Zusammenfassung
Aus sämtlichen Interviews, die als empirische Erhebung für diese Arbeit gemacht wurden, ist nachfolgende Auswertung entstanden. Die Interviews wurden analysiert und in dieser Gesamtbetrachtung zusammengefasst. Die Analyse der Interviews wurde nach den vorher gebildeten insgesamt 19 Kategorien vorgenommen. Jede Untersuchung wurde strukturiert und letztendlich mit den anderen Probandenergebnissen verknüpft. Die Arbeitsbedingungen der in dieser Studie befragten Kriegsberichterstatter weist die nachfolgenden und detailliert aufgegliederten Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten auf. Ergänzt wurde die Analyse mit vorhandenem Material in Form von Aussagen diverser Analytiker und Praktiker, so dass die Ergebnisse aus der empirischen Befragung durch weitere Meinungen verdeutlicht, bestätigt, ergänzt und vertieft werden konnten. Zuletzt erfolgt eine allgemeine Bilanz zu den Arbeitsbedingungen mit einem kritischen Ausblick. Durch die einzelnen Aussagen der Beteiligten, die an dieser Stelle zusammengetragen wurden, ist ein guter Überblick möglich — da jeder Gesprächspartner auf bestimmte Aspekte näher eingegangen ist, konnten die unterschiedlichen Verwertungskriterien zum Ergebnis führen. Die Aussagen der Journalisten fügen sich gemeinsam wie Puzzlestücke zusammen und ergeben letztendlich das Gesamtbild der Untersuchung. Die empirische Befragung ist nicht repräsentativ, stellt aber einen aussagenreichen Querschnitt dar.
„ Über einen Krieg zu berichten ist, wie russisches Roulette zu spielen. “ Peter Maass1
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Literatur
Maass 1997: 136.
Kálnoky, Interview Nr. 5.
Erst im Kriegsgebiet erfuhren die Journalisten von den bereits anwesenden Kollegen, welche Präparationen notwendig waren: Anfangs zogen die Journalisten ohne Schutzwesten durch die Gegend und benutzten keine entsprechend sicheren Fahrzeuge. Noch bevor es zum kriegerischen Höhepunkt kam, gab es keine Richtlinien beispielsweise über vernünftige Kleidung. Erst nach und nach wurden diese nützlichen Informationen unter den anwesenden Korrespondenten verbreitet. „Später wurde man vorsichtiger.“ (Grüner, Interview Nr. 3)
Sich nicht mit schießwütigen Bosniern anlegen und nicht in gefährlichen Lagen diskutieren waren ohnehin Grundsätze. Behilflich waren nur die Kontaktstellen mit Telefonnummern, an die sich die Angehörigen im Notfall wenden konnten. (Vgl. Gruber, Interview Nr. 4)
Klärung der Kosten für ambulante/stationäre Behandlung, für Verletzung während der Ausübung des Berufs in einem Gebiet mit Gefahren und eine Auslandsreisekrankenversicherung sind vorab zu kiären. Eine Kriegsverletzung muss in der Versicherung als Berufsunfall anerkannt werden, der medizinisch notwendige Rücktransport in die Heimat bzw. im Todesfall muss geregelt sein, ebenso die Rente für zurückgebliebene Ehepartner und Kinder. Risikolebensversicherungen werden angeraten, ebenfalls eine Unfallversicherung, die im Kriegsgebiet gilt und bei Verdienstausfall, Invalidität oder dauerhafter Beeinträchtigung zahlt. Alles das ist nach wie vor nur gegen einen allzu hohen Zuschlag erhältlich. (Vgl. Kühl 1996: 13)
Flottau 1996: 17.
Vgl. Kapitel 12.7 zur näheren Erläuterung der Bewegungsmöglichkeiten mit einem eigenen Fahrzeug.
Gruber, Interview Nr. 4.
Simpson 1995: 9.
Duve 1993: 11.
