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„Kampf″ um die Religionspsychologie

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Religionspsychologie

Zusammenfassung

Die Gründung der Internationalen Gesellschaft für Religionspsychologie und die Geschichte ihrer organisatorischen Vorläufer ist nicht gerade das Einzige, über das vom Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiete der Religionspsychologie, und wenn auch nur im deutschsprachigen Europa, zu berichten wäre. (Bedenkt man, wie sehr diese Gründung und ihre Vorgeschichte in Vergessenheit geraten sind, kann man sich durchaus fragen, wie wichtig das Ereignis der Gründung überhaupt gewesen ist...) Obgleich sich die vorliegende Arbeit, soweit sie historisch ist, auf die Geschichte der IAPR beschränkt, wird es doch dienlich sein, in diesem Kapitel einen kurzen Blick auf das direkte intellektuelle Umfeld zu werfen, zumal dies die Möglichkeit schafft, einige der Hauptfiguren, von denen auch in den folgenden Kapiteln die Rede sein wird, und die von ihnen geführten Debatten (vorläufig) zu situieren.

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Notes

  1. 1.

    Vorliegende Arbeit verzichtet also darauf, allen möglichen Organisationen oder Initiativen, die es auf dem Gebiet der Religionspsychologie gegeben hat, nachzugehen. Nur wenn eine klare Beziehung zur IAPR bestanden hat, werden sie, kurz, behandelt werden. Eine fast zeitgleich mit dem Vorläufer des Archivs für Religionspsychologie gegründete Zeitschrift wie Religion und Geisteskultur soll an dieser Stelle nur als Beispiel genannt werden für die vielen disparaten Aktivitäten, die es damals unter religionspsychologisch Interessierten gegeben hat. Genannte Zeitschrift erschien im gleichen Zeitraum wie die von Bresler et al.: von 1907 bis 1914. Sie veränderte – ohne Angabe von Gründen – 1912 den Untertitel von Zeitschrift für religiöse Vertiefung des modernen Geisteslebens in Zeitschrift zur Förderung der Religionsphilosophie und Religionspsychologie. In der Tat erschienen in ihr einige Artikel über Religionspsychologie, unter anderem verfasst von Wobbermin (1913b). Herausgegeben wurde Religion und Geisteskultur von Theophil August Steinmann (1869–1950), der von 1895 bis 1920 Dozent war für die philosophischen Fächer am Theologischen Seminar der Herrnhuter Brüdergemeine in Gnadenfeld (dem heutigen Pawlowiczki im polnischen Kreis Cosel). Steinmann gehörte seit 1901 zum ständigen Mitarbeiterkreis der von Wilhelm Herrmann und Martin Rade herausgegebenen Zeitschrift für Theologie und Kirche, wo er sein Interesse für Religionspsychologie hergenommen haben könnte (s. unten).

  2. 2.

    „Mythos“ war ursprünglich als zweiter Band der Völkerpsychologie: Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte vorgesehen. Das über zwanzig Jahre laufende Projekt wuchs unter Wundts Händen: Die Bände wurden viel umfangreicher als zunächst vorgesehen. Der Band „Mythus und Religion“ umfasste drei „Teile“, die jeweils gesondert erschienen. Es wird hier der Nummerierung der späteren Auflagen gefolgt.

  3. 3.

    Laut Wobbermin sehe James selbst die Sache wie Troeltsch und er selbst, habe dies aber nicht deutlich genug expliziert. Wobbermin lässt in seinem Vorwort immer wieder merken, dass er nicht rückhaltlos hinter allem in James’ Text stehe (er hatte ihm sogar einen neuen, eigenen Untertitel hinzugefügt); er hielt ihn jedoch für wichtig und wirksam genug, um in übersetzter Form in Deutschland „den Sinn für religionspsychologische Betrachtungen zu wecken“ (Wobbermin 1907/1914, S. IV).

  4. 4.

    Man verstehe recht: Vorbrodt versucht hier nicht, James gegen eine falsche Interpretation durch Wobbermin und andere zu schützen. James habe eine Reihe der von ihm beschriebenen Fälle zu Unrecht nicht als pathologisch angesehen, so meint Vorbrodt. Wobbermin und andere interpretieren falsch, da sie meinen, dass es James um die Analyse krankhafter Phänomene gegangen sei (von daher auch Wobbermins Zusatz „Pathologie“ im Untertitel seiner Übersetzung); doch was Wobbermin als pathologisch ansieht, halte James demgegenüber für gesund, so Vorbrodt.

  5. 5.

    Ein Terminus, über den Vorbrodt etwas abfällig äußerte, dass er „einen unangenehmen Anklang an Spiritismus“ habe (Vorbrodt 1911, S. XV).

