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Festvortrag

Die Medizin: eine Natur- oder Sozialwissenschaft ? Bedingungen und Gefährdungen des ärztlichen Handelns in der Gegenwartsgesellschaft

  • Conference paper
Neunundsiebzigster Kongress

Part of the book series: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin ((VDGINNERE,volume 79))

  • 9 Accesses

Zusammenfassung

Heute die Frage nach dem Wissenschaftscharakter der modernen Medizin stellen, heißt, die Frage nach dem Verhältnis der Medizin zur gegenwärtigen Gesellschaft stellen. Es ist allseits anerkannt: die Medizin war und ist niemals gesellschaftsfrei gewesen. Ihr Ethos, vom Menschen körperliches und seelisches Leiden abzuwenden; ihre ärztlichen und pflegerischen Berufsstände mit ihrer hohen professionellen Selbstorganisation; ihre diagnostischen und therapeutischen Techniken, erprobt mit der Rationalität des naturwissenschaftlichen Experiments, angewendet von hochspezialisierten und straff geführten Klinikstäben, regional verbreitet durch ein individualisiertes System von Arztpraxen; schließlich ihre ausgreifenden Folgewirkungen für den Einzelnen mit seinen heute gesteigerten Lebens- und Glücksfähigkeiten wie für die Massengesellschaft mit ihrer heute regulierbaren Bevölkerungsdynamik und überlebensnotwendigen Sozialhygiene, alle diese Merkmale der Medizin in einer Industriegesellschaft zeigen, wie vielfach dieses schon in sich komplexe Gebilde in die Gesellschaft selbst verflochten ist.

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References

  1. Vgl. Approbationsordnung für Ärzte von 1970, Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 19722. — Beispielhaft für die Studienreform Fritz Hartmann und Manfred Pflanz: Klinisches und sozialwissenschaftliches Curriculum an der Medizinischen Hochschule Hannover (Hochschuldidaktische Materialien), Hamburg 1971. — Vgl. auch das Interview mit Thure von Uexküll: Ein neues Selbstverständnis der Medizin. In: Ärztliche Praxis Jg. XXV, Nr. 10, 3. 2. 1973, mit einem Leitartikel von ihm in gleicher Ausgabe.

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  2. Dazu mehr in meinem Aufsatz: Die Wirklichkeit der Industriegeseilschaft als Krankheitsfaktor. In: A. Mitscherlich u. a. (Hg.), Der Kranke in der modernen Gesellschaft, Köln u. Berlin 19713.

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  3. Helmut Schelsky: Die Bedeutung des Klassenbegriffs für die Analyse unserer Gesellschaft. In: Auf der Suche nach Wirklichkeit, Düsseldorf/Köln 1965.

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  5. Vgl. Gerhard Brandt: Industrialisierung, Modernisierung, gesellschaftliche Entwicklung. In: Zeitschrift für Soziologie 1, 5–14 (1972).

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  7. Sehr scharfsichtig für die sozialen Folgen des Widerspruchs von ‚Privat-und Kollektivkonsum ‘Jean Fourastié: Les 40000 Heures, Paris 1965, dt. Düsseldorf 1966.

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  9. Ob sich hier die Prognose Max Webers erfüllt, daß die kapitalistisch wie sozialistisch organisierte Industriegesellschaft in den Typus des spätantiken, vor allem im ptolemäischen Ägypten entwickelten Leiturgiestaates, eines starren Dienstleistungssystems mit staatlich zugeteilten Sozialleistungen und Soziallasten für berufsständisch organisierte Interessentenverbände, hineinläuft, könnte erst behandelt werden, wenn die politische und soziale Profilierungsmacht der neuen ‚Verteiler ‘bürokratie genauer untersucht würde. Vgl. jedenfalls M. Weber: Parlamant und Regierung im neugeordneten Deutschland. In: Politische Schriften, Tübingen 19582, und: Agrarverhältnisse im Altertum (Abschnitt: Grundlagen der Entwicklung in der Kaiserzeit). In: Gesammelte Aufsätze zur Sozial-und Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1924.

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  10. Vgl. Talcott Parsons: Definition von Gesundheit und Krankheit im Lichte der Wertbegriffe und der sozialen Struktur Amerikas, abgedr. im oben zit. Sammelband: Der Kranke in der modernen Gesellschaft; dazu auch die sorgfältigen Überlegungen von Wolfgang Schoene: Zur sozialen Funktion und zur soziologischen Problematik des Gesundheitsideals. In: Soziale Welt 14, 109–126 (1963).

