Zusammenfassung
Das Konzept des Lebenslangen Lernens wird in Deutschland seit den 1990er Jahren in einer Top-Down-Strategie bildungspolitisch mithilfe von zahlreichen Dokumenten und Gutachten flächendeckend verbreitet. Insbesondere die frühen Gutachten von Günther Dohmen versammeln wie in einem Brennglas alle wesentlichen Argumente. Ausgehend von einem Krisenszenario wird an die Bevölkerung appelliert, alle Ressourcen des Lernens zu aktivieren und vor allem selbstgesteuert, informell und eigenverantwortlich zu lernen. Den gesellschaftlichen Herausforderungen von Globalisierung und Transformationen soll also mit individuellen Anstrengungen, aber keineswegs mit strukturellen Maßnahmen begegnet werden. Unter anderem der Appell an die Selbstverantwortung der Menschen legt nahe, dass es sich um ein bildungspolitisches Instrument des Neoliberalismus handelt, das die Menschen auf der Grundlage der Humankapitaltheorie zu ökonomischem Denken und Wettbewerbsorientierung bringen will. Im Gegensatz dazu ist der Bildungsbegriff in den theoretischen Ansatz der Kritischen Theorie einzuordnen, so dass trotz vermeintlicher Gemeinsamkeiten die Unterschiede in den Bedeutungen der Begriffe Lebenslanges Lernen und Bildung überwiegen.
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von Felden, H. (2020). Das Konzept des Lebenslangen Lernens. In: Identifikation, Anpassung, Widerstand. Lernweltforschung, vol 32. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-24195-7_2
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