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Organisierter Kinderschutz vor Ort – Praktiken und Trends heute

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Organisierter Kinderschutz in Deutschland
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Zusammenfassung

Wie funktioniert Kinderschutz, wenn „es ernst wird“ – also im Alltag jener Organisationen, die die im Vorhergehenden umrissenen Regulierungen realisieren sollen? Eine der Ausgangsannahmen unserer Studie bestand darin, dass die Umsetzung der institutionellen Normierungen immer auch eine „lokale Note“ aufweist und von organisationalen Kontexten abhängt. Mehr noch: Erst im Prozess der Organisation vor Ort zeigen sich die Dynamiken (und Paradoxien), die für die Praxis des Kinderschutzes strukturbildend sind und jene „Systemprobleme“ generieren, zu deren Aufklärung unsere Studie beitragen möchte. Nachfolgend soll deshalb die „Organisationswelt“ des Kinderschutzes genauer durchleuchtet werden.

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Notes

  1. 1.

    Wir bedienen uns hier einiger der im dieser Studie zugrunde liegenden Forschungsprojekt erhobenen Fallgeschichten (im Rahmen der eingangs geschilderten Arbeitsteilung der beiden Projektstandorte Kassel und Wuppertal war letzterer für deren systematische Auswertung im Hinblick auf Interaktionsdynamiken zwischen Professionellen und Adressaten des Kinderschutzsystems zuständig; diesbezügliche Ergebnisse werden hier nicht Gegenstand der Darstellung).

  2. 2.

    Wie bereits erwähnt, bleiben individuelle Interpretationen bzw. Rejustierungen, zumal in der Arbeit am Fall bzw. in der Familie, hier weitgehend ausgeblendet – obwohl sie in bestimmten Konstellationen durchaus prozessstrukturierend sein und für Kontingenz sorgen können (Alberth et al. 2010).

  3. 3.

    Z. B. (anstelle vieler) Kindler et al. (2006).

  4. 4.

    Etwa wenn Hebammen als Angestellte oder Honorarkräfte für Gesundheitsämter kinderschutzrelevante Aufgaben wahrnehmen.

  5. 5.

    Da die institutionellen Voraussetzungen die lokalen Kontexte vorstrukturieren, kommt es zu einigen Überschneidungen mit den Ausführungen in Kap. 3. Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt, verspricht eine ausschließliche Betrachtung dieses formalen Rahmens jedoch nur begrenzt Aufschluss über die tatsächliche Organisation des Kinderschutzes vor Ort.

  6. 6.

    Dieses Analyseraster ist grob angelehnt an die Rekonstruktion der lokalen Doktrinen in Kap. 3, blendet aber die institutionelle Strukturierung der angetroffenen Verhältnisse weitgehend aus.

  7. 7.

    Zur Erinnerung: Die Systemmetapher verwenden wir hier nicht in Anlehnung an die soziologische Systemtheorie, sondern zur Beschreibung eines „industry system“ (nach Hirsch 1972), in dem Beteiligte mehrerer Organisationsfelder gemeinsam an einem „Produkt“ – hier: dem Schutz von Kindern – arbeiten (vgl. dazu Abschn. 2.3).

  8. 8.

    Also: Akteure, die in irgendeiner Weise ein Interesse an Operationen des Kinderschutzsystems haben, obwohl sie möglicherweise institutionell oder von der Sache her „außen vor“ bleiben.

  9. 9.

    Eingebettet ist sie in eine umfassendere Behördenstruktur, die ehemals das Sozial- und Gesundheitsressort und nach einer Umstrukturierung nunmehr die Bereiche Arbeit, Soziales, Familie und Integration umfasst.

  10. 10.

    Z. B. besteht die Möglichkeit, individuell Honorarverträge (quasi an den offiziellen Vereinbarungen vorbei) einzusetzen.

  11. 11.

    Auf diese Weise soll ein Wechsel der Zuständigkeit vermieden werden, der es u. U. mit sich brächte, dass die Familien ihre Geschichte zweimal erzählen müssten. Fall- und Netzwerkmanagement sind lokalen Akteuren zufolge aber bislang „noch nicht richtig konturiert“.

  12. 12.

    Im letzteren Fall gibt es – folgt man der Darstellung einiger Interviewpartner – immer noch Probleme, das Instrument mit dem „Wesen der deutschen Jugendhilfe“ in Einklang zu bringen. Lokale Ausprägungen solcher EDV-Probleme zeigen sich auch in anderen der von uns untersuchten Settings.

  13. 13.

    In Flächenländern zeigt sich dagegen ein anderes Bild.

  14. 14.

    Lokalen Akteuren zufolge allerdings mit „spärlichen Ergebnissen“ hinsichtlich des realisierten Einsparungspotenzials.

  15. 15.

    Im Rahmen einer Fortbildung sollen insbesondere diese künftig noch stärker eingebunden werden.

  16. 16.

    Hintergrund dieses (Anfang der 90er Jahre eingeführten) Arrangements war offenbar das Bestreben einer „Ambulantisierung“ des Kinderschutzsystems: Lokalen Akteuren zufolge hatte es seinerzeit wenig aufsuchende Angebote gegeben, so dass die amtliche Jugendhilfe diese „aktiv anwerben“ wollte.

  17. 17.

    So meinen Vertreter freier Träger in einem der von uns untersuchten Settings beobachten zu können, dass es die Abteilung der „wirtschaftlichen Jugendhilfe“ ist, die Spardruck ausübt; allerdings ließen sich durch einen „guten Draht“ zu ASD-Mitarbeitern Maßnahmenbewilligungen dennoch durchsetzen.

  18. 18.

    Letztere hängen offenbar auch von bestimmten „kulturellen Traditionen“ ab: So wird in Settings auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wahrgenommen, dass es nach wie vor ostspezifische „Herangehensweisen“ gäbe (auch aufgrund personeller Kontinuitäten). Eine Befragte beschreibt diese Herangehensweisen als „verhärmter“ und „zugemachter“, was auch damit zusammenhinge, dass der Osten „immer nur abgeben musste“, während sich im Westen aufgrund des personellen Zulaufs „Vorurteile schneller aufgelöst hätten“; hinzu kämen Minderwertigkeitsgefühle im Zusammenhang mit einer niedrigeren Bezahlung. Zudem kämen auch unterschiedliche Ausbildungskulturen zum Tragen: So sei das Verständnis von Sozialarbeit im Westen gegenüber der (fachschulischen) „Fürsorgeausbildung“ im Osten ein fundamental anderes.

  19. 19.

    Aufgrund des lokalkulturellen Hintergrunds spielen Angebote der Caritas dabei so gut wie keine Rolle, während mehrere Einrichtungen einen diakonischen Hintergrund haben.

  20. 20.

    Dabei wurden in der Vergangenheit u. a. solche Leistungen erbracht, für die man anderswo in der Jugendhilfe kein Personal fand, so z. B. bei der geschlossenen Unterbringung.

  21. 21.

    Formal handelt es sich dabei um reguläre Hilfen nach dem SGB VIII, doch werden sie nur für kurze Zeiträume eingesetzt, um im Rahmen einer ersten „Krisenintervention“ weitere Bedarfe abzuklären. Diese gehören auch in anderen Settings mittlerweile zum Standardrepertoire.

  22. 22.

    Solche Kinderschutzzentren existieren im gesamten Bundesgebiet, unterscheiden sich aber im Hinblick auf das Aufgabenspektrum (Beratungsstellen, Präventionsarbeit, Kitas, Krisenintervention, Kindernotaufnahme) und die Einbindung in das lokale Kinderschutzsystem. Meist sind sie überörtlichen Verbänden angeschlossen und in diesem Rahmen auch (fach-)politisch (z. B. im Hinblick auf Stellungnahmen) aktiv.

  23. 23.

    Bei diesem Programm geht es darum, unter Einbezug von ehrenamtlichen Helferinnen Mütter zu Spielaktivitäten mit ihren Kindern anzuleiten (vgl. Rudl 2012).

  24. 24.

    Dem Zuschnitt der Einrichtung nach geht es v. a. um die Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen im nachbarschaftlichen (und generationsübergreifenden) Kontext.

  25. 25.

    Ein Grund dafür war (Interviewpartnern zufolge), dass sich ein zunächst nicht beteiligter privat-gewerblicher Träger erfolgreich in dieses Budgetkartell eingeklagt hatte.

  26. 26.

    Als Teil der Jugendhilfe unterliegen Kitas unabhängig von der Trägerschaft allerorts spezifischen Regelungen. Sie sind mitunter direkt an sozialräumliche Angebote angeschlossen und gelten somit als fester Bestanteil kinderschutzbezogener Netzwerke. In einem unserer Settings wird ihre Einbindung in das Kinderschutzsystem in Gestalt von „Familienzentren“ institutionell forciert. Was die Beteiligung peripherer Organisationen betrifft, so finden sich auch in anderen Bereichen Vorstöße, die sie auf eine unmittelbarere Beteiligung verpflichten. So werden in einem der Settings sogar (über die Justizbehörde entsprechend geschulte) Gerichtsvollzieher oder Wohnungsbaugesellschaften in Meldesysteme einbezogen. Wie das weitere zeigen wird, sind auch Organisationen des Gesundheitswesens vermehrt in lokale Interventionszusammenhänge einbezogen worden.

  27. 27.

    Die längerfristige stationäre Unterbringung (vormals Teil einer öffentlichen Dachanstalt) wurde bereits vor längerer Zeit an freie Träger abgegeben. Neben sozialpädagogischem Personal, das für die Vermittlung der weiteren Fallbearbeitung in die regulären Jugendämter zuständig ist, hält die Einrichtung auch Mitarbeiter vor, die sich um Öffentlichkeitsarbeit (z. B. im Zusammenhang mit der unterhaltenen Telefonhotline) kümmern und – was für den öffentlichen Sektor eher unüblich ist – Spenden von Privatpersonen oder Stiftungen einwerben.

