Zusammenfassung
Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Rede von der „Macht der Bilder“, dass sie die Frage nach der Macht über die Bilder verdeckt. Oder, um es mit dem Fototheoretiker Patrick Maynard zu sagen: „[A]lmost all writing about photography in our times tends to begin with the alleged nature of the product rather than with its production and use.“ Insbesondere all jene millionenfach reproduzierten Pressefotografien aber, welche die Welt seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nicht nur abbildeten, sondern auch hervorbrachten – ganz gleich, ob sie nun einen Staatsbesuch oder eine Szene aus dem Vietnam-Krieg zeigten –, wurden produziert, bearbeitet und verbreitet. Doch nur selten rücken das Machen und die Macher dieser Bilder in den Fokus der Forschung. Wenn in der Rede von der „Macht der Bilder“ Pressebilder gemeint sind und Akteure genannt werden, dann interessieren in der Regel die Schurken des Gewerbes: Propagandisten und Fälscher, die dem Publikum ein verzerrtes Bild vermitteln, durch trügerische Ausschnitte die historische Realität verfälschen, Personen in die Geschichte hinein- oder auch wegretuschieren. Die alltägliche massenmediale Produktion des Sichtbaren durch professionelle Akteure und Bildagenturen wird damit nicht erfasst.
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Notes
- 1.
Dass Bilder die Welt nicht bloß wiedergeben, sondern selbst ein Teil der Wirklichkeit mit eigener „Agency“ sind, hat die neuere Bildwissenschaft betont. Vgl. Bredekamp (2010). Zum Herstellungs- und Verbreitungskontext von Fotografien im 20. Jahrhundert vgl. Ramsbrock/Vowinckel/Zierenberg (2014).
- 2.
Bill Gates buys Photo Trove; Microsoft Chief acquires famed Bettmann Archive, The Washington Post, 11. Oktober 1995.
- 3.
- 4.
Der Begriff „Akteure der Sichtbarkeit“ paraphrasiert den der „Akteure des Wissens“, wie er von Philipp Sarasin eingeführt wurde. Vgl. Sarasin (2011, S. 167).
- 5.
- 6.
Hier ergeben sich Berührungspunkte mit dem Ansatz eines „medientechnischen Apriori“. Vgl. Kittler 2002.
- 7.
Einem unhinterfragten „Erfolg“ in dem Sinne, dass das Medium Fotografie hinter dem, was es zeigte, umstandslos hätte verschwinden können, stand überdies von vornherein sein problematischer Status entgegen, der seit dem 19. Jahrhundert Versuche einer juristischen Klärung nach sich zog. Vgl. Plumpe 1990, Dommann 2006.
- 8.
Im Jahr 1928 hatte Ullsteins „Berliner Illustrirte“ die fabelhafte Auflagenhöhe von 1.8 Mio. Exemplaren erreicht. Vgl. Knoch (2006, S. 217–233). Zur Entstehung einer „fotografischen Öffentlichkeit“: Holzer 2008.
- 9.
- 10.
Zitiert nach: Büthe 1977, S. 20.
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Zierenberg, M. (2014). Die Produktion des Sichtbaren im Verborgenen. Diskursordnungen der Pressefotografie, ca. 1900–1930. In: Eder, F., Kühschelm, O., Linsboth, C. (eds) Bilder in historischen Diskursen. Interdisziplinäre Diskursforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05398-7_7
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