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  11. Noch immer in sozialempirischer wie sozialmedizinischer Hinsicht sehr lesenswert Rudolf Virchow: Mitteilungen über die in Oberschlesien herrschende Typhus-Epidemie (1894) und: Die Not im Spessart. Eine medizinisch-geographisch-historische Skizze (1852), jetzt zusammengefaßt bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt 1968.

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  12. Ausführlichere Analysen und Verweise in meinem oben zit. Aufsatz in: Der Kranke in der modernen Gesellschaft, 19713.

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  13. Dazu die sehr nüchternen Beschreibungen von Karl Jaspers: Die Idee des Arztes, und: Arzt und Patient. In: Philosophie und Welt. Reden und Aufsätze, München 1958.

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  14. Franz Xaver Kaufmann: Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem, Stuttgart 1970, hat sehr detailliert das sozialpolitische Syndrom der „social security“ aus der amerikanischen Wirtschaftskrise der Dreißiger Jahre und seine Folgewirkungen für die europäischen Nachkriegsgesellschaften beschrieben.

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  15. Wie weit die Überlegungen nicht nur bei den Linkssozialisten, sondern bereits auch bei den Ärztepolitikern in der SPD (ASÄ) gediehen sind, kann man den Berichten über ihren Kongreß im Februar 1973 entnehmen, vgl. z. B. Selecta vom 26. 2. 1973 (Jg. 15, Nr. 9).

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  16. Vgl. die neueste medizinökologische und regionalpolitische Untersuchung für Nordrhein-Westfalen von Renate Krysmanski und Bernhard Schäfers: Planung und Interessen im Gesundheitswesen, Düsseldorf 1972.

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  17. Über ärztliches Handeln in Grenzsituationen vgl. die oben zitierten Vorträge von Karl Jaspers sowie die geschichtlich leider nicht überholte Zeitkritik: Die geistige Situation der Zeit, Berlin zuerst 1931, seit 1946 zahlreiche Neuauflagen in der Sammlung Göschen.

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  18. Mit dem geschärften Blick der Moderne arbeitet das an der Medizin des klassischen Griechenlands heraus Fritz Hartmann: Der ärztliche Auftrag, Göttingen 1956.

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  19. Vgl. die temperamentvolle Kritik an der sich anbahnenden „Sozialdiktatur“ und ihre Folgen für Arzt und Patient von M. Geiser: Der Aufstand der Ärzte. Ärztliche Kritik am Wohlfahrtsstaat. In: Neue Zürcher Zeitung vom 24. 3. 1973, Fernausgabe Nr. 81, Seite 29f.

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  20. Vgl. Karl Binding und Alfred Hoche: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, 1920; die von Alexander Mitscherlich und Fred Nielke gründlich belegte Wirkung dieses Buches: Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses, Heidelberg 1949 u. Frankfurt/Main 1960; auch den medizinethisch so wachsamen Vortrag des Pathologen Franz Büchner von 1941: Der Eid des Hippokrates. Die Grundgesetze der ärztlichen Ethik, Freiburg 1947. Die Befürchtung übrigens, daß in der heutigen Diskussion über die „Tötung auf Verlangen“ von Schwerkranken diese Vorgeschichte aus den Zwanziger Jahren und im Nationalsozialismus vergessen, von den Älteren schlicht verdrängt wird, wurde jüngst bestätigt durch eine Fernsehdiskussion in der von Emil Obermann geleiteten Sendung „Pro und Contra: Tod auf Verlangen“ (ARD, 12. 4. 1973, Abendprogramm) mit einer geradezu erschreckenden Problemindolenz der mitwirkenden, den Bevölkerungsquerschnitt (mit Telefonanschluß) repräsentierenden Laien.

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  21. Luigi Condorelii: Ethik und Methodologie der Medizin im Zeitalter der Technik. Brief an Professor Dr. Ernst Wollheim zu seinem 70. Geburtstag. In: Medizinische Welt, Jg. 21 (N. F.), Nr. 18, vom 2. 5.1970.

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Baier, H. (1973). Festvortrag. In: Neunundsiebzigster Kongress. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, vol 79. J.F. Bergmann-Verlag, Munich. https://doi.org/10.1007/978-3-642-47087-5_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-47087-5_1

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