  28. 28.

    Wieder anderswo wird dies von der Polizei oder der Kinder- und Jugendpsychiatrie übernommen (s. u.).

  29. 29.

    Ein prägnantes Beispiel sind sog. „Familienräte“, bei denen solche Prozesse durch die Mobilisierung von Angehörigennetzwerken angestoßen werden sollen: Die Räte entwickeln im Rahmen von Hilfen zur Erziehung gewissermaßen eigene Hilfepläne, welche durch die Sozialpädagogen nur anmoderiert werden.

  30. 30.

    Anderenorts existieren ähnliche zweigeteilte Modelle, wobei sie sich manchmal sogar zwischen benachbarten Landkreisen unterscheiden, so dass überregional tätige Träger hier mit festen Stundenkontingenten und dort anhand tatsächlich abgeleisteter Fachleistungsstunden bezahlt werden.

  31. 31.

    Die Einrichtungen des Kinderschutzbundes sind hier nur ein besonders schillerndes Beispiel.

  32. 32.

    Vgl. dazu (statt vieler) Meysen et al. (2009: 25).

  33. 33.

    Auch das mit der Sozialraumorientierung im Referenzsetting verkoppelte Einsparungsziel wird problematisiert. Allgemein besteht Skepsis angesichts des tatsächlich bestehenden Sparpotenzials. Ferner wird beobachtet, dass der generell schwierige(re)n „Kontrollierbarkeit“ sozialräumlicher Angebote seitens der Fachbehörde mit akribischen (kennzahlenbasierten) Überprüfungen begegnet werde.

  34. 34.

    Vielfach ist in Fällen von Kindeswohlgefährdung allerdings die im Clearing eingesetzte Fachkraft gleichzeitig der „Melder“, was mit einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses einhergehen und einen Wechsel nahe legen kann.

  35. 35.

    Diese werden von freien Trägern häufig als Basis „präventiver Feldarbeit“, von Jugendämtern dagegen hinsichtlich des Kosten-Leistungs-Verhältnisses als zu intransparent angesehen.

  36. 36.

    Mancherorts wird den freien Trägern eine relativ starke Stellung attestiert. Es heißt, sie „diktier[t]en die Preise“ und würden sich (unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip) schnell „zur Wehr setzen“, wenn sie sich vom Jugendamt „gegängelt“ fühlten.

  37. 37.

    Externe Beobachter sind teilweise kritischer: Sie argumentieren, dass in entsprechenden Projekten ein – immer auch „Ideen fördernder“ – Wettbewerb ausgeblieben und die Angebotsvielfalt durch feste Belegungen „geschwächt“ worden sei.

  38. 38.

    In manchen Städten erfolgt die Fachberatung allerdings nicht durch bei freien Trägern angesiedelte Fachkräfte, sondern obligatorisch durch den ASD selbst.

  39. 39.

    Vgl. dazu sowie zum Folgenden ausführlich Abschn. 4.2.3.

  40. 40.

    Zu den diesbezüglichen regionalen Variationen auf der institutionellen Ebene siehe Abschn. 3.2.

  41. 41.

    Darüber hinaus sind Gesundheitsämter (hier wie anderswo) häufig in Initiativen im Kontext von Gesundheitsförderung oder „Frühen Hilfen“ eingebunden (s. u.).

  42. 42.

    Diese „Rückkehrerinnen“ werden darüber hinaus auch als sog. „Familienlotsinnen“ eingesetzt, die problembelastete Familien über mögliche Hilfsangebote beraten sollen. Vorbild für dieses Arrangement war das sog. „Dormagener Modell“ (vgl. Jugendamt Dormagen 2011), in dessen Rahmen unter Regie des Jugendamts regelmäßig junge Familien besucht werden. Das Beispiel verdeutlicht, wie besonders „populäre“ Organisationsansätze auch in andere lokale Kontexte hinein diffundieren können. Jedoch wurden im o. g. Fall nur bestimmte Straßenzüge (soziale Brennpunkte) gezielt angesteuert, was Befragte auf begrenzte Zeitressourcen zurückführen.

  43. 43.

    Das Arrangement soll Mehrfachbefragungen verhindern, bei denen die Gefahr gesehen wird, dass das Gesundheitsamt Informationen „verwischt“.

  44. 44.

    Um von den vorgesehenen Fördermitteln für Frühe Hilfen zu profitieren, musste man sich mit einem ausgearbeiteten Konzept „bewerben“. Im Referenzsetting entschied man sich für ein neues Projekt beim Kinderschutzzentrum, wo die bereits bestehenden Standorte (aufgestockt und um zwei weitere ergänzt) künftig angedockt werden sollen.

  45. 45.

    Grundsätzlich unterliegen sie den gleichen Bestimmungen im Sinne des § 8a SGB VIII wie sozialpädagogisches Personal (s. Kap. 3).

  46. 46.

    Die entsprechende Umstellung hatte bei manchen Organisationen für Irritationen gesorgt und Änderungskündigungen provoziert.

  47. 47.

    Hierfür existieren Honorarverträge auf 400 €-Basis.

  48. 48.

    Vgl. etwa Herrmann et al. (2010).

  49. 49.

    Ansätze wie das „RISKID“-Projekt, das auf einen Datenaustausch unter Kinderärzten bzgl. Verdachtsfällen abzielt, verbreiten sich ebenfalls auf dem Wege kollegialen Austauschs und fachlicher „Öffentlichkeitsarbeit“.

  50. 50.

    Anderswo gestalten sich Aufträge seitens der Polizei unkomplizierter und machen einen großen Anteil aus, während Anfragen durch das Jugendamt eher selten sind.

  51. 51.

    Davon abgesehen würden sich die Untersuchungen als für den Kinderschutz unergiebig erweisen – der Anteil der aus ihnen resultierenden „Verdachtsfälle“ sei verschwindend gering. Auch Vertreter der Jugendhilfe verbuchen diesbezügliche Nachverfolgungssysteme eher unter „Symbolpolitik“: Verbreitet herrscht die Einschätzung vor, dass aus der Nichtteilnahme an einer Untersuchung noch keine Gefährdung abgeleitet werden könne und die Regelung (durch einen markanten Anstieg „falsch positiver“ Meldungen) im schlimmsten Fall in der Lage sei, den ASD „lahmzulegen“.

  52. 52.

    Dies folgt also einer in der Organisationstheorie als „garbage can“-Logik beschriebenen Dynamik (vgl. Cohen et al. 1972). Ähnliches gilt für die o. g. Transformation des Arbeitskreises Kinderschutz im Referenzsetting, wo ebenfalls saisonal verfügbare (zunächst zweckgebundene) Ressourcen mit lokalen Bedarfslagen in Einklang gebracht wurden. In gewisser Weise ähnelt dieses Lösungsmuster dem, was in Bezug auf die Ausschöpfung von Budgets in der traditionellen Verwaltung als „Dezemberfieber“ (Franz 2013: 373) bezeichnet wird: Zunächst werden verfügbare Mittel abgerufen, um sie dann so gut es geht einem sinnvollen Zweck zuzuführen.

  53. 53.

    Wir beziehen uns hier auf eine Statistik von 2009. Es gilt allerdings zu berücksichtigen, dass ein hoher Anteil der Meldungen auf den Bereich der Jugenddelinquenz entfällt und die Daten somit mit Vorsicht zu interpretieren sind.

  54. 54.

    Gleichzeitig stieg infolge der neuen Meldeverfahren jedoch auch der (Fall-)Input in die regulären Interventionssysteme (s. u.).

  55. 55.

    Ein solches Arrangement war früher auch einmal in unserem Referenzsetting erwogen worden, konnte sich jedoch politisch nicht durchsetzen.

  56. 56.

    SGB VIII, BGB und FamFG stecken den Korridor für das Tätigwerden des Gerichts im Kontext Kindeswohlgefährdung relativ eng ab (vgl. dazu Abschn. 3.1).

  57. 57.

    Andere stellen dagegen selbst umfangreiche Ermittlungen an und holen z. B. Auskünfte bei Schulen oder Ärzten ein.

  58. 58.

    Richter erklären im Interview, generell „bewährte“ Personen bzw. solche zu wählen, die zu dem jeweiligen Kind „passen“ – so etwa eher „Autoritäre“ für renitente männliche Jugendliche oder Leute mit „pädagogischem Geschick“ für Mädchen.

  59. 59.

    Häufig wird in diesem Zusammenhang dann von „Prävention“ statt von „Intervention“ gesprochen.

  60. 60.

    Für die übrigen Interviewteile wurde ein halb-standardisiertes Erhebungsinstrument verwendet. Die Vermischung beider Interviewtechniken war aus forschungspragmatischen Erwägungen heraus alternativlos.

  61. 61.

    Damit einher ging die Selbstverpflichtung auf einige Arbeitsanleitungen aus dem Programm der objektiven Hermeneutik (insbesondere das der Wörtlichkeit, anfänglichen Kontextfreiheit, der Prüfung sämtlicher Interpretationsoptionen und der sukzessiven Einbeziehung von Kontextwissen); anders als in diesem Methodenprogramm wurde aber nicht davon ausgegangen, dass die Auswertung von Einzelfallmaterial zur Entschlüsselung objektiver Wirklichkeitsstrukturen genügt.

  62. 62.

    Erinnerungsprotokolle wurden für beobachtete Teamsitzungen erstellt.

  63. 63.

