Zusammenfassung
Jahrzehntelang, bis nach den Olympischen Spielen in Seoul 1988, hatten die Vertreter der Ostblock-Länder, Aktive wie Funktionäre, ihr systematisches Anabolikadoping vor der Welt und ihrer eigenen Bevölkerung erfolgreich verborgen. Die einzige bemerkenswerte Ausnahme von Ehrlichkeit war ein Bericht des ungarischen Sportmediziners Dr. Zoltan Torma vom Nationalen Zentrum für Körperkultur und Sport in Budapest im Jahre 1985 — seltsamerweise in der angesehenen Literatur-Wochenzeitschrift Elet es Irodalom (Leben und Literatur), der kurz danach auch in der britischen Wissenschaftszeitschrift Nature (8. 8. 1985, Band 316, Seite 479) wiedergegeben und besprochen wurde. Dr. Torma gab offen zu, daß in der Volksrepublik Ungarn viele Spitzensportler systematisch mit anabolen Steroiden gedopt würden, und er verteidigte das mit dem häufig gehörten, aber bewiesenermaßen falschen Argument, nur so würden Athleten daran gehindert, willkürlich hohe Mengen von Anabolika zu sich zu nehmen1. Bei der damals heftigen öffentlichen Diskussion in den ungarischen Medien wurde besonders auf das Paradoxon hingewiesen, daß Ungarn gleichzeitig Devisen-Etatmittel im Gesamtwert von etwa 400 000 DM pro Jahr für Dopingkontroll- und -bekämpfungsmaßnahmen ausgab. Torma und der Leitende Arzt des Sportministeriums, Dr. Istvan Kojtar, riefen öffentlich zu einer generellen Neubestimmung und schärfsten Kontrollen von Anabolika auf.
„Die bemerkenswerten Resultate des Leistungssports der DDR sind beileibe keine Wunder, und sie sind auch nicht dem Zufall zu danken. Diese Erfolge sind in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die Vorzüge unserer vorwärtsstrebenden sozialistischen Gesellschaftsordnung systematisch, zielstrebig und schöpferisch genutzt werden…. Wir hatten uns vorgenommen, alles, was uns, der Jugend von früher, im kapitalistischen Staat vorenthalten wurde, nunmehr gesetzlich zu gewährleisten. Das haben wir getan und noch einiges mehr…. Der Sport gibt unserer Jugend Gesundheit, Lebensfreude und Leistungsfähigkeit. Er hilft, ihre sozialistische Persönlichkeit und guten Charaktereigenschaften zu entwickeln. — Sport zu treiben ist heute für jedes Kind und für jeden Jugendlichen eine wichtige Aufgabe, ein schönes Erlebnis und wird zu einer Gewohnheit für das ganze Leben!“
(Walter Ulbricht, der Vorsitzende des DDR-Staatsrats, 1971, vor Sportlern, Trainern, Sportwissenschaftlern und Funktionären).
„Die Aggressivität, die die Dopingpillen vermitteln, hielt die zehn Tage bis zum Wettkampf an — aber auch zehn Nächte. Manchmal war’s kaum zum Aushalten. Diese Dinger waren gleichzeitig so potenzsteigernd, daß du plötzlich angefangen hast, zu onanieren, im Wald, kurz vor dem Training hinter der Schanze, auf der Toilette oder sonstwo. Es ist wahnsinnig, aber du mußt einfach…. Die Skilangläufer hatten’s gut. Dort fand immer ein reges Sexualleben statt…. Die Spitzenathleten wurden oft auch von ihren Trainern befriedigt“(Sportmediziner Hans-Georg Aschenbach, Olympiasieger 1976 und Weltmeister im Skispringen, über die Praxis des Anabolikadopings in der DDR, Sportinformationsdienst sid 25. 6. 1989).
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Berendonk, B. (1991). Versuche zur Wahrheit in Wendezeiten. In: Doping Dokumente. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-93484-1_5
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