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Part of the book series: Qualitative Sozialforschung ((QUALSOZFO))

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Zusammenfassung

In der im vorletzten Kapitel (wenn auch sehr ‚dünn‘) dokumentierten Gruppeninterpretation eines Fotos, auf dem Barack Obama zusammen mit seiner Familie nach einem Wahlkampfauftritt im Jahr 2008 zu sehen ist (vgl. Kap. 6), wurde viel und allgemein über Farben und deren gesellschaftliche Bedeutung spekuliert und gesprochen – über das Rot, über das Blau und über deren vielfältige Schattierungen.

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Notes

  1. 1.

    Auf die verschiedenen Nuancen des ‚Schwarz‘ der abgebildeten Personen wird hier nicht eingegangen, obwohl dies gewiss von Bedeutung ist, sondern nur auf den Umstand, dass die Hautfarbe erkennbar ‚schwarz‘ ist.

  2. 2.

    Man muss nicht besonders intensiv danach fahnden, um zu bemerken, dass nicht nur nicht die Hautfarbe der abgebildeten Personen mit Schweigen belegt wurde, sondern auch deren Attraktivität, deren Körperlichkeit und auch der Umstand, dass die Abgebildeten nicht nur eine Familie darstellen und inszenieren, sondern auch eine sexuelle Paarbeziehung. Meine Versuche, das Schweigen der Gruppe gegenüber der Hautfarbe zu verstehen, beziehen sich deshalb inhaltlich auch auf das Schweigen gegenüber den anderen hier genannten Merkmalen.

  3. 3.

    Die gleiche Frage stellt sich natürlich auch für meine eigene Interpretation des Fotos. Da ich hier jedoch nicht die Selbstreflexion sehr weit treiben möchte bzw. mich nicht so weit in das verminte Feld des Sprechens über Menschen mit anderer Hautfarbe hinein wage, belasse ich es dabei, das Handeln der Gruppenmitglieder zu bedenken – zu denen ich natürlich auch selbst gehörte.

  4. 4.

    Da es hier nicht um das Problem von Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe geht, sondern um die Interpretationspraxis einer Interpretationsgruppe, wird hier nicht auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen.

  5. 5.

    Dieses vermeintliche Tilgen von realen Unterschieden durch das sprachliche Verschweigen von Unterschieden findet sich nicht nur in der Wissenschaft, aber auch da. Und es betrifft nicht nur die Hautfarbe, sondern kann sich an jedem anderen Merkmal festmachen.

  6. 6.

    Natürlich kann man versuchen, diese blinden Flecke durch systematische Fragestrategien, bewusste Kontrastbildungen etc. zu vermeiden. Die strikte Sequenzanalyse ist ebenfalls hierfür ein gutes Mittel. Doch sind solchen Strategien immer auch Grenzen gesetzt. Denn was man nicht sehen will, darüber kann man auch nicht sprechen.

  7. 7.

    Diese Lesart wäre (wenn sie dann zuträfe) allerdings auch erklärungsbedürftig, weil die meisten Mitglieder der Interpretationsgruppe teils langjährige Erfahrungen damit haben, Daten zu interpretieren, die sich im Feld des politisch korrekten Sprachgebrauchs befinden.

  8. 8.