    So könnten ihre Adressaten Fragen genauso gut „auch der Familienhebamme oder […] anderen schon bekannten Helfern stellen“. Gleichzeitig verweist die Interviewpartnerin auf einen ihr neuerdings zugewiesenen Vernetzungsauftrag, den sie zwar aktiv auszufüllen scheint, der ihr aber eher unliebsam ist.

  64. 64.

    In einer früheren Interviewsequenz benutzt die Befragte den Begriff der „Maschinerie“, die bei einem Kinderschutzfall „eingeschaltet“ würde.

  65. 65.

    Es handelt sich um eine Erklärung, in der ein Erziehungsberechtigter bestätigt, dass ein Partner seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt und ersatzweise Unterhaltszahlungen durch das Jugendamt erfolgen bzw. geltend gemacht werden sollen.

  66. 66.

    Das bestätigt sich im weiteren Interviewverlauf sehr deutlich: Die Befragte äußert hier z. B.: „Wenn da eine Familienhilfe drin ist, da kann doch was nicht stimmen“. Erklärungen des Regionaldienstes für die Informationsprobleme nennt sie „Schwachsinn“.

  67. 67.

    Der Begriff des „Steuerns“ von Maßnahmen wird auch an anderen Stellen des Interviews sowie auch in einem Gespräch mit der Jugendamtsleitung wie selbstverständlich benutzt; so ist die auch die Rede von, dass man „Anbieter in die Familien [ge]steuert“ habe.

  68. 68.

    Die Befragte bestätigt, dass sich hier um „eine Art Clearing“ handele.

  69. 69.

    Weitere Passagen aus dem Interview erhärten diese Vermutung.

  70. 70.

    Im Rekurs auf Kontextwissen lässt sich ergänzen, dass diese Bestellung in ihrer Macht liegt und somit eine eigene Steuerungsressource darstellt.

  71. 71.

    An einer anderen Interviewstelle konkreter auf diese Motivlage angesprochen erklärt sie: „Da kann ich Ihnen auch nicht viel zu sagen.“

  72. 72.

    Die Möglichkeit, dass das Beharren des Jugendamts damit zusammenhängen könnte, dass bevorzugt ambulante Maßnahmen gegenüber auswärtigen Unterbringungen eingesetzt werden sollen, erwähnt sie zwar nicht – aber aus Kontextwissen lässt sich die Vermutung ableiten, dass diese nicht zuletzt mit Kostenfragen zusammenhängende Motivstruktur ebenfalls eine Rolle spielen könnte.

  73. 73.

    Die Einschätzung ist (auch deshalb) bemerkenswert, weil die Befragte – wie sie an anderer Stelle des Interviews erläutert – mit einem flexiblen Fall- und Stundenvolumen bei ihrem Träger angestellt ist, es also stets eine erhebliche Unsicherheit gibt im Hinblick auf Anschlussaufträge bzw. ihren Beschäftigungsumfang.

  74. 74.

    Dabei verweisen wir auch auf Schnittflächen: Tatsächlich werden vielfach mehrere Veränderungstendenzen gleichzeitig wirkungsmächtig; eine Dimension des Wandels ist dann also eingebettet in eine andere. Diese Überschneidung der Dimensionen reflektiert das Ineinandergreifen der moralischen, technischen und ökonomischen Facetten dessen, was wir oben als gesamtgesellschaftlichen Trend zur „Perfektionierung“ (spät)moderner Institutionen und Organisationen umrissen haben.

  75. 75.

    Zum Wandel institutioneller Logiken vgl. auch Thornton & Ocasio (2008: 114ff).

  76. 76.

    Vgl. dazu die Hinweise in den Abschn. 2.3 und 3.3 sowie unsere Verwendung des Begriffs der „Strukturdynamiken“, die die Möglichkeit strukturbildenden Akteurshandelns auf der Mikroebene einräumt (vgl. Schimank 2010). Im Gegensatz zu klassischen neo-institutionalistischen Ansätzen (Meyer & Rowan 1977) wird institutioneller Wandel also auch als mögliche Folge organisationaler Praxis denkbar.

  77. 77.

    Vgl. zu den nachfolgend im Zusammenhang mit Interviewzitaten verwendeten Abkürzungen den Anhang dieses Bandes. Wörtliche Zitate werden in abgesetzten Blöcken in Kursivdruck oder im Text mit doppelten Anführungszeichen ausgewiesen. Letztere werden zudem bei Literaturzitaten verwendet, während einfache Anführungszeichen im Folgenden für Begriffe genutzt werden, die nicht direkt aus dem Material (oder der Literatur) stammen. Auslassungen in längeren Interviewpassagen oder anonymisierte Begriffe werden in eckigen Klammern aufgeführt.

  78. 78.

    Dieses absolute Sicherheitsversprechen hat schon per se Auswirkungen auf zentrale Organisationsprozesse und zeigt sich etwa in einer zunehmenden Formalisierung von Verfahren, welche ihrerseits verschiedene ‚Anpassungsleistungen‘ erfordert (siehe dazu Abschn. 4.2.2).

  79. 79.

    Was aus Sicht so mancher Experten auf die Bewerkstelligung von „Jugendhilfe trotz Verwaltungsmodernisierung“ (Otto & Peters 2002; Hervorhebung d. Autoren) hinausläuft.

  80. 80.

    Im Bereich von Polizei und Justiz wurden Ressourcenprobleme – und der Umgang damit – in unseren Interviews allerdings nur sporadisch thematisiert. Bei der Polizei scheinen Kooperationsansprüche hinsichtlich des Kinderschutzes – ähnlich wie im Gesundheitswesen – vielfach keinen Niederschlag in der Finanzierung zu finden: Örtlich wird von einem Trend zur „schnellen Abarbeitung“ einschlägiger Fälle berichtet, während „präventive“ Anstrengungen eher dem persönlichen Engagement einzelner Beamter überlassen scheinen. Familienrichter berichten von „zeitlicher Anspannung“ infolge häufiger Eilverfahren; jüngere Vertreter kompensieren Überlastungssituationen teilweise durch erhebliche Mehrarbeit oder geben ihre Position nach geraumer Zeit wieder auf (gleiches gilt für Verfahrensbeistände). Das Erledigungspensum wird regelmäßig überschritten, was jedoch durch die Aussage konterkariert wird, für Fälle der Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB) sei „immer ausreichend Zeit“. Angesichts der eher spärlichen Befunde unserer Studie zu diesem Bereich muss offen bleiben, inwieweit hier eine psychologische Rationalisierung stattfindet.

  81. 81.

    Ähnlich wie in den Studien von Grohs (2007) und Krone et al. (2009).

  82. 82.

    Etwa durch ein spezifisches kommunikatives Labeling, mit ironischen Bemerkungen wie: „Das Jugendamt ist uns lieb und teuer“.

  83. 83.

    Etwa durch Investitionen in die präventive Beratungstätigkeit des Jugendamts.

  84. 84.

    Solche (rationalisierenden) „fachlichen“ Begründungen sind z. B. auch im Hinblick auf Vorgaben relevant, die eine Maximaldauer für die Bewilligung von Hilfen vorsehen: In diesem Kontext fiel in einem Interview der Satz: „Man soll eine Familie auch mal loslassen können und probieren, wie es ohne Hilfe läuft“.

  85. 85.

    Wobei daneben erneut die Aussage steht, entsprechende Abwägungen bezögen sich „mehr auf die Inhalte“.

  86. 86.

    Besonders markant gestaltet sich dies z. B. bei manchen Kinderschutzzentren: Eine Mitarbeiterin spricht hier von 50–100 „Anträgen“ pro Jahr, mit denen man sich für (Modell-)Projekte „bewirbt“.

  87. 87.

    Einzelne Leitungskräfte äußern im Interview sogar, Mitarbeiterinnen sollten aufgrund der hohen Flexibilitätserfordernisse besser keine eigenen kleinen Kinder haben.

  88. 88.

    Indem ein bestimmter Ressourcenaufwand ex ante als bedarfsgerecht kalkuliert und nicht ein real entstandener Aufwand nach einem bestimmten Schlüssel vergütet wird.

  89. 89.

    Damit verbindet sich die (verbreitete) Deutung, dass Kinderärzte ihren Beruf verglichen mit anderen Arztgruppen eher aus „Herz und Seele“ und „Idealismus“ heraus ausübten.

  90. 90.

    Hier scheinen aus Sicht der Ärzte auch potenzielle bürokratische Hürden durch: Der Befragte erläutert, dass man ihm glücklicherweise einen festen Ansprechpartner im Jugendamt zugewiesen habe – Straßenzuständigkeiten seien für ihn „völlig unpraktikabel“.

  91. 91.

    Neben einer Zunahme von Dienstanweisungen und Standardisierungen (vgl. dazu im Detail Abschn. 4.2.2) zögen solche Katastrophenfälle generell die Erwartung einer schnelleren und stärker eingriffsorientierten Reaktion der Jugendämter nach sich, was manchmal (nicht immer) auch mit einer Erhöhung von Personalressourcen einherginge. Letzterer Aspekt ist nicht zuletzt deshalb relevant, da in Phasen hoher öffentlicher Sensibilität und politischen Drucks auch die Anzahl der Kinderschutzmeldungen in die Höhe schnellt. Maßnahmen wie das KICK von 2005 oder die verbindlichen U-Untersuchungen werden demgegenüber in ihren Auswirkungen als „nicht so sensationell“, „rituelle Handlungen“ oder „politische Kosmetik“ charakterisiert, zumal es sich dabei oft lediglich um formale Festschreibungen ohnehin gängiger Verfahren handele (vgl. Turba 2012).

  92. 92.

