Zusammenfassung:
Im Mittelpunkt des Beitrages stehen die Daten und Analysemöglichkeiten des Surveys Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A) des Deutschen Jugendinstituts e. V. (DJI) in Bezug auf Fragestellungen der Kinder- und Jugendhilfe. Zum einen wird die Anlage und Inhalte des AID:A-Surveys beschrieben und zum anderen wird anhand der Inanspruchnahme von sozialstaatlichen Unterstützungsleistungen (SSL) deren Zusammenhang mit Elementen der Lebenswelt der Adressaten untersucht. Im Mittelpunkt steht hierbei der Migrationshintergrund und die Frage, ob dieser die Inanspruchnahme von SSL beeinflusst. Es zeigt sich, dass die Gruppe der Migrant/inn/en, die der deutschen Aufnahmegesellschaft (noch) „am fremdesten“ ist, am wenigsten SSL in Anspruch nimmt: Unter Kontrolle von Belastungsfaktoren ist die Inanspruchnahme bei der Gruppe der Migranten und Migrantinnen der 1. und zweiseitigen 2. Generation im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund niedriger und fällt noch weiter, wenn sie Probleme haben. Die Ergebnisse legen nahe, dass das Wissen über die Existenz und die Funktionsweise von SSL deren Inanspruchnahme steigert. Insofern ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, Zugewanderte aktiv und intensiv über die verschiedenen Möglichkeiten und Regelungen der gesellschaftlichen Hilfe und Unterstützung in Problemsituationen aufzuklären, damit auch sie diese Leistungen bei Bedarf in Anspruch nehmen können.
Dr. Eric van Santen, Dipl. Soz., wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Jugendinstituts e. V.
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Notes
- 1.
Kritisch ist bereits an dieser Stelle anzumerken, dass die Frage die Lebenszeitprävalenz der Inanspruchnahme von Hilfeleistungen für Kinder erfasst. Die erfolgte Inanspruchnahme muss nicht zwingend in einer zeitlichen Nähe zu dem Moment der Messung der Belastungsindikatoren stehen. Darüber bilden die fünf SSL ein großes Spektrum an Beratungs- und Hilfeformen ab, die aus unterschiedlichen Anlässen und in unterschiedlichen Kontexten genutzt werden können.
- 2.
Dieses Modell stieß damals auf Kritik und ist bis heute nicht unumstritten (vgl. z. B. Esser 2001, S. 28).
- 3.
Die beiden Zusatzbedingungen wurden aufgenommen, um z. B. Diplomatenkinder oder Kinder von „Expats“, die während des temporären Auslandsaufenthaltes der deutschen Eltern im Ausland geboren wurden, nicht dieser Kategorie zuordnen zu müssen.
- 4.
Wie oben erwähnt, erlauben die vorliegenden Daten nicht, den Beginn und die Dauer der Inanspruchnahme von Hilfen und die Messzeitpunkte des SDQ zeitlich zu ordnen. Um zumindest Anhaltspunkte für kausale Zusammenhänge liefern zu können, wurden alle Analysen mit dem SDQ aus AID:A I und AID:A II gerechnet und lieferten vergleichbare Ergebnisse.
- 5.
Allerdings kann dies zu einem Zeitpunkt vor der Erhebung anders gewesen sein (vgl. vorhergehende Fußnote).
- 6.
Der vergleichsweise hohe Wert des Balkens der 3. Generation zweiseitig wird aufgrund der ihm zugrunde liegenden wenigen Fälle nicht inhaltlich interpretiert.
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van Santen, E. (2019). Die Studie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) – Anlage, Inhalte und Auswertungsbeispiel zur Inanspruchnahme sozialstaatlicher Leistungen von Personen mit Migrationshintergrund. In: Begemann, MC., Birkelbach, K. (eds) Forschungsdaten für die Kinder- und Jugendhilfe. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23143-9_6
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