Auszug
Wenn ein Verkäufer dieselbe Sache an zwei verschiedene1 Käufer verkauft, ergibt sich ein Interessengegensatz der beiden Käufer. Dieser Interessengegensatz der beiden Käufer ist ein geradezu zeitloses Problem des Kaufrechts.2 Obwohl der Doppelverkauf einen universellen Konfliktfall darstellt, wird die juristische Lösung doch durch wesentliche Eigenheiten der jeweiligen positiven Rechtsordnung bestimmt.3 Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie historische Vorgaben die Behandlung des Problems in der Geschichte des europäischen Kaufrechts beeinflusst haben.
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Literatur
Davon zu unterscheiden ist der Fall eines (irrtümlich) zweifachen Verkaufs zwischen denselben Parteien; s. dazu — für das deutsche Recht — W. Flume, Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 793.
Ein frühes Vorkommen schildert R. Haase, Fälle von Doppelverkauf in der hethitischen Rechtssatzung (§§ 146 bis 148), ZAR 11 (2005) 1 ff.
Für das deutsche Recht haben wir den Doppelverkauf umfassend behandelt unter dem Titel „Doppelverkauf — Ein Panorama“, in: S t. Lorenz/A. Trunk/H. Eidenmüller u.a. (Hrsg.), Festschrift für Andreas Heldrich, 2005, 113–142. Für andere Landesrechte s. R. Michaels, Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002, insb. S. 188 ff., sowie 147 f. (Österreich), 148 ff. (Frankreich); rechtsvergleichend außerdem A. Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, 381 ff. (bewegl. Sache), 488 ff. (Grundstück); aus öst. Sicht s. auch C. Bollenberger, Die Ersatzherausgabe, 1999, 108 f., 195 f., 237 ff., 337 ff., sowie Chr. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf, 2002, S. 298 ff. Im Wesentlichen brauchbar auch noch E. Klug, Ein Beitrag zur Lehre vom zweimaligen Verkauf der gleichen Sache im deutschen, schweizerischen, österreichischen und französischen Recht, 1934. Zum doppelten Grundstücksverkauf nach schweiz. Recht s. G. Clopath, Quelques problèmes relatifs à la double vente, spécialement en matière immoblilière, SJZ 66 (1970) 49 ff.; W. Wiegand, Festgabe Hans Marti, 1985, S. 11 ff.; S. Wol f/S. Zingg, Zivil-und notariatsrechtliche Aspekte des Doppelverkaufs von Grundstücken, in: E. Buche r et al. (Hrsg.), Norm und Wirkung = Festschrift W. Wiegand, 2005, 707 ff. — Für die Entwicklung der Doppelverkaufs-Dogmatik in der Rechtsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit ist jetzt auszugehen von: S. Sella-Geusen, Doppelverkauf. Zur Rechtsstellung des ersten Käufers im gelehrten Recht des Mittelalters, 1999; daneben bleibt bedeutsam J. E. Scholtens, Double Sales, SALJ 70 (1953) 22 ff., insb. auch zum. röm.-holl. Recht.
T. Repgen, Vertragstreue und Erfüllungszwang in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, 1994.
S. den deutschen Fall BGHZ 126, 131 (20.5.1994); zum vorzeitigen Deckungsverkauf s. auch U. Hube r, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 357 f.
Zu Doppelhandlungen des Vertreters und des Vertretenen nach deutschem Recht s. E. Riezler, AcP 98 (1906) 372 ff.
Zum folgenden s. (Auswahl): P. Apathy, actio Publiciana beim Doppelkauf, SZ RomAbt 99 (1982) 158 ff.; L. Vacca, Il c.d. duplex dominium e l’actio Publiciana, in: E. Cortese (ed.), La proprietà e le proprietà, Mailand 1988, 39 ff., 62 ff.; F. Wubbe, Pomp. D. 50,17,33 und so weiter, in: Iurisprudentia Universalis (= Festschrift f. T. Mayer-Maly), 2002, 911 ff.; M. García Garrido, Similitudines e interpretación jurisprudencial en un caso de venta a non domino de un fundo ajeno, in: Nozione, formazione e interpretazione del diritto. Ricerche dedicate al professore Filippo Gallo, Mailand 1997, S. 280 (mir nicht zugänglich).
