Zusammenfassung
Postmigrantische Gesellschaften sind von fünf Kernmerkmalen gekennzeichnet: 1. Anerkennung, ein Einwanderungsland zu sein, 2. Aushandlung von Rechten und Positionen von Minderheiten, 3. Ambivalenzen in der Positionierung zu Migration, 4. Allianzen über die Herkunftsgrenzen hinaus, 5. Antagonismen zwischen Befürwortern und Gegnern von Vielfalt und Heterogenität. Postmigrantische Gesellschaften sind keine utopischen Gemeinschaften, in denen Rassismus und Ungleichheit überwunden sind; aber sie verweisen eindeutig auf dieses Ziel, indem sie fordern, Herkunft als Trennlinie zu überwinden - wodurch die bestehenden Missstände wiederum stärker zutage treten. Postmigrantische Gesellschaften sind geprägt von einem Dualismus zwischen jenen, die unter Demokratie gleiche Rechte für alle Bürger verstehen, und jenen, die mehr Rechte für die eigene Gruppe beanspruchen (welche sie vorrangig kulturell, ethnisch, religiös und national – also „völkisch“ – definieren). In ihnen wird die Aushandlung von Demokratie und offener Gesellschaft konfliktiv ausgetragen – mit der existentiellen Frage, was es eigentlich für Konsequenzen nach sich zieht, wenn jedem Bürger gleich welcher Herkunft die gleichen Rechte zustehen und Etablierten nicht mehr Rechte zustehen dürften als Neubürgern.
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Foroutan, N. (2016). Postmigrantische Gesellschaften. In: Brinkmann, H., Sauer, M. (eds) Einwanderungsgesellschaft Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05746-6_9
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