    Wohlgemerkt sind hier (wiederum) fachliche Gesichtspunkte und nicht Budgetaspekte Anstoß für Kritik. Sie bemerkt: „3–4 Hausbesuche pro Woche sind einfach viel zu dicht für so eine Familie“.

  93. 93.

    Eine andere Befragte bezeichnet es als „erstaunliche Entwicklung“, dass im Kontext forcierten Kinderschutzes steigende Budgets bei den Hilfen zur Erziehung lange Zeit „politisch als Erfolg verkauft“ wurden. Diese Tendenz sei jedoch mittlerweile wieder der Ansicht gewichen: „Naja, Kinderschutz gut und schön, aber jetzt reicht es dann auch mal.“

  94. 94.

    Typische Empfehlungen klingen wie folgt: „Nee, du bist gut dabei und das läuft gut, und guck mal, was die alles schon geschafft haben.“; „Komm, nicht in Panik verfallen. Mach ruhig weiter, wir machen es nicht schlecht, es kann gar nicht sein, dass wir es so schlecht machen.“

  95. 95.

    In diesem Jugendamt galt seinerzeit eine formale Beschränkung auf 100 laufende Hilfen, die regelmäßig um das Dreifache überschritten wurde.

  96. 96.

    Auch Ärzte sprechen mehrfach von einer „Duplizität der Ereignisse“, womit sie auf den Umstand verweisen, dass Meldungen oder Vorfälle in Wellen bzw. Häufungen aufträten. Damit einher gehen geradezu abergläubische Deutungen („Hat man einen [Fall] in der Woche, hat man garantiert einen zweiten“; „Wenn es ein, zwei, drei Wochen ruhig ist, dann weiß man schon, jetzt wird wieder was kommen“).

  97. 97.

    Vielfach bewegen sich freie Träger der Jugendhilfe auf einem Markt, auf dem durchaus mit harten Bandagen gekämpft wird, so dass in Bezug auf die „kleineren Boote“ zuweilen von einem „Kommen und Gehen“ die Rede ist. Eine Befragte spricht in Bezug auf Wettbewerb unter Trägern gar von einem „Haifischbecken“; eines der von uns in die Analyse mit einbezogenen Jugendämter begreift sich – dementsprechend – als „schwerer Tanker in einem Meer von unterschiedlichen Interessen“.

  98. 98.

    Eine Anmerkung, die man in diesem Kontext als Hinweis auf strukturelle Verlässlichkeit deuten kann (zu den Usancen flexibler Personalpolitik vgl. unsere Darstellung weiter unten).

  99. 99.

    Auch anderswo ist von starken „Konjunkturen“ und „Schwankungen“ in Abhängigkeit von Phasen des „Kostendrucks“ und entsprechenden jugendamtsinternen Anweisungen die Rede. Dabei verläuft die ‚Geschäftsbeziehung‘ mit dem Jugendamt teilweise schleppend. So werden zuweilen lange Wartelisten aufgebaut, die zu vorübergehenden Belegungsstopps und im Anschluss wieder zu Unterauslastungen führen. Die Leitungskraft eines Trägers umschreibt diese Trägheit des Auftragsgeschäfts so: „Das ist manchmal wie ein großer Dampfer, und bis der zum Stillstand kommt…“.

  100. 100.

    Post-korporatistisch insofern, als zwar finanzierungstechnisch und politisch eine fest institutionalisierte Kooperation zwischen dem zentralen Kostenträger und ausgewählten Leistungsanbietern ausgebildet ist, aber der klassische Modus der Selbstkostendeckung (der bei über das Vereinbarte hinausgehenden Aufwendungen einen Ressourcennachschlag nach sich zieht) hier nicht mehr greift.

  101. 101.

    Gemeint sind ohnehin vorgehaltene Beratungsangebote des Jugendamts, aber auch lokale Beratungsstellen oder andere aktivierbare „Sozialstrukturen“ (z. B. in der Verwandtschaft oder Kirchengemeinden), die keine zusätzlichen Kosten verursachen.

  102. 102.

    Bei anderen Trägern werden dagegen feste Gehälter gezahlt (s. o.) und Zeiten geringerer Auslastung über eine Jahresarbeitszeiterfassung kompensiert, um so eine geringe Personalfluktuation zu erreichen.

  103. 103.

    Auch „engmaschige Kontrollen im Sinne der Klienten“ harmonieren offenbar gut mit dieser Organisationskultur (vgl. Abschn. 4.2.2).

  104. 104.

    Der sechsmonatigen Probezeit folgt eine einjährige Befristung. I. d. R. würden die Mitarbeiter im Anschluss daran entfristet, so die Interviewpartner.

  105. 105.

    Der Begriff der „Sozialraumorientierung“ wird in der Fachdiskussion uneinheitlich verwendet (vgl. dazu z. B. Merten 2002, Budde et al. 2006, Hinte & Treeß 2007): Als Konzept der Sozialen Arbeit richtet er sich auf die gezielte Beeinflussung von Lebens(um)welten. Von Akteuren der Praxis wird er häufig im Zusammenhang mit lokaler „Vernetzung“ thematisiert. Im Kontext der Verwaltungsmodernisierung geht es u. a. um die strukturelle „Regionalisierung“ von behördlichen Funktionen; für manche ist die Sozialraumorientierung im Zusammenhang mit Budgetierung und dezentraler Fach- und Ressourcenverantwortung ein wesentlicher Bestandteil des Neuen Steuerungsmodells (Dahme & Wohlfahrt 2013: 1000f; vgl. Langer 2012: 172ff). Im Folgenden verwenden wir den Begriff v. a., um damit eine bestimmte (niedrigschwellige) Angebotsstruktur der Jugendhilfe (im Stadtteil) zu bezeichnen. Was den (schillernden) Begriff der „Prävention“ betrifft (vgl. dazu Wohlgemuth 2009), erscheint für unseren Zusammenhang wesentlich, dass ein breites Spektrum von Akteuren des Feldes – von Familienhebammen bis hin zur Polizei – einen Schwerpunkt der eigenen Arbeit unter diesem Stichwort verortet. Brüchig wird die Abgrenzung zur „reaktiven“ Arbeit insbesondere dort, wo gezielt „Problembezirke“ oder „Problemfamilien“ adressiert werden (vgl. ebd.).

  106. 106.

    Insofern zeigen sich Parallelen zum seit längerem beobachteten Prozess der „Ambulantisierung“ der Jugendhilfe (Rätz-Heinisch et al. 2009: 145). Bezogen auf das Gesamtbudget werden allerdings Zweifel an den durch Sozialraumprogramme angeblich erzielbaren Einsparungen angemeldet (s. u.).

  107. 107.

    Dabei deutet der Gesprächspartner auf das „Problem“ hin, dass selbst eine „niedrige Schwelle“ bestimmten Adressaten einiges an Kooperationsbereitschaft abfordert.

  108. 108.

    Vielfach wird das „Herauskommen der Familie“ (aus dem privaten Raum) als wichtiger Aspekt im Hilfeprozess gesehen; in diesem Rahmen biete sich für diese auch die Möglichkeit, sich bei anderen (Müttern) „etwas abzuschauen“.

  109. 109.

    Solche Probleme werden in der Tat wahrgenommen: Der Gesprächspartner moniert, im Rahmen von Zielvereinbarungen würden Jugendamtsleiter „einem alles schwören“, während „zu Hause alle weiterarbeiten wie vorher“.

  110. 110.

    In einem anderen Setting waren es gerade solche Begründungen für Sozialraumprojekte, welche – verbunden mit der Erfahrung „persönlicher Angriffe“ – von den Akteuren als „Bevormundung“ empfunden wurden, mit der Folge eines immensen Widerstands seitens der fachlichen Ebene und eines „ungünstigen Einstiegs“ in diese Projekte.

  111. 111.

    Anderswo werden entsprechende Kompetenzen auch im Rahmen von Workshops vermittelt.

  112. 112.

    Ein ASD-Leiter bemerkt in diesem Zusammenhang, ein „Fall entstehe frühestens ab dem dritten Kontakt“. Stattdessen sollten die Anliegen möglichst ohne Hilfeplangespräch gleich „abschließend erledigt werden“ – eine Haltung, die indes von einer anderen Befragten kritisch als „Abwimmeln von Kunden“ gedeutet wird.

  113. 113.

    Dessen ungeachtet gibt es (z. B. bei Arbeitskreisen) eine Debatte darüber, ob es sich bei den neuen Maßnahmen nicht lediglich um „Billiglösungen“ handele.

  114. 114.

    Bezeichnenderweise gab es im entsprechenden Setting in der Vergangenheit sogar einen politischen Vorstoß in Richtung einer Abschaffung des Rechtsanspruchs auf Hilfen zur Erziehung. Lokale Akteure deuten besagte Kontrakte „in einer ähnlichen Richtung“.

  115. 115.

    Was im Sinne von Kostensenkungen kontraproduktiv erscheint, ist freilich – zumal dort, wo man „hohe Hürden“ beim Zugang zu durch das Jugendamt verfügten Hilfen ausmacht – gerade Anlass für eine affirmative Bezugnahme auf die Sozialraumpolitik mit ihrem Versprechen von „Niedrigschwelligkeit“.

  116. 116.

    In diesem Setting geht es dabei eher um eine Regionalisierung amtlicher Funktionen.

  117. 117.

    Vgl. dazu Hinte (2002: 121) und Kappeler (2000).

  118. 118.

    Auch anderswo wird von Trägerseite die paradoxe Situation beklagt, dass Frühe Hilfen zwar sowohl von Politikern als auch von Fachleuten gewünscht würden, es aber an einer auskömmlichen Finanzierung mangele.

  119. 119.