D. 19.1.31.2 Ner 3 membr.; s. hierzu P. Apathy, actio Publiciana beim Doppelkauf, SZ RomAbt 99 (1982) Fn. 8, 175 ff.
Insoweit kann man sagen, der Satz prior tempore potior iure ergebe sich „rechtslogisch“ aus dem Satz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet; s. v. Staudinger/ W. Wiegand, Komm. BGB, Neubearbeitung 2002, § 1209, Rn. 1; J. Wilhelm, Sachenrecht, 3. Aufl. 2007, S. 251 (Rz 608).
actio Publiciana beim Doppelkauf, SZ RomAbt 99 (1982) Apathy, Fn. 8, 181.
S. den Überblick von G. Pugliese, Vendita e trasferimento di proprietà in diritto romano, in: L. Vacca (ed.), Vendita e trasferimento della proprietà nella prospettiva storico-comparatistica. Atti del Congresso Internazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990, vol. 1, 1991, 25 ff. Zum Traditionsprinzip s. auch N. Benke, Gedächtnisschrift Hofmeister, Wien 1996, 31 ff.
Der Eigentumserwerb des Käufers durch traditio erforderte nach I. 2.1.41 die Zahlung des Kaufpreises (oder doch dessen regelrechte Kreditierung); dazu statt aller R. Feenstra, Eigentumsvorbehalt und die Regel von Inst. 2.1.41 über das Verhältnis von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung, TR 58 (1990) 133 ff.
S. z.B. M. Kaser, Römisches Privatrecht, 2. Aufl. 1971, S. 393 f.
W. M. Gordon, Studies in the Transfer of Property by Traditio, 1970.
S. hierzu bereits Gordon, vorige Fn., S. 140 f.
Für die Frage, welcher Eigentumserwerb der frühere gewesen ist, erwog man eine Vermutung zugunsten desjenigen Käufers, der seinen Kaufvertrag früher abgeschlossen hatte; s. dazu Sella-Geusen, Fn. 3, S. 143 ff.
S. H. Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1, 1985, S. 304 ff. mit Nachweisen; seither vor allem E. Schrage, in: M. Ascheri/F. Ebel/M. Heckel et al. (Hrsg.), „Ins Wasser geworfen und Ozeane überquert“ — Festschrift für K. W. Nörr, 2003, S. 913 ff.
Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992.
S. z.B. A. Völkl, Ein Lösungsrecht im frühen Westgotenrecht? Ein Beitrag zum Ursprung des Lösungsrechts, TR 71 (2003) 41 ff.
Auch in der römisch-rechtlichen Tradition des ius commune sind schon vergleichbare Konflikte erörtert worden, weil derjenige, der vom Nichtberechtigten eine Sache übergeben erhalten hat, als sog. bonitarischer Eigentümer mit Rechtsschutz ausgestattet war.. S. zum Konflikt hinsichtlich der actio Publiciana bereits oben II.1. und wegen weiterer Einzelheiten Sella-Geusen, Fn. 3, S. 55 ff. u. öfter.
S. W. Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992, S. 251 ff.; Kindl, AcP 201 (2001) 391 ff., F. Hartung, Besitz und Sachherrschaft, 2001, 280 u. passim; S. Lohs se, Gutgläubiger Erwerb, mittelbarer Besitz und die Väter des BGB, AcP 206 (2006) 527 ff., alle jew. m. w. Nachw.
S. z.B. die Behandlung des Doppelverkaufs bei Covarruvias, Variarum Resolutionum lib. II cap. 19 no. 2 ff., Op. Omnia Genf 1734, II, S. 250 ff.