    Wie sehr die Thematisierung von Hautfarbe (auch in Deutschland) im Bezirk der politisch korrekten Kommunikation liegt, zeigt ein politisches Ereignis, das im Februar 2013 die Medien und die Öffentlichkeit bewegte. Die FDP hatte bei den Wahlen in Niedersachen am 20. Januar 2013 recht gut abgeschnitten, was auch zur Folge hatte, dass Rainer Brüderle den geplanten Sturz des FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler auf eine spätere Gelegenheit verschieben musste. Rainer Brüderle geriet wenige Tage später in das Feld der politisch korrekten Kommunikation, als der Stern enthüllte, dass Brüderle einer der alten Männer der FDP mit dem Hang zum anzüglichen Herrenwitz ist. Diese Enthüllung (aus der Sicht Röslers gut ge timet) brachte nicht nur Rainer Brüderle ins politische Abseits (und damit wahrscheinlich das Ende seiner Ambitionen auf den Parteivorsitz), sondern auch die FDP ins Zwielicht des politisch Inkorrekten. In einer solchen Situation muss es (aus Sicht Röslers) als geradezu ‚galant‘ angesehen werden, als der Integrationsbeauftragte der FDP, der hessische FDP-Chef und Justizminister Jörg-Uwe Hahn, öffentlich darüber nachdachte, „ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren“ (www.fr-online.de/meinung/roeslers--asiatisches-aussehen--eine-entschuldigung-ist-ueberfaellig--herr-hahn-,1472602,21683632.html). Damit rückte er den umstrittenen Parteivorsitzenden Rösler objektiv in die Nähe von Barack Obama. In Amerika wurde nämlich vor der Wiederwahl Obamas diskutiert, ob die Amerikaner bereit seien, einen Präsidenten mit schwarzer Hautfarbe auch noch länger zu akzeptieren. Aus dieser Sicht hat Hahn nur scheinbar Ressentiments geschürt. Objektiv hat er die doppelbödige Debatte um die Herkunft von Rösler eröffnet und die echte damit beendet.

    Dieses (aus meiner Sicht durchaus strategische und auch mit Rösler abgesprochene) laute und keineswegs despektierlich gemeinte Nachdenken über die Hautfarbe und die Augenform des FDP-Parteivorsitzenden löste eine hitzige öffentliche Debatte über den offenen und vor allem auch „unterschwelligen“ Rassismus in Deutschland aus, der an diesen Worten erkennbar sei (vgl. WAZ vom 8. Feb. 2013). Philipp Rösler, der sich vor Herrn Hahn stellte, brachte diese Debatte deutliche Rückendeckung im Kampf um den Parteivorsitz ein und der FDP den Ruf, (bei aller Vorliebe für den Herrenwitz) keine Ressentiments gegenüber der Hautfarbe anderer Menschen zu haben – hat sie doch einen asiatisch aussehenden Menschen zu Parteivorsitzenden gekürt. Und jeder, der dieser Wahl des Vorsitzenden in Frage stellt, muss sich fragen lassen, ob dieser Zweifel im Kern nicht doch ressentimentbeladen ist.

    An dieser öffentlichen Debatte lässt sich nicht nur für Soziologen/innen erkennen, wie man den Diskurs um das politisch Korrekte für bestimmte eigene Ziele instrumentalisieren kann, sondern zudem, dass auch in Deutschland (noch) jede Thematisierung der schwarzen oder einer anderen Hautfarbe als potenziell ‚diskriminierend‘ und somit auch als rassistisch gewertet werden kann.

  9. 9.

    ‚Hussein‘ ist ein in der schiitischen Tradition oft benutzter Vorname. Er bedeutet ‚der Gute‘ und bezieht sich auf den Enkel des Propheten Mohammed. Auch der Name ‚Barack‘ (der Erleuchtete‘) reicht weit in die arabische, aber auch die jüdische Tradition hinein. Letzteres nutzt Obama gelegentlich, um auch auf jüdische Traditionslinien hinzuweisen.

  10. 10.

    Diese symbolische Überlagerung des Schwarzen hat wohl auch im Jahr 2007 bei einem Treffen der National Association of Black Journalists zu der Frage an Obama geführt, „ob er für schwarze Wähler schwarz genug“ sei. Darauf antwortete Obama: „Die Frage sei verfehlt und decke nur auf, dass wir immer noch in der Stimmung sind, dass, wenn man für Weiße ansprechbar ist, mit einem etwas nicht stimmen könne.“ (vgl. www.de.wikipedia.org/wiki/Ba-rack_Obama – zuletzt abgerufen am 18.Feb. 2013).

  11. 11.

    Die Thema wird im Boulevard unter den Stichwort ‚Niedergang der Weißen‘ gehandelt.

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© 2013 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Reichertz, J. (2013). Farbenblind?. In: Gemeinsam interpretieren. Qualitative Sozialforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02534-2_8

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