frauen und ihrer Kinder zum Ausgangspunkt für eine Sozialpolitik, die mittels Gestaltung öffentlicher Strukturqualitäten die Lebensform stützt und eine proaktive Emanzipation ermöglicht.
Die Befragten (repräsentativ ausgewählte Männer und Frauen zwischen 18 und 55 Jahren), die sowohl keine Familie wie keinen Partner angeben, im Einpersonenhaushalt leben und unverheiratet sind, haben „circa zweieinhalb mal so viele Freunde und mehr als sechsmal so viele Nachbarn im engen persönlichen Netzwerk wie Nicht-Singles.“ (Bien; Bender 1995: 83) Das lässt allerdings nicht unmittelbar auf die Art der sozialen Austauschbeziehungen schließen.
So las ich kürzlich in einer ernst zu nehmenden Studie, deren Autor mir nicht mehr präsent ist.
Anja Vielhaber ist, wie erinnerlich, in einem solchen Wohnprojekt aktiv engagiert; unter den von uns interviewten Alleinlebenden waren es aber vor allem Frauen der in die vorliegende Arbeit nicht einbezogenen Jahrgänge 1958 – 1962, die im Alter einmal in einem ähnlichen Wohnkollektiv leben wollen.
Siehe auch die Bedeutung von Initiativgruppen im Vergleich zum Mitgliederschwund in Organisationen. Die Autorinnen der 12. Shell Jugendstudie beobachten diesen Trend auch bei Jugendlichen: „muss jederzeit wieder aussteigen können“, war das von 18 Argumenten für aktives Engagement zweithäufigst genannte. (Jugendwerk der Deutschen Shell 1997:325)
„Mit dem Begriff des Wohlfahrtsmix sind Gewicht und Funktion von vier fundamentalen Bereichen von Sozialpolitik und sozialer Versorgung angesprochen: die des Staates, des Marktes, des intermediären Bereichs freier Träger und des informellen Bereichs, in dem Haushalte, Familien und soziale Unterstützungssysteme eine zentrale Rolle spielen.“ (Evers 1992:3) Siehe dazu auch Gaiser; Schefold; Vetter 1992.
Für die folgenden Überlegungen beziehe ich mich hier auch auf das Konzept der „sozialen Stadt“, wie Hanesch (1996) es ausführt.
Wo Ghettos für Alleinlebende bestehen, werden sie, wie unsere Gesprächspartnerinnen deutlich gemacht haben, nicht selten von diesen selbst als peinlich empfunden. In der ehemaligen DDR, in der Alleinlebende als sozial nicht integrierte und deshalb der Hilfe bedürftige Menschen angesehen wurden, bestand ein ganzes Netz von öffentlich geförderten Einrichtungen,Gesundheitswesens die sich „Klub der Unverheirateten“ oder „Klub der Alleinlebenden“ nannten — als Einrichtungen des Gesundheitswesens und jeweils vom Rat der Stadt unterstützt. (Zu Alleinlebenden in der DDR siehe Heide Soltau, 1993.)
Das Wegsanieren von separaten Nebenräumen in Kneipen und Wirtshäusern ohne Schaffung von äquivalenten Raumangeboten im Quartier erschwert dagegen diese Art traditioneller sozialer Netzwerke.
Anthony Giddens (1995:143) behandelt diese Aspekte von Modernisierung in seiner Institutionenanalyse „Konsequenzen der Moderne“ und befasst sich ausführlich mit der Vertrauensfrage. „Das Vertrauen in abstrakte Systeme sorgt zwar für die Sicherheit im Sinne tagtäglicher Zuverlässigkeit, doch es liegt im innersten Wesen dieses Vertrauens, dass es weder die Gegenseitigkeit noch die Intimität bieten kann, die von persönlichen Vertrauensbeziehungen ausgehen.“
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Stich, J. (2002). Soziale Infrastruktur für Alleinlebende: eine Herausforderung für die Sozialraumplanung?. In: Alleinleben — Chance oder Defizit. DJI-Reihe, vol 13. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09241-4_6
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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