Zusammenfassung
Müll ist ein strukturelles Symptom unserer Lebensweise. In der Gesamtheit hat sich das daraus entstandene Missverhältnis zwischen ‚natürlich‘ und ‚artifiziell‘ in Form ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Globalprobleme geäußert. Im Kontext der Nachhaltigkeitsforschung an deutschen Hochschulen beschäftigt sich dieser Artikel mit der Rolle von Designer_innen und ihrer Ausbildung (Designdidaktik) innerhalb der Abfallproblematik. Denn die grundlegende Voraussetzung zum kontinuierlichen Wegwerfen ist die kontinuierliche Erzeugung von Artefakten. Diese Arbeit legt dar, in welcher Form das Phänomen Müll im Rahmen eines ‚Nachhaltigen Designs‘ in der Ausbildung von Designer_innen Beachtung finden kann und wie eine ‚Epistemologie des Mülls‘ für Lehrzwecke anwendbar ist. Dazu wurde ein theoretisches Modell der Design- und Gebrauchsphasen von Artefakten entwickelt, welches das Wegwerfen (‚Rituale des Verschwindens‘) in die Systematik des Designprozesses (‚Rituale des Erscheinens‘) einbezieht. Innerhalb dieses Modells lässt sich das Wegwerfen als eine zweistufige Kulturtechnik definieren. Ihre erste Stufe – die ‚Entledigung‘ – ist, in Bezug auf den Lebenszyklus eines Objekts, der Gebrauchsphase zu zuordnen. Bevor als zweite Stufe die tatsächliche ‚Entsorgung‘ (Beseitigung oder Verwertung) des Objekts vollzogen wird, lassen sich gestalterische Werkzeuge (Designmethoden) mit und durch den Abfall anwenden. Ziel des Artikels ist es diese spezifischen Methoden für die Ausbildung von Gestalter_innen an Designhochschulen vorzustellen und deren Nutzen im Rahmen einer ‚Nachhaltigen Entwicklung‘ auszuloten.
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Hausstein, S. (2016). Die epistemische Bedeutung von Abfall im Designprozess. In: Leal Filho, W. (eds) Forschung für Nachhaltigkeit an deutschen Hochschulen. Theorie und Praxis der Nachhaltigkeit. Springer Spektrum, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10546-4_9
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