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Dissidente Teilhabe, Verrat und die Verortung von Kritik

Selbstreflexive Bemerkungen zu einem Forschungsprojekt

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Migrationsgesellschaftliche Diskriminierungsverhältnisse in Bildungssettings
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Zusammenfassung

Dieser Beitrag geht Bedingungen spezifischer Positionalitäten im Feld der Ungleichheitsforschung nach und diskutiert die feinen Linien von dissidenter Teilhabe, Verrat und Kritik. In Kontexten der Befragung migrationsgesellschaftlicher und geschlechterspezifischer Diskriminierungsverhältnisse, und in Forschungssettings mit partizipatorischen Ansprüchen sind Bestrebungen naheliegend, gegen die geltenden Strukturen und Machtverhältnisse anzugehen. Zugleich stellt sich die Frage, inwiefern eine eigene Verankerung in denselben Strukturen machtkritische Demokratisierungsvorhaben durchkreuzt und zuweilen verunmöglicht. Wie können sich Akteure zwischen subversiven diskriminierungskritischen Ansprüchen einerseits und der Realität institutioneller Funktionsweisen andererseits positionieren? Anhand selbstreflexiver Überlegungen zu einem Forschungsprojekt zu Ein- und Ausschlüssen im Feld der Kunsthochschule thematisiert der Beitrag Umgangsweisen mit diesem Paradox und spürt der Verortung von Kritik nach.

Insbesondere das Kapitel Herausforderungen einer dissidenten Teilhabe dieses Beitrages liegt hier aus meiner persönlichen Perspektive formuliert vor, stützt sich aber auf Diskussionen und Einschätzungen, die Philippe Saner und ich während unserer gemeinsamen Leitung und Durchführung des Forschungsprojektes Art.School.Differences geführt haben und weiterhin führen. Die einleitenden Überlegungen sowie das abschließende Kapitel Verortung von Kritik bei dissidenter Teilhabe sind von mir, das Kapitel Die Forschung von Art.School.Differences ist gemeinsam formuliert.

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Notes

  1. 1.

    Initiiert vom Institute for Art Education der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) wurde das Projekt zwischen 2014 und 2016 durchgeführt. Für mehr Informationen zu den beteiligten Hochschulen, den Beiräten, der Ko-Forschung, dem Schlussbericht und den Stellungnahmen der Hochschulen dazu, sowie laufenden weiteren Aktivitäten vgl. online auf dem Art.School.Differences Blog unter: bit.ly/a_s_d [Zugegriffen 03. Februar 2018].

  2. 2.

    Institutionelle Hürden waren insbesondere die finanziellen Anforderungen von Vorkursen und anderen notwendigen Vorbildungen, Lebenskosten und die Herausforderung, neben dem Studium für den Lebensunterhalt aufzukommen, oder fehlendes bzw. falsches kulturelles Kapital, weil es als nicht kompatibel mit der Kunsthochschule gelesen wird. Deutliche Ausschlusseffekte entstanden bspw. auch durch Vorläuferinstitutionen des Bildungssystems, etc.

  3. 3.

    Den Begriff der institutionellen Normativität haben wir in Anlehnung an den von Sara Ahmed geprägten Begriff der institutional Whiteness gewählt (Ahmed et al. 2006).

  4. 4.

    Aufgrund der Verwobenheit von Race und Ethnizität, ihrer sozialen und politischen Konstruktion, essentialisierenden Zuschreibungen sowie der vorherrschenden Uneinigkeit über deren Unterscheidung verwenden wir im Rahmen von Art.School.Differences die kombinierte Schreibweise race/Ethnizität.

  5. 5.

    Secondos und Secondas bezeichnet in der Schweiz aufgewachsene Personen, mit oder ohne schweizerische Staatsangehörigkeit, denen Migrationserfahrung in erster oder zweiter Generation zugeschrieben wird.

  6. 6.

    Wer die Besten sind oder was als exzellent gilt, wird selten bis nie expliziert, aber dauernd in Anspruch genommen. In erster Linie werden durch den Exzellenz-Diskurs jedoch die hohen Ausbildungskosten und die signifikanten Anteile ausländischer Hochschulangehöriger legitimiert.

  7. 7.

    Obwohl internationale Studierende an Schweizer Kunsthochschulen mehrheitlich häufiger aus privilegierten Bildungsmilieus stammen, haben sie mit einer Reihe rechtlicher Einschränkungen (Visa, Aufenthaltsstatus etc.) und oft auch finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, was das Studium für diese Studierenden – neben den institutionellen Erwartungen – zu einer besonderen Herausforderung macht.

  8. 8.

    Die Initiator_innen des Projektes waren Catrin Seefranz und Carmen Mörsch mit der Unterstützung von Philippe Saner.

  9. 9.

    Das Projekt wurde im Rahmen des Bundesprogrammes „Chancengleichheit von Frauen und Männern an den Fachhochschulen 2013–2016“ unterstützt (SBFI 2013).

  10. 10.

    Online unter: https://blog.zhdk.ch/artschooldifferences/forschungsvorhaben/ [Zugegriffen: 25. Februar 2018].

  11. 11.

    Das Projekt war von Anfang an komplex und sehr ambitioniert und anspruchsvoll geplant: Die Projektetappen lagen in einem engen Zeitplan und im Laufe des Projekts wurde deutlich, dass zu wenige Ressourcen eingeplant worden waren. Zusätzlich wurde das Projekt zum Start mit einer unvorhergesehenen Situation konfrontiert. Damit verbunden war die z. T. ungesicherte Projektleitungsstelle.

  12. 12.

    Eine Ausnahme scheint Kritik von Studierenden zu sein, insbesondere wenn sie Medienwirksam ist.

  13. 13.

    Die Stellungnahmen sind auf dem Art.School.Differences Blog online unter: https://blog.zhdk.ch/artschooldifferences/en/schlussbericht/ [Zugegriffen: 03. Februar 2018].

  14. 14.

    Eine Replik auf diese Vorwürfe hat das International Advisory Board von Art.School.Differences formuliert, online unter: https://blog.zhdk.ch/artschooldifferences/files/2016/10/Meta_Stellungnahme_InternationalAdvisoryBoard_neu.pdf [Zugegriffen 03. Februar 2018].

  15. 15.

    Allerdings möchte ich mit Blick auf die abschließende Diskussion zur Verortung von Kritik in diesem Beitrag anmerken, dass durch Kritik hervorgerufene Veränderung auch ihrerseits ausschließend und normierend sein kann.

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Vögele, S., Saner, P. (2020). Dissidente Teilhabe, Verrat und die Verortung von Kritik. In: Bücken, S., Streicher, N., Velho, A., Mecheril, P. (eds) Migrationsgesellschaftliche Diskriminierungsverhältnisse in Bildungssettings. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28821-1_5

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