    Letztere würden z. B. unter Verweis auf eine mangelnde professionelle Verankerung sozialräumlicher Projekte versuchen, deren Anbieter „unten zu halten“.

  120. 120.

    Z. B. die Suche nach relativer Kontinuität durch die Vereinbarung von Fall-Kontingenten.

  121. 121.

    Also in Auseinandersetzung mit Vorwürfen wie: „Ihr wollt ja nur sparen“ (s. o.).

  122. 122.

    In Anlehnung an die klassische Typologie von Reaktionen auf Leistungsabfall in Organisationen nach Hirschman (1970) herrscht hier also das Handlungsmuster „voice“ (Kommunikation) gegenüber „exit“ (Verweigerung) und „loyalty“ (Opportunismus) vor (vgl. Abschn. 4.3).

  123. 123.

    Ihr Einfluss wird teilweise als „bremsend“, anderenorts aber auch als „entlastend“ erfahren. Die rationalisierende Deutung dieser Intervention beinhaltet die Etikettierung als „kollegiale Beratung“ (auf Augenhöhe).

  124. 124.

    Hier sind es insbesondere Arrangements der trägerbezogenen Budgetierung oder Sozialraumprojekte, die Konkurrenz offenbar teilweise auffangen können.

  125. 125.

    Dieses Spannungsfeld stellt sich seit jeher als grundsätzlicher Strukturkonflikt der Sozialen Arbeit – wenn nicht sämtlicher helfenden Berufe – dar und erfährt in der akademischen Literatur vielfältige Betrachtung (vgl. statt vieler: Schone 2012; Knopp & Münch 2007). Aufgrund ihrer institutionellen Verankerung (staatliches Wächteramt) gilt dies in besonderem Maße für Sozialarbeiter des ASD sowie Leistungserbringer der Jugendhilfe, aber auch für Akteure anderer Funktionsbereiche (mehr dazu in Abschnitt c).

  126. 126.

    So lautet der ironische Kommentar einer Behördenmitarbeiterin im Zusammenhang mit verbindlichen Hausbesuchen des Jugendamts: „Einem Zahnarzt schreibt man ja auch nicht ins Gesetz, ob er einen Zahn ziehen muss oder nicht“. Biesel (2011: 40ff) wertet Tendenzen der „Überregulierung“ dementsprechend als „Übergriff auf die professionelle Autonomie Sozialer Arbeit“ und somit als latente „Deprofessionalisierung“.

  127. 127.

    Nicht zuletzt dieser Umstand kann immer wieder für ‚Chaos‘ sorgen und Arbeits- und Entscheidungsprozesse komplizieren (Bode & Turba 2014; Alberth et al. 2010). Zusätzlich sorgt das (schwankende) Fallaufkommen zuweilen für Überlastungssituationen, in denen nur noch Ad-hoc-Lösungen helfen.

  128. 128.

    Ähnlich Biesel (2011: 66f).

  129. 129.

    Unterschiedliche Einschätzungen von „Normalität“ (etwa bezüglich Erfordernissen der Hygiene oder Ordnung) resultieren aus Sicht der Akteure schon aus der individuellen Sozialisation von Fachkräften. In diesem Zusammenhang wird auch ein latenter ‚Schichtbias‘ der Interventionen vermutet. Darauf verweist z. B. die Beobachtung, dass die Drohung mit einem Anwalt seitens sozial privilegierter Eltern Wirkung zeige; gleiches gilt für Hinweise auf ein stärkeres Vertrauen in Selbstlösungspotenziale von Wohlhabenderen. Insofern scheinen in Beurteilungsprozessen stets auch gewisse Stereotype eine Rolle zu spielen.

  130. 130.

    Zuweilen wird es allerdings auch situativ durchbrochen (s. Punkt b).

  131. 131.

    Plausibilisiert wird diese Sichtweise etwa vor dem Hintergrund von Erfahrungen mit Fällen, in denen sich intuitive – auf eine unspezifische „Sorge“ gegründete – Maßnahmen im Nachhinein als berechtigt herausstellten.

  132. 132.

    In Entsprechung zu dem, was auch Böwer & Wolff (2011: 147ff) beobachten.

  133. 133.

    Insgesamt betrachtet bewegt sich die kollektive Entscheidungsfindung somit stets am Rande der „organisierten Anarchie“ (Cohen et al. 1972, vgl. Wolff 2010): Gemäß einer „garbage can“-Logik ist die Art der vorhandenen Teilnehmer, Probleme und Lösungen – der unbeständigen ‚Natur des Falls‘ angemessen – ausgesprochen variabel (dazu unten mehr).

  134. 134.

    So berichtet auch eine ASD-Mitarbeiterin aus einem anderen Setting, dass im Alltag oft „abrupte“ Entwicklungen über sie hereinbrächen, welche es ihr unmöglich machten, einen „Tagesplan“ umzusetzen.

  135. 135.

    Ähnliche Spontan-Beanspruchungen und ein daraus folgendes „Jonglieren mit Zeit“ wird z. B. auch von Hebammen problematisiert („Man kann sich nicht zerteilen“). Ein allgemeiner Zeitdruck mit daraus folgendem Koordinationsaufwand ist (aufgrund häufiger Eilverfahren) tendenziell auch für Familienrichter sowie Gerichtsgutachter ein Thema, die etwa berichten, man müsse im Ernstfall „alles stehen und liegen lassen“. Gewisse Erfordernisse der ‚Spontaneität‘ zeigen sich also auch im Umfeld von Gerichtsverfahren.

  136. 136.

    Ablesbar an der Äußerung „Ich habe irgendwann aufgehört, diese Bögen zum fünften Mal auszufüllen“ (vgl. dazu Punkt b).

  137. 137.

    So z. B. schon bei der Umsetzung des verbreiteten ‚Mehr-Augen-Prinzips‘ oder formalen Hausbesuchsregelungen, die potenziell hohe Flexibilitätsanforderungen mit sich bringen (s. o.). Entsprechend gilt gerade Dokumentation – als typisches Standardisierungs- und Kontrollinstrument – verbreitet als „dirty work“ (s. auch Ackermann 2012: 129f; vgl. Hughes 1962).

  138. 138.

    Vgl. Ackermann 2012: 130ff.

  139. 139.

    Mit der Einführung des neuen Systems sind offenbar auch weitergehende Ängste verbunden: So wurde z. B. angemerkt, dass es implizit Präferenzen hinsichtlich der Maßnahmenauswahl transportiere, durch erweiterte Möglichkeiten des internen Controllings (auch in Sachen Kosteneffizienz) mehr Kontrolle von oben ermögliche und somit potenziell die operative Beweglichkeit der Fachkräfte einschränke.

  140. 140.

    Einige haben – wie uns berichtet wurde – dieses Vorhaben im Anschluss an verschiedene politische Umsteuerungsmaßnahmen bereits wahr gemacht.

  141. 141.

    Wahrnehmungen von außen gehen in eine ähnliche Richtung: So schildert eine Psychiaterin im Interview ihren Eindruck, das Jugendamt sehe die Kinder generell nur kurz und agiere v. a. vor dem Hintergrund von „Schreibtischwissen“.

  142. 142.

    Damit verbundene Befürchtungen manifestieren sich in folgender Äußerung: „Man kann einen Dienst wirklich irgendwie an allen Ecken und Enden sozusagen, was die Arbeit betrifft, anfassen gleichzeitig, und einmal durchwirbeln, und der soll aber parallel noch einfach seine Arbeit leisten, so. Das ist schon eine große Herausforderung.“

  143. 143.

    Etwa wenn Mitarbeiter sich „in der Koordinatorenrolle bequem“ einrichten und – um nichts „falsch zu machen“ – besonders schnell dabei sind, als zusätzliche ‚Sicherheit‘ Familienhilfen zu installieren oder auch Inobhutnahmen einzuleiten.

  144. 144.

    Diese Wortwahl deutet auf durchaus konfrontative Auseinandersetzungen hin. Zuweilen wird allerdings auch kritisch angemerkt, dass Mitarbeiter „an der Front“ bei Reformvorhaben gerade nicht zu Rate gezogen würden. Den daraus entstandenen Regelungen merke man dann an, dass sie „am grünen Tisch“ entstanden seien und einfach „standardisiert drüber gegossen“ wurden, was die ‚Compliance‘ an der Basis verringere.

  145. 145.

    Eine ASD-Mitarbeiterin verweist zudem auf die allgegenwärtige (theoretische) Möglichkeit, Kontrollmechanismen in der Praxis bewusst zu unterwandern: Zwar sei die Bereitschaft, Kinderschutzmeldungen unmittelbar nachzugehen infolge ihrer Nachvollziehbarkeit über Dokumentationssysteme gewachsen, doch könne man dem immer noch entgehen, indem man „Sachen vielleicht nicht aufnimmt“ und somit gar nicht aktenkundig werden lässt.

  146. 146.

    An anderer Stelle des Interviews wird erwähnt, man habe „irgendwann aufgehört, diese Bögen zum fünften Mal auszufüllen“ (vgl. dazu die unter Punkt a dokumentierte Passage).

  147. 147.

    Ausgesprochen spannungsreich gestalten sich in diesem Bereich dagegen (neue) Rollenzuschnitte im Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle (s. dazu Punkt c).

  148. 148.

    Auch bei Akteuren jenseits der Jugendhilfe zeigen sich indes gewisse Merkmale von Eigensinn (auf organisationaler wie individueller Ebene). So hängt z. B. bei Ärzten nach verbreiteter Deutung vieles vom „persönlichen Engagement“ ab. Zudem gelte hier das Prinzip „fünf Beteiligte, fünf Diagnosen“, so eine ASD-Mitarbeiterin. Auch Gesundheitsämter werden – in Abhängigkeit von den „Hobbys“ der Leitung – öfters als hochgradig idiosynkratische Organisationen beschrieben (s. Abschn. 4.1.2).

