Zusammenfassung
Gesundheit wird bereits seit einigen Jahren auch aus einer Genderperspektive betrachtet. So gibt es kaum noch Untersuchungen, die die Daten nicht geschlechterspezifisch differenzieren und Geschlechterunterschiede und -gemeinsamkeiten im Gesundheitsverhalten sowie der Inanspruchnahme von medizinischer Hilfen und Interventionen abbilden. Anhand exemplarischer Untersuchungen werden wesentliche Ergebnisse der geschlechtersensiblen Gesundheitsforschung dargestellt und Bereiche mit einem Geschlechterunterschied zusammengefasst. Zudem wird der Einbezug des Leib-Körpers, in Abgrenzung zum Körper als reiner »Symptomträger«, in die geschlechtersensible Gesundheitsforschung diskutiert. Exemplarisch können Untersuchungen Somatischer Kultur und Self Rated Health eine mögliche intersektionelle und geschlechtersensible Herangehensweise an den Einbezug des Leib-Körpers in die Gesundheitsforschung darstellen.
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Notes
- 1.
HBSC-Studie („Health Behaviour of School-aged Chrildren“).
- 2.
„(…) weniger in solchen Untersuchungen, die sich auf biologisch-medizinische Parameter stützen“ (Kolip 1997, S. 36).
- 3.
„Gefragt ist vielmehr die Entwicklung von gendersensiblen und geschlechtergerechten theoretischen Konzepten, die sich dann weniger mit den Eigenschaften von Frauen und Männern, sondern mit Körperprozessen, Handlungsmustern und Versorgungssystemen selbst unter Berücksichtigung des Gendered Emobodiment beschäftigen“ (Kuhlmann 2016, S. 31).
- 4.
Auf die gesundheitliche Ungleichheit ethnischer Gruppen in den USA wurde (erneut) im Rahmen der Proteste zum Fall George Floyd hingewiesen. Zum Beispiel wurde über die erhöhte Mortalität schwarzer Frauen unter der Geburt berichtet oder über die schlechtere Versorgung schwarzer Personen in Krankenhäusern.
- 5.
„Die biomedizinische Forschung zu Geschlecht und Gesundheit kann daher von den theoretischen Konzepten zu Sex/Gender-Dimensionen sowie intersektionell-informierten Forschungsansätzen aus der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung profitieren (…)“ (Bolte 2016, S. 120).
- 6.
„Die relative Unzufriedenheit mit dem eigenen Gesundheitszustand, die häufige Wahrnehmung von körperlichen und psychosomatischen Beschwerden und die vermehrte Äußerung emotionaler Befindlichkeitsstörungen kennzeichnen einen mädchenspezifischen Umgang mit dem Körper“ (Kolip 1997, S. 257 f.).
- 7.
Im Zuge der Untersuchungen zur gesundheitlichen Ungleichheit wurden kulturelle und soziale Einflussfaktoren ermittelt – so weiß man heute, dass nicht nur das Geschlecht, sondern auch der sozioökonomische Status einen wesentlichen Einfluss auf die Morbidität hat. (vgl. auch Richter und Hurrelmann 2009).
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Leismann, J.C. (2021). Körper und Gesundheit aus Geschlechterperspektive – eine geschlechtersensible Annäherung. In: Wendler, M., Schache, S., Fischer, K. (eds) Multidisziplinäre Perspektiven auf Körper und Gesundheit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32999-0_14
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