Kriegsberichterstatter stellten innerhalb chaotischer Zustände Faustregeln auf: frühmorgens schießen die Soldaten gut, weil sie ausgeschlafen sind; mittags während der Essenspause ist es eine gute Möglichkeit, um durchzukommen; nachmittags beginnen die Saufgelage, dann sind die Schüsse unkontrolliert. (Vgl. Rathfelder, Interview Nr. 7)
Wer sich darauf verließ, wegen zwei Stunden Waffenstillstand ungestört einen Film drehen zu können, wurde vom Gegenteil überzeugt. Rathfelder berichtet über ein italienisches Fernsehteam, das in Mostar im Winter 1993/94 diese Grundregeln nicht beachtete. Die Unerfahrenheit führte sie in den Tod, da die Artillerie die Geschütze auf das Team richtete und sie wegschoss.(Vgl. Rathfelder, Interview Nr. 7)
Mit kroatischen Zeitungen auf dem Nebensitz konnte sich Tschetniks provoziert füühlen. Gruber erinnert sich an eine Lage, in die er sich aus Unvorsichtigkeit brachte: die kroatische Presseprodukte war der Auslöser, warum er am Checkpoint aufgehalten, bedroht und zwei Stunden lang festgesetzt wurde. (Vgl. Gruber, Interview Nr. 4)
Die finanzielle Lage hängt grundsätzlich von der Geschäftstüchtigkeit ab: nur wer ständig die Gelder eintreibt, die Reisekosten abrechnet und sich die Ausstattung bezahlen lässt, kann einen anständigen Verdienst einstreichen. Wer das nicht tut, bleibt auf vielen Kosten sitzen und kann sich nur einen ganz bestimmten Lebensstandard finanzieren. (Vgl. Rathfelder, Interview Nr. 7; Gruber, Interview Nr. 4)
Gelhard 1992: 87.
Die Improvisation mit einem Aufkleber, auf dem PRESS oder TV deutlich sichtbar war, half nichts. Es stellte sich heraus, dass das Verhältnis der Kriegsführenden zur Presse ein anderes war, als man allgemein vermutet hatte. Es zeigte sich, dass eine derartige Verkleidung des Wagens ihn erst recht zur Zielscheibe machte. Als es noch mehr Anschlage auf Presseleute gab, erkannten die Journalisten, wie hinderlich die Kennzeichnung war und stellten derartige provisorische Maßnahmen wieder ein. (Vgl. Sartorius, Interview Nr. 2; Grüner, Interview Nr. 3; Braun, Interview Nr. 1)
Sauter 1991: 14.
Für die Strecke von Zenica nach Tuzla benötigte man in friedlichen Zeiten etwa zwei Stunden (180 Kilometer). Durch die serbischen Truppen mussten 10 bis 16 Stunden eingerechnet werden. In Brcko waren die Kämpfe so heftig und die Straße zu gut einsehbar, so dass Fahrzeuge beschossen wurden und man nur nachts fahren konnte. (Vgl. Rathfelder, Interview Nr. 7; Rathfelder 1998: 102)
Da Privatleute das Geld benötigten, war das leicht zu organisieren und man wurde für 300 Mark über den Igman gebracht. Die Taxifahrer fuhren bis zu den Frontlinien, diese musste man zu Fuß überqueren, auf der anderen Seite wartete bereits ein anderes Taxi. (Vgl. Gruber, Interview Nr. 4)
Rathfelder kannte einen Kommandanten gut und bekam füür die Brcko-Front einen Aufenthaltsausweis. Da jeder Korpus der Armee einen eigenen Presseinformationssektor betreute, galten die Ausweise nur begrenzt und für bestimmte Checkpoints. „Den Ausweis für die Checkpoints war relativ einfach zu bekommen. Aber an die Front zu gehen war schwieriger.“ (Rathfelder, Interview Nr. 7)
Die jeweilige Armee war für Unfälle verantwortlich und achtete darauf, den Journalisten die richtigen Hinweise zu geben, was Kleidung und Schutzmaßnahmen betraf und welche Gefahren an der Front warteten. Im bosnischen und kroatischen Krieg mussten sich Reporter bei der örtlichen Polizeibehörde anmelden und konnten nur in militärischer Begleitung die Reise unternehmen. (Vgl. Kálnoky, Interview Nr. 5)
Rüb erklärt dazu: „Ich habe diese organisierten Reisen dann mitgemacht, wenn ich den Eindruck hatte, die können mir sozusagen als höheres Reisebüro nützlich sein, wenn ich diese parasitär benutzen konnte.“ (Rüb, Interview Nr. 6)
Gruber, Interview Nr. 4.
Die Entwicklung der Handys hatte gerade erst begonnen. Zum größten Teil funktionierten die Netze noch nicht, die Mehrzahl der Journalisten war auch nicht im Besitz einer derartigen Gerätschaft. (Vgl. Kálnoky, Interview Nr. 5; Braun, Interview Nr. 1) Nur drei der Befragten gaben an, mit einem tragbaren Telefon unterwegs gewesen zu sein.