  149. 149.

    Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die mit dem Einbezug der Hebammen verbundene Intention der Steuerungsebene durchaus auch auf Kontrollaspekte abzielt. Hintergrund sind frühere Fälle, in denen Sozialpädagogen körperliche Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung nicht erkannt hatten und insofern „medizinischer Sachverstand“ gefragt schien. Zudem soll der wahrgenommene ‚Vertrauensbonus‘ der Hebammen sowie der gängige Betreuungsrahmen (per Hausbesuch) hier offensichtlich strategisch zu Kontrollzwecken genutzt werden. Insofern sind die angesprochenen Konflikte offenbar institutionell angelegt.

  150. 150.

    Vgl. dazu Kleve 2005: 467.

  151. 151.

    Gleichwohl schildert sie auch Fälle mit eigenem „Kontrollauftrag“ (der dann aber – worauf sie besonderen Wert legt – auch für die Adressaten transparent sei) sowie Situationen, in denen zusätzlich involvierte Familienhilfen die „Netten“ und sie selbst die „Doofe“ gewesen sei (vgl. Variante 3 unten).

  152. 152.

    Indes ist dies aus Sicht vieler Feldakteure nicht das alleinige Motiv: Vielmehr sieht man auch mangelnde Personalressourcen im Jugendamt als Hintergrund eines solchen ‚Outsourcings‘.

  153. 153.

    Etwa sog. „Familienlotsen“, die bei Eltern „Begrüßungsbesuche“ durchführen, oder „Sozialmedizinische Assistentinnen“, die als Honorarkräfte im Gesundheitsamt beschäftigt werden (s. Abschn. 4.1.2). In gewisser Weise kann man auch die politisch forcierte Relevanz der ärztlichen Früherkennungsuntersuchungen im Kontext des Kinderschutzes als Impuls deuten, bestimmte Kontrollfunktionen außerhalb des Kerngeschäfts der Jugendhilfe zu etablieren.

  154. 154.

    Als problematisch – da tendenziell ‚übergriffig‘ – gilt auch die Konfrontation der Familie mit zu vielen ‚Helfern‘ (schon das Mehr-Augen-Prinzip wird zuweilen kritisch beurteilt), zu häufigen Hausbesuchen oder die Vorgabe, jeden Kontakt durch die Adressaten unterschreiben zu lassen. Auch in der konkreten Situation erfordert die Inaugenscheinnahme des Kindes einiges an Sensibilität: Man behilft sich hier etwa, indem man die Prozedur mit einem Bad verbindet.

  155. 155.

    Hier handelt es sich also – gemäß der unten beschriebenen dritten Variante – um eine taktische Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Leistungserbringern.

  156. 156.

    Auch ein Kinderpsychiater berichtet, dass sich ein Nebeneinander von „Clearing“ und „Therapie“ spannungsreich gestalte, da es bei den betroffenen Kindern „Loyalitätskonflikte“ auslöse. Interventionen des Jugendamts beendeten oft die Therapiebeziehung, verliefen aber letztlich im Sande, da Aussagen des Kindes später zurückgenommen würden. Therapie und „Begutachtung“ schlössen sich somit aus, ein alleiniger Fokus auf „Diagnosen“ widerspreche einem helfenden Ansatz.

  157. 157.

    Generell soll hier nicht der Eindruck vermittelt werden, dass Akteure im Umfeld der öffentlichen Jugendhilfe schärfere Kontrollen grundsätzlich ablehnen. Vielmehr äußern einige Leistungserbringer sogar die Einschätzung, das Jugendamt handele noch zu „lasch“, während sie sich der (neuen) Kontrollagenda gegenüber selbst durchaus aufgeschlossen zeigen.

  158. 158.

    Manche der letztgenannten Arrangements stießen nach ihrer Einführung bei den Fachkräften vor Ort auf Hemmungen, daran zu partizipieren. So lösten etwa militärisch anmutende Begriffe wie „Task Force“ oder „Stabsstelle“ Abwehrreaktionen aus. Dies führte dann zu Neuverhandlungen von Aufgabenbeschreibungen oder – dort, wo sich Mitarbeiter strikt weigerten – zur Schaffung von enger an die Steuerungsebene gekoppelten Parallelstrukturen (mit Personal, das bereit ist, die Rolle des „Bad Cops“ zu übernehmen) anstelle einer Verankerung in vorhandenen Organisationseinheiten.

  159. 159.

    Solche taktischen Vorgehensweisen werden z. B. mit Metaphern wie „Fisch und Angler“ oder „Mit Speck fängt man Mäuse“ umschrieben. Ähnliches zeigt sich dort, wo bei „Begrüßungsbesuchen“ kleine „Willkommensgeschenke“ überreicht werden.

  160. 160.

    Diesbezüglich deutet sie allerdings Differenzen in der lokalen Umsetzung an und vermutet, anderenorts werde die Kopplung ans Jugendamt weniger klar ausgewiesen.

  161. 161.

    Vgl. dazu die obigen Anmerkungen zur Rolle der Familienhebammen.

  162. 162.

    Dies steht nicht selten im Zusammenhang mit dem Geschlecht oder dem (Dienst-)Alter der Akteure.

  163. 163.

    Es handelt sich hier um eine Paraphrasierung aus einem beobachteten Erörterungsgespräch, bei dem ein Polizeibeamter dies als praktikable Interventionsstrategie in die Diskussion einbrachte.

  164. 164.

    Hebammen wird generell ein gewisser Vertrauensvorsprung attestiert: So herrsche bei den Eltern der Eindruck vor, die SPFH komme „vom Jugendamt“, während die Hebamme „Babys auf die Welt“ bringe. Diese große „Nähe“ und „Parteilichkeit“ wird von Hebammen selbst zuweilen problematisiert: Man müsse aufpassen, sich nicht zu sehr „einwickeln“ zu lassen und „einen kühlen Kopf bewahren“. Eine Hebamme berichtet, dies in der Interaktion durch bewusste Distanzierungen (z. B. „Siezen“) zu bewerkstelligen.

  165. 165.

    Das gemeinsame Ausfüllen des Instruments erlaube es nämlich, eigens vertretene Standpunkte in der Interaktion zu legitimieren („Das gilt für ganz Deutschland“; „Das denke ich mir nicht aus“).

  166. 166.

    Ganz im Sinne einer „garbage can“-Konstellation (s. o.).

  167. 167.

    So wertet auch Biesel (2011: 114) „spezialisierte Arbeitsteilungen mit Anweisungs- und Delegationsprinzipen“ als Ausdruck einer wenig „reflexiven Kommunikationskultur“.

  168. 168.

    Tatsächlich steht Vernetzung aus sozialtheoretischer Perspektive für „Entdifferenzierung“; sie verspricht eine „Hybridisierung“ gesellschaftlicher Subsysteme (vgl. Bammé et al. 2012: 40) und „Syntheseprinzipen jenseits von ‚Markt‘ und ‚Plan‘“ (dies.: 43; vgl. auch Powell 1990). Eine solche Beschreibung netzwerkförmiger Koordination verweist auf einen Idealzustand der offenen und vorbehaltlosen Kooperation von Akteuren, die eine Zusammenarbeit suchen und sämtlich für gewinnbringend halten.

  169. 169.

    Vgl. zu entsprechenden Rollenunsicherheiten angesichts multipler Mandate und diffuser Zuständigkeiten Abschn. 4.2.2.

  170. 170.

    Dass Netzwerke eine gewisse Diffusität aufweisen, ist zuletzt auch in Diskussionen im Umfeld der Sozialen Arbeit thematisiert worden. So konstatiert Lorenz (2013: 110), dass das „von den Sozialwissenschaften affirmativ aufgefasste Netzparadigma“ dazu tendiert, bestimmte Dimensionen von Kooperationsprozessen im Sozialsektor auszublenden. Er zitiert Böhme (2004: 33) mit dessen Beobachtung, dass Vernetzung auch Aspekte von „Überwachung und Kontrolle“ beinhaltet – aus dieser kulturhistorisch-etymologischen Perspektive bilden das „Spinnennetz und das Fischernetz“ sogar den „semantischen Kern“ des Netzwerkbegriffs (ders.: 17). Schubert (2013: 267f) stellt die Verbreitung von „Netzwerkorganisation“ im Sozialsektor in einen Zusammenhang mit dem Aufkommen des „Neuen Steuerungsmodells“: Kooperation und Vernetzung seien auch dazu bestimmt, die „Effizienz“ Sozialer Arbeit zu erhöhen – also gewissermaßen Mittel zu einem anderen Zweck.

  171. 171.

    Entsprechend identifiziert Kleve (2008: 35ff) – für den Bereich der Jugendhilfe – Rollendifferenzierungen, institutionelle Machtdifferenzen sowie Eigenheiten des Finanzierungssystems als wesentliche „Fehlerquellen“ in Kooperationsprozessen.

  172. 172.

    Wobei sie gleichzeitig andeutet, dass eine kooperative Gesprächskultur im Gesundheitswesen weniger ausgeprägt sei („die sitzen nicht alle an einem Tisch“).

  173. 173.

    Dies gilt auch innerhalb von Funktionsbereichen (dazu unten mehr): So wird z. B. erörtert, dass die institutionelle ‚Trennung‘ von Jugendämtern auf der einen und Kinderbetreuung auf der anderen Seite Kommunikationsprozesse generell erschwere. Kitas verkörperten – auch wegen des besonderen Finanzierungssystems – eine „eigene Welt“, weshalb in der Praxis vieles „nebeneinander her“ laufe, so eine Behördenmitarbeiterin. Anderenorts gibt es offenbar ein spannungsgeladenes Verhältnis zwischen der Verwaltung einer Kommune und der benachbarter Landkreise – letztlich könne hier, so wird uns erklärt, nur „einer den Hut aufhaben“.

