Pathologische Neurophysiologie Abnorme Verhaltensweisen von Früh- und Neugeborenen

Zusammenfassung

In den letzten Jahren ist die große Zahl der Reflexe und Bewegungsautomatismen des Neugeborenen einer neurologischen Diagnostik dienstbar gemacht worden. Die Erstbeschreiber der Neugeborenenreflexe sahen in ihnen eher neurophysiologisch, onto- oder phylogenetisch interessante Phänomene, für eine neurologische Diagnostik wurden sie selbst in den Händen Erfahrener nur ausnahmsweise, z. B. bei schweren Mißbildungen, benutzt. Und auch dann überwog das neurophysiologische Interesse gegenüber dem klinisch-neurologischen. Die einzelnen Reflexe sind auch für eine neurologische Diagnostik im klassischen, also topischen Sinn, nur sehr bedingt brauchbar. Das Fehlen z. B. des Moro-Reflexes kann viele und zwar ganz verschiedene Ursachen haben. Bei Kindern mit Mißbildungen im Hirnstammbereich, mit hohem spinalen Querschnittssyndrom kann er ebenso fehlen wie bei Neugeborenen mit schwerem Icterus gravis, mit allgemeiner Hypoxie bei Herzfehlern wie bei doppelseitiger Plexuslähmung. Außerdem können die Bewegungsautomatismen bei abnormen Kindern heute fehlen und morgen gut auslösbar sein. Ihr diagnostischer Wert scheint also zunächst nicht groß zu sein. Nachuntersuchungen haben gezeigt, daß aus dem vorübergehenden Fehlen einzelner Reflexe kaum prognostische Schlüsse gezogen werden können (2552, 2972, 1004). Allerdings fanden wir bei schwergeschädigten und später abnormen Kindern häufiger als normal Abweichungen bei den Bewegungsautomatismen und Reflexen in der Neugeborenenperiode (3725).