Wer vier bis fünf Batterien zur Hand hatte, konnte damit anschließend einige Stunden lang schreiben. (Val. Rathfelder. Interview Nr. 7; Rüb. Interview Nr. 6)
Eine Alternative gab es erst ab 1994 in Tuzla und Sarajewo, wo ein Büro der Nachrichtenagentur Associated Press eingerichtet wurde. Gegen hohe Gebühren konnte auch dort über Satellit vermittelt werden. Da aber Barbezahlung notwendig war und die Journalisten oft nur wenige liquide Geldmittel zur Verfügung hatten, schmälerte das die Möglichkeiten. (Vgl. Rathfelder, Interview Nr. 7)
Vuckovic 1996: 14.
Stringer sind freie Mitarbeiter für ein Medium, die vor Ort wohnen und meist die Nationalität des Landes haben. Sie übernehmen bestimmte Dienstleistungen und stehen dem Korrespondenten hilfreich zur Seite. Stringer werden auch als Pauschalisten bezeichnet. Sie können verschiedene Quellen anzapfen, die politisch unabhängig sind. Ihre Aufgabe besteht darin, schnell mit Informanten zu kontaktieren, Termine auszumachen, Interviewpartner zu besorgen und Gespräche zu vermitteln. „An Konfliktorten in der ganzen Welt haben ausländische Nachrichtenorganisationen örtliche Spitzbuben (...). Sie bekommen Benzin, wenn keines auffindbar ist, sie finden Hotelzimmer, wenn die Hotels ausgebucht sind, sie kriegen Interviews hin, wenn niemand reden will.“ (Maass 1997: 276)
Braun, Interview Nr. 1.
Neben den großen überregionalen deutschen Tageszeitungen wurde Herald Tribune als Nachrichtenlieferant genannt, ebenso die lokalen Blätter. Fünf Journalisten nutzten zusätzlich Zeitschriften, nebst Titeln wie Der Spiegel und Economist wurden auch die lokalen Blätter verwendet. Sowohl bei den einheimischen Kollegen als auch bei der Verwendung von einheimischen Printmedien wurde auf den Erfahrungswert gesetzt: Jene Journalisten und jene Blätter, die sich als nützlich herausgestellt haben, wurden wieder verwendet. (Vgl. Grüner, Interview Nr. 3)
Rathfelder, Interview Nr. 7.
Sartorius 1997: 228.
Grüner, Interview Nr. 3.
Über die Willkür an einem Checkpoint berichtet Braun, der von einem jungen Mädchen mit Waffengewalt angehalten und bedroht wurde. Das deutsche Kennzeichen am Auto wies ihn als Faschisten aus, so dass er wüst beschimpft und in der Hitze stundenlang stehengelassen wurde. (Vgl. Braun, Interview Nr. 1)
„Wenn man in Bosnien Freunde gewinnen will, bietet man eine Marlboro an. Ich hatte immer ein Päckchen bei mir, obgleich ich nicht rauche (...). Zigaretten waren die Talismane des Krieges, nützlicher als eine kugelsichere Weste.“ (Maass 1997: 143)
Rathfelder, Interview Nr. 7.
Propaganda ist als gefährlicher Einflussfaktor auf Korrespondenten bekannt. „Aber man hat keinen absoluten Schutz, dass man manipuliert wird. Das gibt es nicht, das ist schwierig.“ (Grüner, Interview Nr. 3)
„Die Regeln sind anders in einem Land, das Krieg führt. Wenn man mit dem Kommandanten eines Kontrollpunkts auf dem Balkan spricht und er ist schwer bewaffnet und nur teilweise nüchtern, läßt man lieber die Finger von provokativen Fragen. (...) Auf dem Balkan war man häufig emsig bemüht, mächtige Leute ruhig zu halten, denn wenn sie wollten, konnten sie einem schaden. Nichts stand ihnen im Weg, schon gar nicht ein hellblauer Presseausweis der Vereinten Nationen.“ (Maass 1997: 247)
Zschunke 1994: 70.
Die Botschaften im Ausland waren über die Berichterstattung gut informiert. Wer nicht im Sinne der Regierung schrieb, wurde diffamiert, indem Anrufe in den Chefredaktionen eingingen. Es wurde versucht, in den Redaktionen zu intervenieren und über diesen Weg die Korrespondenten in ihrer Arbeit zu zensieren. „Die Leute in den Redaktionen lassen sich leichter verunsichern, die verstehen ja nicht den Zusammenhang.“ (Rathfelder, Interview Nr. 7)
Neudeck 1998: 58.