  174. 174.

    Der Begriff unterschiedlicher „(Diskussions-)Kulturen“ wurde in unseren Interviews sehr häufig zur Charakterisierung der Beziehung zwischen Gesundheits- und Jugendhilfe verwendet. Ähnliche Spannungen sieht der Befragte mit dem Bildungsressort.

  175. 175.

    Auch andere Darstellungen in der Literatur verweisen darauf, dass „direktive Überweisungen“ zuweilen auf Widerstände seitens der Jugendhilfe stoßen (Meysen et al. 2009: 81).

  176. 176.

    Angesichts der Lückenhaftigkeit von U-Untersuchungen wird z. B. spekuliert, dass hier „zu viele Patienten durchgeschleust“ würden.

  177. 177.

    Eine Rechtsmedizinerin mutmaßt, Kooperationsvorbehalte seitens anderer Instanzen gründeten sich auch auf Hemmungen, „selbst etwas aus der Hand zu geben“ – in der Angst, dass Ärzte „zu bestimmend werden“ und „zu viel bevormunden“ (vgl. zu Ansprüchen der „professionellen Dominanz“ seitens der Medizin Freidson 1970 sowie zur professionssoziologischen Einordnung entsprechender Konflikte zwischen „Dominanz“ und „Konkurrenz“ Bohler & Franzheld 2013: 372). Möglicherweise würden sich hier auch Erfahrungen übertragen, die die Akteure selbst (als Patient) mit Ärzten gemacht hätten.

  178. 178.

    Dass ein Ruf als „Anscheißer beim Jugendamt“ finanzielle Einbußen nach sich ziehen kann, wird auch von Ärzten selbst als Bedrohung wahrgenommen (vgl. Abschn. 4.2.1).

  179. 179.

    Eine Fachkollegin der Befragten äußert sich ähnlich: Die eine Hälfte der Mediziner wolle Misshandlungen schlicht „nicht wahr haben“ oder könne sich so etwas „nicht vorstellen“. Auch eine Kitaleitung bekundet ihren Eindruck, Ärzte lebten oft in einer „heilen Welt“ und es fehle ihnen am erforderlichen Mut (einen Verdacht zu äußern), aber auch an ‚quasi-kriminalistischem‘ Gespür (etwa wenn es um raffinierte Verschleierungstaktiken misshandelnder Eltern gehe).

  180. 180.

    Sie verdeutlicht dies am Beispiel eines Kindes, bei dem man in einem langwierigen Prozess eine stationäre Unterbringung vorbereitet, die Psychiatrie dann aber nach „sehr kurzem Anschauen“ des Kindes anders entschieden habe (Einweisung in eine Tagesklinik), was aus Sicht der Befragten (aufgrund der psychischen Labilität der Mutter) nicht sachgerecht war.

  181. 181.

    Was formale Kooperationsansprüche (bezogen auf ‚Meldewege‘) anbelangt, so merken verschiedene Akteure (z. B. auch Polizei, Hebammen) in diesem Zusammenhang kritisch an, dass Vernetzungsmaßnahmen oft auf eine „Einbahnstraße“ hinausliefen: Verlangt würden Meldungen ans Jugendamt, das seinerseits aber keine Informationen freigebe.

  182. 182.

    Zugleich werden eigene Kompetenzen oftmals als begrenzt eingeschätzt; dies kommt z. B. in Bemühungen der Verantwortlichen zum Ausdruck, sich (über die Lektüre entsprechender Leitfäden) auch ein sporadisches medizinisches ‚Basis-Know-How‘ anzueignen, um so auf „gleiche Augenhöhe“ mit Kinderärzten zu gelangen: Hier avanciert also der Erwerb ‚interdisziplinären‘ Wissens zur Coping-Strategie.

  183. 183.

    Eine Rechtsmedizinerin erlebt ähnliche Vorbehalte: So sei die Einschaltung ihres Instituts bei Kinderschutzfällen anfangs mit dem „schmeichelhaften Hinweis“ abgeschmettert worden, dass „Metzger“ ja schließlich auch keine ärztliche Zulassung erhielten. Auch in der Praxis sieht sie sich immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert, die auf das „böse“ Image der Rechtsmedizin zurückgingen – so wecke die Vorstellung, man arbeite dort mit „Leichen“, bei Kooperationspartnern Befürchtungen im Hinblick auf eine Traumatisierung von Gewaltopfern. Die Befragte versucht solchen Berührungsängsten mithilfe regelmäßiger Informationsveranstaltungen entgegenzuwirken.

  184. 184.

    Sie sieht deshalb Vernetzung als geeignetes Mittel an, über das (persönliche) Kennenlernen des jeweils Anderen Gemeinsamkeiten zu entdecken. Zu diesem Zweck besteht mancherorts die Möglichkeit wechselseitiger Hospitationen.

  185. 185.

    Dieses Problem wird mancherorts auch bei Beteiligung der Rechtsmedizin oder im Zusammenspiel von Gesundheits- und Jugendamt virulent (wobei hier letzteres Anspruch auf ‚Erstintervention‘ erhebt).

  186. 186.

    Zum Zeitpunkt der Befragung wurden im fraglichen Setting sämtliche Polizeimeldungen automatisch als § 8a-Fälle eingestuft.

  187. 187.

    Eine Familienrichterin vertritt im Interview dementsprechend die Ansicht, das neue Gewaltschutzgesetz (s. dazu Kap. 3) werde von der Polizei sehr „schnell“ (d. h. auch bei „Bagatellen“) bemüht, um Betroffenen den Gang zum Familiengericht zu empfehlen. Auch hier sorgt also eine hohe Sensibilität der Polizei für relativ viele ‚Meldungen‘ und bindet entsprechende Arbeitskräfte, was sich für manche Akteure als problematisch darstellt.

  188. 188.

    Ähnliche Missverständnisse bezüglich der Rolle und des allgemeinen Handlungsspielraums der Jugendämter zeigen sich aus Sicht der Befragten auch in anderen Organisationen wie Mütterberatungsstellen oder Schulen – oft stehe der Anspruch „Da muss etwas passieren“ im Vordergrund, während längerfristige Perspektiven der Hilfe eher unter den Tisch fielen. Schließlich spreche im Kinderschutz „gern jeder mit“.

  189. 189.

    Ähnliches wird von Jobcentern berichtet.

  190. 190.

    Solche Delegationsprozesse gibt es auch in der umgekehrten Richtung, wie der Fall einer Jugendamtsmitarbeiterin zeigt, die einen Klinikarzt überredete, Anzeige zu erstatten, da sie selbst „verhindert“ war.

  191. 191.

    Zudem attestieren kooperierende Akteure der Polizei – nicht zuletzt den auf Beziehungsgewalt spezialisierten Beamten – mitunter eine hohe Sensibilität für die Interventionsproblematik (gerade in Konfliktsituationen).

  192. 192.

    Indes bleibt offen, wen er hier in welcher Rolle sieht.

  193. 193.

    Ähnliche Verständigungsschwierigkeiten über Konzepte zeigen sich auch im Bereich der Jugendhilfe: So berichtet die Vertreterin eines „Mehrgenerationenhauses“ von „ganz massiven Problemen“ in der Kooperation mit dem lokalen Jugendamt. Dort bestehe bei bestimmten Akteuren keinerlei Verständnis für das Organisationskonzept (verdichtet in der Frage: „Was soll das überhaupt mit den ganzen Generationen im Haus?“), was sie als „unsachlich“, „überfrech“ und „persönlich verletzend“ empfindet. Die kritischen Nachfragen dienen aus ihrer Sicht letztlich der Verwirklichung bestimmter Einsparungsziele, z. B. durch Schließung einiger Teilangebote.

  194. 194.

    Ähnliche „Kompetenzrangeleien“ werden auch von einer im Gesundheitsamt beschäftigten Hebamme mit den im gleichen Hause angesiedelten Sozialarbeitern wahrgenommen; letztere seien oftmals in „alten Strukturen“ verhaftet und hätten das Gefühl, man würde ihnen etwas „wegnehmen“. Konkurrenz ist also auch außerhalb von marktförmigen Beziehungen – wie denen zwischen freien Trägern (s. Abschn. 4.2.1) – durchaus ein Thema. Es geht dann weniger um wirtschaftliche Interessen als um ‚fachlichen Stolz‘.

  195. 195.

    Diese Wortwahl taucht in den Interviews häufiger auf (s. o.).

  196. 196.

    Wobei dieser Prozess auch Folgeprobleme schafft, die ihrerseits gesonderte Coping-Strategien erfordern (vgl. dazu ausführlich den folgenden Unterpunkt b).

  197. 197.

    Z. B. bezüglich der Frage, wie ein „vager Verdacht“ von einem „begründeten Verdacht“ abzugrenzen ist.

  198. 198.

    Hier wird darauf verwiesen, dass – als Vorläufer entsprechender institutionalisierter Lösungen (Stichwort: RISKID) – bereits seit längerem Austauschprozesse mittels einer informellen „Datenbank“ stattfinden.

  199. 199.

    Hier geht es dann – wenigstens aus der subjektiven Perspektive der übergangenen Instanzen – um Formen „zwischenprofessioneller Wilderei“ (Bohler & Franzheld 2010: 195; siehe auch Abbott 1988: 44).

  200. 200.

    Auch für Jugendämter oder die Polizei stellen Kliniken (nicht zuletzt aufgrund ihrer Erreichbarkeit rund um die Uhr) geeignete Auffanglösungen dar.