  6. 6.

    Weil Wobbermin die betreffende Passage in der Übersetzung weggelassen hat (s. oben). Wobbermin hatte sich aber verteidigt, indem er darauf hinwies, dass die Varieties nicht von James’ pluralistischer Metaphysik abhängig seien und dass das weggelassene Schlusskapitel James’ philosophische Position mehr andeute als darlege. Im Übrigen habe James selbst Wobbermins Verfahren „nur gebilligt“ (Wobbermin 1910, S. 535).

  7. 7.

    Mit dem Manipulieren von Variablen aus dem Experiment in der heutigen Psychologie hat dieses Verfahren nicht viel gemeinsam. Das Entscheidende war, Erlebnisse methodisch herbeizuführen, um sie genau beobachten zu können. Das „Experiment“ der Würzburger gehört nach heutigem Verständnis eher zu den sogenannten qualitativen Methoden in der Psychologie (vgl. dazu Mey und Mruck 2010).

  8. 8.

    Zwei Seiten vorher formuliert Stählin scharf: „Trotz der entgegengesetzten Absicht füllen oft nur ‚Ansichten‘ statt wirklicher Erfahrungstatsachen die Berichte“ (Stählin 1910, S. 5). Stählin äußert Kritik, die bis heute in methodischen Diskussionen vernommen werden kann.

  9. 9.

    Manche werden zu dieser Schule gerechnet, ohne je in Würzburg tätig gewesen zu sein, wie zum Beispiel Personen, die mit Külpe in München oder Bonn zusammengearbeitet haben. Zu nennen wären Personen wie August Messer (1867–1937), Karl Marbe, Narziß Ach (1871–1941), Johannes Orth (1872–1949), August Mayer (1874–1951), Johannes Lindworsky (1875–1939), Henry J. Watt (1879–1925), Max Wertheimer (1880–1943), Karl Bühler, Charlotte Bühler (1893–1974), Otto Selz (1881–1943), Siegfried Behn (1884–1970) und Kurt Koffka. Von ihnen finden sich einige in der vorliegenden Studie wieder.

  10. 10.

    Zum Vergleich und zur Einordnung: G. Stanley Hall hatte, wie in Kap. 2 kurz dargestellt, Theologie studiert, war einige Zeit kirchlich angestellt gewesen, doch entwickelte er sich dann zum großen Organisator der Psychologie in den USA (Ross 1972). In Europa war der ohnehin an Psychologie sehr interessierte Schweizer Pfarrer Oskar Pfister, vermittelt durch Ludwig Binswanger und vor allem durch Carl Gustav Jung, der ihn in schwierigen Seelsorgefällen beriet, ungefähr 1908 in die Psychoanalyse eingeführt worden. 1911 unterzog er sich einer psychoanalytischen Lehranalyse. Seit 1910 war er voll engagiert in der psychoanalytischen „Bewegung“. Ab 1909 veröffentlichte er psychoanalytische Studien (als erstes größeres Werk Die psychanalytische Methode, Pfister 1913: die erste systematische Einführung in die Psychoanalyse für Nichtmediziner, besonders für Pädagogen), ab 1910 auch etliche religionspsychologische (Nase 1993). Etwas später als Stählin hatte sich der Theologe Carl Girgensohn zu seinem Landsmann Külpe begeben, um in dessen Forschungstechniken eingeweiht zu werden. (Anders als Stählin qualifizierte er sich nicht mittels eines Doktorats als empirisch forschender Psychologe.) An der Auswertung und Veröffentlichung seiner Forschungsmaterials hat Girgensohn fast ein Jahrzehnt gearbeitet, ein Jahrzehnt, in dem er aber durch andere Verpflichtungen oft gehindert worden war, sein Opus magnum zu Ende zu führen. Schließlich wurde die Veröffentlichung dann auch noch erheblich durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges verzögert. Im nächsten Kapitel kommen wir auf ihn, der selbst in der Geschichte der IAPR nicht so wichtig gewesen ist, noch etwas näher zu sprechen.

  11. 11.

    Die Versammlung in Marburg a. d. Lahn war die Jahreskonferenz der „Freunde der Christlichen Welt“, ein Kreis, der sich um das liberal-protestantische Gemeindeblatt dieses Namens scharte. (Die Christliche Welt, eine Halbmonatsschrift, von Martin Rade (1857–1940) und später von Hermann Mulert (1879–1950) herausgegeben, erschien von 1887 bis 1941 und galt als wichtigste kirchlich-religiöse Zeitschrift des Kulturprotestantismus.) Die Versammlungsleitung hatte sich eine Berichterstattung an die Presse verbeten. Nur in der Zeitschrift für Religionspsychologie findet sich, nebst den Thesen Scheels, eine kurze Notiz. Es ist vielleicht nicht ohne Bedeutung, dass Vorbrodt von Scheel wohl als anwesend, nicht aber im Bericht in der noch kurz zuvor von ihm selbst herausgegeben Zeitschrift für Religionspsychologie erwähnt wird ….