De Jure Naturae et Gentium lib. V cap. V sec. 5, ed. Frankfurt/Leipzig 1744, S. 738.
Ausführliche Erläuterungen der Pandecten, Bd. 17/1, 1815, S. 215, mit Nachw.
S. hierzu Protokolle Dresdner Kommission (zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Gesetzes über die Schuldverhältnisse), 1866, S. 949 ff., 4196 f.
Prot. 1. Komm., Folio, S. 461 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Allgemeiner Teil, 2. Teilbd., 1985, S. 1245 f.
Vorlage des Redaktors Gebhard, in: W. Schubert (Hrsg.), Vorlagen der Redaktoren für die Erste Kommission, Allg. Teil, Teil 2, 1981, S. 420 f.; daraus exzerpiert auch Motive I, S. 276 = Mugdan I, S. 506.
Hierzu — kritisch — S. Wolf /S. Zingg, Zivil-und notariatsrechtliche Aspekte des Doppelverkaufs von Grundstücken, in: E. Bucher et al. (Hrsg.), Norm und Wirkung = Festschrift W. Wiegand, 2005, 707 ff Fn. 3.
S. stattdessen Ernst, Fn. 3, S. 127 ff.
P. Landau, ‚Aequitas ‘in the ‚Corpus Iuris Canonici‘. In: A. M. Rabello (ed.), Aequitas and Equity: Equity in Civil Law and Mixed Jurisdictions. Second International Conference on Aequitas and Equity, Jerusalem 1997, 128 ff., auch in: Syracuse Journal of International Law and Commerce 20 (1994), 95 ff.
S. etwa Johannesab Imola, In secundum Decretalium Commentaria, ad X 2.24.28, ed. Venedig 1575, fol. 206 Rn 85; weitere Nachw. bei W. Endemann, Studien in der romanisch-kanonistischen Wirthschafts-und Rechtslehre, Bd. 2, 1883, S. 84 f.
Ad C. 7.75 (rubrica) Rz 1, super 7/8/9 Codicis, ed. Lyon 1545; S. 136v; aus der Lit. s. insb. H. Ankum, De Geschiedenis der „Actio Pauliana“, Zwolle 1962, S. 182–186; Sella-Geusen, o. Fn. 3, S. 185 ff.
S. etwa Pothier, Obligations no. 153; Oeuvres II, ed. Paris 1861, S. 72 f.
Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II cap. XII, XV no. 2, ed. de Kanter/van Hettinga-Tromp, 1939, ND 1993 (R. Feenstra ), S. 349.
S. H. Coing, Europäisches Privatrecht I, 1985, S. 175 f. m.w.N.; seither insb. Wesener, Festschrift Niederländer, 1991, 195 ff.
S. Sella-Geusen, Doppelverkauf, s. Fn. 3, S. 69 ff.
Hierzu zuletzt mit ausführlichem historischen Rückblick: U. Huber, Savigny und das sachenrechtliche Abstraktionsprinzip, in: A. Heldrich/ J. Prölss/ I. Koller (Hrsg.), Festschrift C.-W. Canaris, 2007, S. 471 ff.
S. Chr. Becker, AcP 196 (1996), 439 ff.
Für das deutsche Recht s. MünchKomm/G. Wagner, 4. Aufl., 2004, § 823 Rz 154 ff. m. zahlr. Nachw.; dazu R. Pletzer, Doppelveräußerung und Forderungseingriff, 2000. Aus schweizerischer Sicht F. Zulliger, Eingriffe Dritter in Forderungsrechte, Diss. Zürich 1988, S. 52 ff.
Einzelheiten bei Ghestin/Desché, La Vente, 1990, S. 223 ff. sowie bei Stadler, o. Fn. 2.