Da Präsident Izetbegovic ausschließlich Fernsehsendern Interviews gab, musste sich die Presse mit dem Rundfunk zwangsläufig zusammentun: Gruber schlich sich durch einen befreundeten Kollegen zu einem BBC-Gespräch und konnte dadurch seine Fragen stellen. (Vgl. Gruber, Interview Nr. 4)
Fotojournalisten gingen meist direkt an die Front, Fernsehreporter mussten abends zur Ubermittlung des Films in einer Zentrale sein. Der Tagesrhythmus der Schreibenden unterscheidet sich wesentlich von dem der Rundfunkreporter, so auch der Produktionsablauf. Die Herangehensweise bei Interviews ist eine andere: der Printjournalist spricht eineinhalb Stunden mit dem Interviewpartner, der Fernsehreporter holt sich drei Minuten Originalton. Aus diesen Gründen war die Zusammenarbeit im Krieg begrenzt.
Dieser Austausch blieb dahingehend begrenzt, dass wenn eine Idee oder Reise dem eigenen Arbeitge-ber einen enormen Prestigevorteil brachte, wurden Informationen nur in einem engen Kollegenkreis ausgetauscht. (Vgl. Kálnoky, Interview Nr. 5)
Kálnoky, Interview Nr. 5.
„Aber je mehr Erfahrungen man bekommt, wenn man die Landschaft kennt, schon an mehreren Frontsituationen war, dann lernt man das einzuschätzen, was Distanz ist, wo sie einen kriegen können und wo nicht, wo Sniper sind.“ (Rathfelder, Interview Nr. 7) Sniper waren die Heckenschützen, die sich in den belagerten Städten verschanzten und von dort auf die Bevölkerung und alle anderen Leute, die sich ungeschützt bewegten, gezielt schossen.
Die Nerven waren auf das Äußerste angespannt, weil der Krieg miterlebt und ständig vor Augen geführt wurde, welcher Bedrohung sich die Bewohner auslieferten, um zu überleben. Die Stadt war bevölkert von schreienden, weinenden Menschen. Schlimm sei es mitanzuschauen, berichtet Braun, wie die Kriegszustände die Menschen geistig irre machen. (Vgl. Braun, Interview Nr. 1)
Wer den Sinn seiner Arbeit erkennt und immer wieder darauf zurückgreifen kann, so idealistisch und altruistisch dies auch ist, nutzt gleichzeitig eine therapeutische Wirkung.
Braun, Interview Nr. 1.
Deutsche Übersetzung: „Es schweigen die Gesetze im Kriege.“ Cicero: Pro Milone (52 v.Chr.), 4, 10.
Jugoslawien war eines der KSZE-Gründungsländer und einer der aktivsten Teilnehmerstaaten. Jugoslawien unterschrieb freie Berichterstattung, Akzeptanz und Schutz der Journalisten in ihrer Tätigkeit — hielt sich aber nicht an die Regelungen. (Vgl. Rathfelder, Interview Nr. 7) Der moralischen Verantwortung wurde vor allem auch in der Behandlung von Journalisten nicht entsprochen. Die Suspendierung gilt für Jugoslawien, also Serbien und Montenegro. Beide Bundesstaaten traten im November 1972 der KSZE bei und wurden im Jahr 1992 vom Gremium der OSZE aus den Aktivitäten ausgeschlossen. (Vgl. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg 1996: 450–452)
Vgl. Rüb, Interview Nr. 6.
Grüner berichtet über den Fall, dass er bei den Vereinten Nationen eine Erklärung unterzeichnen musste, wonach keine Schutzgarantie übernommen wurde und Angehörige im Todesfall keine Ansprüche geltend machen konnten — erst so konnte er die Möglichkeit des Mitfluges nutzen. „Das heißt, die UN hat für Journalisten in dem Sinne Minimalprogramm gemacht. (...) Die UN hat immer strikt ihren Auftrag gehabt, die Zivilisten im Krieg zu schützen und nicht die Journalisten.“ (Grüner, Interview Nr. 3)
Sartorius, Interview Nr. 2.
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Richter, S. (1999). Gesamtvergleich und Schlussfolgerungen. In: Journalisten zwischen den Fronten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-07811-1_12
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