  12. 12.

    Ob als Parallelveranstaltung zu einer weiteren Versammlung der „Freunde der Christlichen Welt“ oder als Parallelveranstaltung zu dieser Parallelveranstaltung, wie es mit der im vorigen Kapitel genannten, von der Zeitschrift für Religionspsychologie, namentlich wohl von Runze, am 26. September 1910 organisierten Zusammenkunft in Nürnberg der Fall war.

  13. 13.

    Überhaupt war Stählin in Sachen Religionspsychologie Vorbrodt verpflichtet, wie er selbst auch offen gesteht: „Ich habe von diesem ersten Vertreter der Religionspsychologie in Deutschland manche Anregung empfangen, wenngleich mir seine literarischen Arbeiten und vor allem seine Terminologie – die ‚christianozentrische Religiopsychobiologie‘ war eine seiner sprachlichen Schöpfungen – wenig zusagten“ (Stählin 1968, S. 77).

  14. 14.

    Gemeint ist die Frage, ob die Fragenbogenmethode in der Religionspsychologie verwendet werden kann. Laut La Roche (1906) wurde sie „allgemein bejaht“ (S. 519). In diesem Sinne berichtet auch Vorbrodt, der allerdings vermerkt, dass die Teilnehmer dieser Methode „zuerst ein erklärliches Bedenken entgegenstellten“ (Vorbrodt 1906b, S. 156). Ob wirklich alle Teilnehmer sich von der Validität der Methode überzeugen ließen, darf allerdings bezweifelt werden; hierzu später mehr.

  15. 15.

    Im Titel des betreffenden Aufsatzes im ersten Band des Archiv für Religionspsychologie ist die Reihenfolge von Religions- und Sprachpsychologie umgekehrt (Stählin 1914a).

  16. 16.

    Rittelmeyer hatte promoviert über das ihm von Külpe suggerierte Thema der Erkenntnistheorie Nietzsches (Rittelmeyer 1903).

  17. 17.

    Stählins Vorarbeit sollte ein Jahrhundert später im Grundlagentheoretischen Teil der religionspädagogischen Dissertation von Reuschlein (2013) noch eine wichtige Rolle spielen.

  18. 18.

    Aus seinen Einladungen an potentielle Autoren geht eindeutig hervor, dass Stählin sich 1913–1914 vor allen Dingen (größere) experimentelle Arbeiten für das AfRp wünschte (s. z. B. seine Korrespondenzen mit Fischer und Girgensohn in deren Nachlässen).

  19. 19.

    Stählin hat diesen 7. Punkt mit einem Fragezeichen versehen: Wie aus dem Wortlaut hervorgeht, hätte Punkt 7 auch unter Punkt 2 rangieren können.

  20. 20.

    Koffka schied wegen Uneinigkeiten mit Stählin über einen aufzunehmenden Beitrag aus der Schriftleitung aus (Stählin 1921a, S. 2).

  21. 21.

    Runze hatte ihm ja vorgeschlagen, die ZfRp entweder allein oder mit dem Fachpsychologen Klemm weiterzuführen (s. Kap. 2). Zu einer Zusammenarbeit mit Klemm ist es aber nicht gekommen, vielleicht auch wegen der Fehde zwischen der Leipziger und der Würzburger Schule.

  22. 22.

    Einer seiner Freunde sollte über vierzig Jahre später den damaligen Stählin als „Positivisten“ bezeichnen (Müller 1952–53, S. 195), in epistemologischer Hinsicht sicherlich nicht richtig, aber unverkennbar präsentierte Stählin sich in den Jahren seiner Tätigkeit als Psychologe als ausgeprägter Empiriker.

  23. 23.

    Seine Rezension der Essays zur Religionspsychologie von Runze (1913), der ihm in der Zeitschrift für Religionspsychologie Gastfreundschaft erwiesen hatte, schließt Stählin ein wenig später an anderer Stelle recht herablassend mit dem Satz: „Das Ganze, mindestens die beiden ersten Stücke, trägt, wie ja auch der Titel ausspricht, mehr den Charakter geistreicher Plauderei als exakter Untersuchung“ (Stählin 1914d, S. 326).

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v. Belzen, J.A. (2015). „Kampf″ um die Religionspsychologie. In: Religionspsychologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-46575-2_3

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