  201. 201.

    Entsprechendes berichten z. B. auch Hebammen oder SPFH-Kräfte, die – autorisiert durch das Jugendamt – Inobhutnahmen durchführen (sollen).

  202. 202.

    So formuliert es die Mitarbeiterin eines freien Trägers.

  203. 203.

    Wobei offen bleibt, ob er hier die Hälfte der bei einer gegebenen Netzwerkveranstaltung verbrachten Zeit oder die Hälfte aller Arbeitskreise meint.

  204. 204.

    Vgl. dazu ausführlich den folgenden Unterpunkt c.

  205. 205.

    Vgl. Bohler & Franzheld (2013: 376) sowie Powell (1990).

  206. 206.

    Die wenigen Ausnahmen betreffen v. a. Formen langjährig eingespielter Kooperation (etwa in einem Gesundheitsamt, in dem man die Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern „gewohnt“ ist).

  207. 207.

    Hier spielt sie auf die aus ihrer Sicht unglückliche Tendenz an, die Jugendhilfe aus Netzwerken für „Frühe Hilfen“ größtenteils herauszuhalten. Wie das Beispiel zeigt, prallen im Zusammenhang mit Vernetzung immer auch Beteiligungsinteressen verschiedener Akteure sowie diese konterkarierende Prozesse des ‚Ausschlusses‘ aufeinander (s. auch Punkt c).

  208. 208.

    Mancherorts scheinen solche Anpassungsleistungen – gleichsam als ‚Mittel zum Zweck‘ – vor allem der Aufrechterhaltung der „Daseinsberechtigung“ einmal etablierter Netzwerke zu dienen, wie das Beispiel eines Netzwerks zur familienrechtlichen Mediation zeigt, das durch gesetzliche Neuregelungen mehr oder weniger obsolet wurde und daraufhin thematisch um den Aspekt der Kindeswohlgefährdung erweitert wurde.

  209. 209.

    Z. B. „auch mal Zeit zum Rumspinnen“, ein „verantwortlicher Blick“ aller Beteiligten, „Transparenz“ gegenüber Klienten oder eben die o. g. „Konkurrenzreduktion“.

  210. 210.

    Gerade latente Widerständigkeit gehört zu den Hauptvarianten dessen, was in neueren Arbeiten zum Potenzial von „institutional work“ herausgestellt wird (vgl. etwa Currie et al. 2012).

  211. 211.

    Insbesondere dort, wo solche Vorgaben nachträglich in Form von Leitfäden festgeschrieben werden, scheint Vernetzung ein Instrument verstärkter, direktiver Prozesskontrolle zu sein.

  212. 212.

    Die Netzwerke wecken damit spontan Assoziationen zum Konzept der „organisierten Anarchie“ (Cohen et al. 1972; s. o.). In diesem Zusammenhang gilt es auch zu berücksichtigen, dass manche Netzwerke ‚aus dem Zufall heraus‘ geboren werden: So im Falle einer Kooperation zwischen Jugendhilfe und Kinderärzten, die auf einen individuellen Konflikt im Zusammenhang mit Datenschutzfragen und daran anschließende Schlichtungsbemühungen der zuständigen Koordinatorin im Jugendamt zurückging. Man sieht: Auch Situationen des ‚Scheiterns‘ oder akute Krisen können einen Anlass für verstärkte Kooperationsanstrengungen darstellen. Während im Bereich der Jugendhilfe oftmals formale Vorgaben bestehen, sind Netzwerke insbesondere im Bereich Gesundheitswesens oft selbstinitiiert und hängen somit in hohem Maße vom Engagement bestimmter exponierter Einzelakteure ab.

  213. 213.

    Bei Vernetzungsprozessen sind auch hierarchische Kontrollinteressen (bzw. Steuerungsansprüche) im Spiel, wie sie im vorherigen Unterkapitel angesprochen wurden. Im Folgenden wenden wir uns hingegen stärker Aspekten wirtschaftlicher „Konkurrenz“ zu.

  214. 214.

    Somit schließt sich der Kreis zu den Befunden, die am Anfang dieses Abschnitts (unter 4.2.1) zum Aspekt der Effizienzorientierung versammelt wurden. Allerdings verursacht Vernetzung – wie im vorherigen Unterkapitel gezeigt wurde – stets auch bestimmte (Transaktions-)Kosten.

  215. 215.

    Gleichzeitig versucht man, dabei „vorsichtig“ vorzugehen, um nicht den Verdacht zu erwecken, sich im großen Stil gegenseitig Klienten „zuzuschieben“ – eine solche Art der Fallakquise scheint gewissermaßen ein Tabuthema darzustellen.

  216. 216.

    Dabei winken nicht zuletzt Sponsorengelder lokaler Unternehmen. Eine Befragte verstand sogar die Teilnahme an dem von uns erbetenen Interview explizit als Bestandteil von Öffentlichkeitsarbeit und sah darin eine Gelegenheit, das von ihr vertretene Konzept deutschlandweit bekannter zu machen.

  217. 217.

    Eine „sehr zuvorkommende“ Haltung von Trägerseite (die sich z. B. in prompten telefonischen Rückrufen ausdrücke) wird auch seitens des Jugendamts registriert und als Ausdruck eines verschärften Profilierungsdrucks unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen gedeutet.

  218. 218.

    Die beiden folgenden Interviewausschnitte wurden bereits unter dem vorherigen Punkt b (im Zusammenhang mit Strategien des dosierten Rückzugs) sowie unter 4.2.1 (im Kontext offensiver Akquisestrategien angesichts eines „sozialräumlichen“ Trends) dokumentiert, erscheinen aber im hiesigen Kontext gleichermaßen bedeutsam.

  219. 219.

    Gemeint ist die Möglichkeit, Familien an passende Angebote im Stadtteil weiterzuvermitteln.

  220. 220.

    Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die unter Punkt b beschriebene Strategie, Netzwerkvorgaben zu erfüllen, „um das Geld zu kriegen“ und gleichzeitig durch deren kreative Abwandlung etwas „inhaltlich Sinnvolles“ zu tun.

  221. 221.

    Vgl. Santen & Seckinger (2003: 397ff).

  222. 222.

    Wie es Seckinger (2008: 22) auf den Punkt bringt.

  223. 223.

    Die detaillierte Aufarbeitung des empirischen Materials ist an dieser Stelle abgeschlossen. Im Folgenden werden dagegen wieder für alle Begriffe doppelte Anführungszeichen verwendet; die im Vorangegangenen vorgenommene Differenzierung entfällt.

  224. 224.

    Hier greifen dann auch jene Dynamiken, die in der betriebswirtschaftlich orientierten Organisationstheorie als typisch für principal-agent Beziehungen gelten (Jensen & Meckling 1976; für den Bereich sozialer Interventionen: Langer 2005): Eigensinnige Operationen von Agenten (Angestellten unterer Hierarchieebenen) können – u. a. aufgrund ihres Informationsvorsprungs – durch Anweisungen von oben nicht direkt kontrolliert werden, weil sie in sog. Indifferenzzonen agieren; deshalb kommen besondere, indirekt kontrollierende Steuerungen zum Einsatz.

  225. 225.

    Z. B. in Gestalt des Dienstes nach Vorschrift oder des informellen Rückzugs (aus Netzwerken etc.).

  226. 226.

    Zu diesem Problemfeld siehe allgemein Apelt & Senge (2014).

  227. 227.

    Wir lehnen uns hier (locker) an einen Begriff an, der auf Charles E. Lindbloms Theorie der öffentlichen Verwaltung zurückgeht (vgl. ders. 1959 sowie Rothmayr Allison & Saint-Martin 2011). Diese argumentiert, dass rationales Steuern in komplexen administrativen Kontexten unmöglich ist, auch weil Ressourcen zur angemessenen Informationsverarbeitung fehlen. Damit stehen alle Beteiligten vor der Herausforderung, zweitbeste oder provisorische Lösungen zu finden, wobei auf persönliche Erfahrungen und vergangene Routinen gesetzt wird. Dies wird v. a. für Konstellationen behauptet, in denen Akteure über wenig Umweltkontrolle verfügen und Ergebnisse von Entscheidungen schwer vorauszusagen sind. All dies dürfte für den Alltag des organisierten Kinderschutzes außerordentlich symptomatisch sein.

  228. 228.

    Da die Verteilung entsprechender Gelegenheiten die Struktur des „industry systems“ maßgeblich prägt, besitzen resource-dependence Theorien hier einen hohen Erklärungswert: Je nachdem, wer vorhandene Ressourcen wie und gegenüber wem kontrollieren kann, bilden sich Einflussspielräume bei den einen und Ohnmachtsgefühle bei den anderen (vgl. Pfeffer & Salancik 1978).

  229. 229.

    Hier entsteht mitunter auch eine „Grenzstellensolidarität“ in dem Sinne, dass sich für eine gegebene Instanz tätige Angestellte mit starkem Außenkontakt Kooperationspartnern näher fühlen als Abteilungen der eigenen Organisation.

  230. 230.

    Der Begriff entstammt der sozialkonstruktivistischen Organisationsforschung und bezieht sich meist auf organisationsinterne Ordnungsbildung (durchaus im Geflecht verschiedener Professionen bzw. Berufsgruppen, klassisch: Strauss et al. 1963). Man kann ihn aber auch mit Blick auf Strukturbildungen jenseits von Organisationsgrenzen nutzen (so etwa Bechky 2011).

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Bode, I., Turba, H. (2014). Organisierter Kinderschutz vor Ort – Praktiken und Trends heute. In: Organisierter Kinderschutz in Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03354-5_4

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