Zu D. 18.4.21 Paul 16 quaest als dem überlieferungsgeschichtlichen Sitz des Problems s. Schmidt-Ott, Pauli Quaestiones, 1993, 136 ff.; I. Reicha rd, Die Frage des Drittschadensersatzes, 1993, 77 ff.; Sel la-Geusen, o. Fn. 3, 36 ff.; sowie H. H. Jakobs, lucrum ex negotiatione, 1992.
Abhandlungen aus dem röm. Recht I, 1844, S. 59/71.
Beiträge zur Lehre von der Gefahr, Jherings Jahrb. 3 (1859), 450, 453; s. dazu U. Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989, S. 52 ff.; Jakobs, lucrum, Fn. 50, S. 61 ff., 69 ff.
Schweiz: E. Bucher, Obligationenrecht: Besonderer Teil, 3. Aufl., 1988, S. 80, mit der in etwa zutreffenden Lösung: Keiner der Käufer trägt die Gefahr, da nicht feststeht, wem der Verkäufer die Kaufsache zugewendet hätte; seither O. Corte se, Die Kaufpreisgefahr. Eine dogmatische Analyse des schweizerischen Rechts aus rechtshistorischer und rechtsvergleichender Sicht unter besonderer Berücksichtigung des Doppelverkaufs, Zürich (Diss. Iur.) 1996; Italien: T. Cuturi, Della Vendita, della Cessione e della Permuta, 2. ed. 1915, S. 222 f. Österreich: Rabl, Fn. 2, S. 298 ff. zugleich mit weiteren rechtsvergl. Ausblicken.
Nach Streichung des § 446 Abs. 2 BGB1900 kann das Problem im deutschen Recht noch beim Erbschaftskauf (§ 2380 BGB) und etwa auch dann auftreten, wenn mit einem der beiden Käufer ein Gefahrübergang allein aufgrund der Eigentumsverschaffung vertraglich vereinbart ist; s. zur Lösung auch Ernst, Rechtsmängelhaftung, 1995, S. 226 ff.
Wenn man den Satz mortuus redhibetur auch für das Rücktrittsrecht gelten lässt; s. Ernst, Sachmängelhaftung und Gefahrtragung, in: Th. Baums et al. (Hrsg.), Fs. U. Huber, 2006, 165, 213 ff.
Hierzu und zum folgenden s. die bereits Fn. 50 angeführte Lit.; dazu H. G. Ullrich, Doppelverkauf und stellvertretendes commodum, Diss. Bonn 1990.
Glosse propter negotiationem ad D. 18.4.21; dazu Sella-Geusen, Doppelverkauf, s. Fn. 3 a.E., S. 82 ff., Jakobs, lucrum, Fn. 50, S. 75 ff.
S. Sella-Geusen, Doppelverkauf, s. Fn. 3 a.E., S. 96 ff. (zu Odofredus), 214 ff. (zu Baldus).
S. MünchKomm/Emmerich, 5. Aufl. 2007, § 285 BGB Rz 19, 20 m.w.N.; seither T. Helms, Gewinnherausgabe als haftungsrechtliches Problem, 2007.
RGZ 138, 45, 48 (11.10.1932); für die Doppelvermietung jetzt einschränkend BGHZ 167, 312 u. dazu M. Lehmann, JZ 2007, 523 ff.
Zur Rechtslage in der Schweiz s. M. Nietlispach, Zur Gewinnherausgabe im schweizerischen Privatrecht, Diss. Zürich, Bern 1994, S. 438.
Mit guten Gründen kritisch hinsichtlich der anderen Fälle: J. Köndgen, RabelsZ 56 (1992) 742 ff.; in diese Richtung auch Herbert Roth, Festschrift Niederländer, 1991, 370 f., 374, 380 f.; jew. m.w.N.
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Ernst, W. (2008). Der zweifache Verkauf derselben Sache — Betrachtungen zu einem Rechtsproblem in seiner europäischen Überlieferung. In: Jakab, E., Ernst, W. (eds) Kaufen nach Römischem Recht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-71193-3_4
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