Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit der deutschen Kinderforschung an der Wende zum 20. Jahrhundert, die als Teil der Child-Study-Bewegung gedeutet wird. Im Mittelpunkt stehen herbartianische Pädagogen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Seele des Kindes zu erforschen und zu ‚retten‘. Sie hielten insbesondere das herkömmliche städtische Schulsystem für gesundheitsgefährdend und strebten nach einer umfassenden Schulreform. Der Diskurs über das ‚gefährdete‘ Kind brachte die Denkfigur des ‚psychopathischen‘ Kindes hervor. Die Herbartianer betrachteten es als ihre ‚humane‘ Pflicht, dem ‚psychopathischen‘ Kind eine besondere Pädagogik angedeihen zu lassen. Dementsprechend gründete der Pädagoge Johannes Trüper 1890 eine erste heilpädagogische Erziehungsanstalt auf der Sophienhöhe bei Jena, die ich als Mittelpunkt der Bewegung deute. Dieser Beitrag geht der Frage nach, in welchem Verhältnis die Kinderforschung zu anderen sozialen Bewegungen – insbesondere zur Abstinenzbewegung – stand und welche Bedeutung die soziale Arbeit am ‚psychopathischen‘ Kind für die Bewegung besaß.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Balcar, N. (2018). Kinderseelenforscher. ‚Psychopathische‘ Schuljugend zwischen Pädagogik und Psychiatrie. Köln, Weimar & Wien: Böhlau.
Dollinger, B., & Müller, C. (2007). Gibt es eine herbartianische Sozialpädagogik? Oder: Soziale Aspekte der Pädagogik Herbarts in ihrer Wahrnehmung durch die Sozialpädagogik. In R. Bolle & G. Weigand (Hrsg.), Johann Friedrich Herbart 1806–2006. 200 Jahre Allgemeine Pädagogik. Wirkungsgeschichtliche Impulse (S. 73–95). Münster: Waxmann.
Eßer, F. (2014). Die verwissenschaftlichte Kindheit. In M. S. Baader (Hrsg.), Kindheiten in der Moderne. Eine Geschichte der Sorge (S. 124–153). Frankfurt & New York: Campus.
Feidel-Mertz, H., & Pape-Balling, C. (1989). Biographisches Nachwort. In K. Wilker (Hrsg.), Der Lindenhof – Fürsorgeerziehung als Lebensschulung (S. 179–210). Frankfurt: Dipa.
Gippert, W. (2013). Gymnasiasten in der Krise!? Zum schulischen Überbürdungsdiskurs im Deutschen Kaiserreich. In E. Kleinau, D. Schulz & S. Völker (Hrsg.), Gender in Bewegung. Aktuelle Spannungsfelder der Gender und Queer Studies (S. 257–271). Bielefeld: Transcript.
Goddard, H. H. (1914). Die Familie Kallikak. Übersetzt von K. Wilker. In Zeitschrift für Kinderforschung 19, (S. 3–15, 65–77, 132–139, 193–201, 257–282).
Herrmann, U. (1968/87). „Ein Krieger im Heere des Lichts“. Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung 16, (S. 45–62).
Koch, J. L. A. (1891). Die psychopathischen Minderwertigkeiten. Erste Abteilung. Ravensburg: Maier.
Lütgert, W. (1998). Wilhelm Rein und die Jenaer Ferienkurse. In R. Coriand & M. Winkler (Hrsg.), Der Herbartianismus – die vergessene Wissenschaftsgeschichte (S. 219–229). Weinheim: Studien-Verlag.
Niemeyer, C. (2010a). Klassiker der Sozialpädagogik. Einführung in die Theoriegeschichte einer Wissenschaft, 2., überarbeitete und erweiterte Aufl. Weinheim: Juventa.
Niemeyer, C. (2010b). Deutschlands sexuelle Moralpaniken. Eine Tragödie in sechs Akten, aufzuführen unmittelbar vor Betreten der rettenden Arche. Zeitschrift für Sozialpädagogik 8, (S. 115–143).
Peukert, D. J. K. (1986). Grenzen der Sozialdisziplinierung. Aufstieg und Krise der deutschen Jugendfürsorge von 1878 bis 1932. Köln: Bund-Verlag.
Rein, W. (1899). Gegen die Großstadt. In W. Rein (Hrsg.). (1919), Kunst, Politik, Pädagogik. Gesammelte Aufsätze (S. 71–74). Langensalza: Beyer & Mann.
Rein, W. (1900). Jugendliches Verbrechertum und seine Bekämpfung. In Zeitschrift für Sozialwissenschaft 3 (1900), (S. 41–57).
Reulecke, J. (1985). Geschichte der Urbanisierung in Deutschland. Frankfurt: Suhrkamp. Schotte, A. (2009). Jena als Ort der Heilpädagogik. In R. Koerrenz (Hrsg.), Laboratorium Bildungsreform. Jena als Zentrum pädagogischer Innovationen (S. 111–139). München: Fink.
Schotte, A. (2010). Heilpädagogik als Sozialpädagogik. Johannes Trüper und die Sophienhöhe bei Jena. Jena: Garamond.
Schreiber, A. (Hrsg.). (1907). Das Buch vom Kinde. Leipzig: B.G. Teubner.Siegert, G. (1889). Problematische Kindesnaturen. Kreuznach & Leipzig: Voigtländer.
Sievers, K. D. (2004). Antialkoholismus und Völkische Bewegung. Hermann Poperts Roman Helmut Harringa. In Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 29, (S. 29–54).
Strümpell, L. (1890). Die pädagogische Pathologie oder die Lehre von den Fehlern der Kinder. Leipzig: Ungleich.
Trüper, J. (1888). Die Trunksucht und ihre Bekämpfung. Evangelisches Schulblatt und deutsche Schulzeitung 32, (S. 48–58).
Trüper, J. (1890a). Die Schule und die sozialen Fragen unserer Zeit. Gütersloh: Bertelsmann.
Trüper, J. (1890b). Zur Erziehung geistig-schwacher und geistig-leidender Kinder. Evangelisches Schulblatt und deutsche Schulzeitung 34, (S. 109–113).
Trüper, J. (1907). Charakter und Charakterfehler. In A. Schreiber (Hrsg.), Das Buch vom Kinde (S. 190-200). Leipzig: B.G. Teubner.
Wilker, K. (1909). Die Bedeutung und Stellung der Alkoholfrage in der Erziehungs-Schule. Auf Grund psychologischer und statistischer Untersuchungen. München: Reinhardt.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Balcar, N. (2018). Sorge um die Kinderseele. In: Franke-Meyer, D., Kuhlmann, C. (eds) Soziale Bewegungen und Soziale Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18591-6_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-18591-6_6
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-18590-9
Online ISBN: 978-3-658-18591-6
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)