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Theoretischer Zugang

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Radikaler Antisemitismus

Zusammenfassung

Da ich mich in dieser Arbeit mit Semantiken beschäftige, möchte ich nun noch mein Verständnis des Begriffs erläutern und theoretisch einordnen. Der Begriff der Semantik wurde von Holz in die Antisemitismusforschung eingeführt (Holz 2001). Dies geschah, wie im Forschungsstandkapitel erläutert, insbesondere aus einer Entkopplung der Soziologie und der Antisemitismusforschung (Holz 2001; Bergmann 2004). Holz’ Studie ist der Versuch, die Antisemitismusforschung an die soziologische Theoriebildung und das, was in den Sozial- und Kulturwissenschaften als »kommunikative Wende« beschrieben wurde, anzubinden. Für die theoretischen Prämissen der Methodologie hat dies die Konsequenz, dass man sich auf Kommunikation anstatt auf Handlung bezieht. In der Holzschen Theorie geschieht dies mit der Fassung des Semantikbegriffs als Kombination von Systemtheorie und Begriffsgeschichte. Für diese Arbeit möchte ich an die zentralen Ergebnisse der Holzschen Studie anknüpfen und den Gedanken einer empirisch orientierten Rekonstruktion von Semantiken aufnehmen, jedoch einige Modifikationen vornehmen, welche die theoretische Einbettung des Semantikbegriffes und die daraus resultierenden Folgen für eine soziologische Theorie angehen.

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Notes

  1. 1.

    Damit setzt sich Luhmann von einer primär im linguistischen Diskurs verbreiteten Vorstellung von Semantik ab: »Die Wortwahl ›Semantik‹ ist nicht in jeder Beziehung glücklich. Wir schlie-ßen nicht an die Lehre von Zeichen und ihrer Referenz an, sondern an das, was man meint, wenn man von ›historisch-politischer Semantik› spricht. Vgl. etwa Reinhart Koselleck […]« (Luhmann 1993: 19). 78

  2. 2.

    Zur Kritik des Begriffs der »Intersubjektivität« vgl. Luhmann, 2005: S. 162-179. Primär zielt Luhmann auf eine Kritik des Habermasschen normativistischen Intersubjektivitätsbegriffes, während dem Lebensweltbegriff der Sozialphänomenologie schlicht eine Paradoxie unterstellt wird. Anstelle des Begriffs setzt er den der Kommunikation, die er bekanntlich als emergente, sich selbst realisierende Einheit konzeptionalisiert. Mit seiner Differenztheorie setzt er sich von Relationstheorien ab und handelt sich m. E. mit dieser Perspektive ein Defizit bei der Erklärung der Relata bzw. in seiner Theoriesprache der »strukturellen Kopplungen« ein.

  3. 3.

    Bei Luhmann wird der Zeichenbegriff durch den Formbegriff ersetzt (vgl. Luhmann 1997 I: 190 ff.).

  4. 4.

    Die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt ersetzt Luhmann durch die Unterscheidung zwischen System und Umwelt.

  5. 5.

    So werden Erleben und Handeln beispielsweise in der Luhmannschen Lesart nicht als Subjektleistungen, sondern als Unterscheidungs- und Zurechnungsleistungen von Sinnsystemen begriffen (vgl. Luhmann 1987: 124).

  6. 6.

    Opielkas Kritik zielt primär auf die Vernachlässigung der spezifischen Subjektivitätsstruktur und auf den Begriff der Reflexivität, welcher ihm zufolge nicht ohne Subjektivität gedacht werden kann, sowie daran anschließend auf das Luhmannsche Konzepts der Selbstreferentialität: »Das Erstaunliche menschlicher Subjektivität besteht in dieser strikten Selbigkeit von Erkennendem und Erkanntem sowie ihrer Relation« (Opielka 2004: 315). Bei Luhmanns Konzept der Selbstreferenz, auf die Luhmann sich in der Beschreibung von Reflexion (Kommunikation über Kommunikation, Reden über Reden etc.) bezieht (vgl. auch Luhmann 1995: 113), bestehe keine »strikte Selbigkeit, sondern lediglich eine Artgleichheit der Relate, und die Relation zwischen ihnen ist oftmals noch ein Drittes« (Opielka 2004: 315).

  7. 7.

    Wittgensteins philosophische Untersuchungen werden aus historischgenetischer Perspektive explizit als Grundlagenmanifest des so genannten »linguistic turn« hervorgehoben und ihr Verdienst in der »Einbindung der Praxis in den Prozeß der Verständigung« (Dux 2000: 144) gesehen.

  8. 8.

    Hier lässt sich erkennen, dass unter einem Begriff etwas anderes als unter einem Wort oder Alltagssprache und -semantik verstanden wird, sondern mit einem Begriff in etwa eine »gepflegte Semantik« aufgefasst wird.

  9. 9.

    Vgl. dazu auch bezogen auf den Antisemitismus Volkov 2000, zuerst 1990: 61.

  10. 10.

    Darauf hat allerdings schon Marx hingewiesen: »Die Gesellschaft besteht nicht aus Individuen, sondern drückt die Summe der Beziehungen, Verhältnisse aus, worin diese Individuen zueinander stehn« (MEW 42: 189).

  11. 11.

    Zum Prinzip der doppelten Strukturierung vgl. Giddens’ Strukturierungstheorie (1997).

  12. 12.

    Dux geht davon aus, dass sich die Subjekte selbst erst mit den Kompetenzen entwickeln.

  13. 13.

    Beobachtbar ist, dass der Antisemitismus in eine reaktive Strategie eingebettet ist, die in ein kausales Muster eingebettet ist. Die unerträglichen eigenen Zustände werden »den Juden« zugeschrieben und begründen die eigene Reaktion auf die Verhältnisse.

  14. 14.

    Das heißt beispielsweise, dass Regionen keine Grenzen des Systems der Wirtschaft, der Wissenschaft oder der Massenmedien sind.

  15. 15.

    Zur Kritik des Heitmeyerschen Desintegrationstheorems für den Bereich der Rechtsextremismusforschung kann hier eine aktuelle, auf Befragungen, Persönlichkeitstests und Gruppendiskussionen basierenden Studie zu rechtsextremen Einstellungen dienen (vgl. Decker/Rothe/Weißmann/Geißler/Brähler). Dort wird das Desintegrationstheorem Heitmeyers deshalb kritisiert, »weil der Begriff sowohl den psychischen Mechanismus vernachlässigt als auch den gesellschaftlich drohenden Zugriff bzw. ›Einschluß‹ eher verschleiert als ihn offenlegt« (ders.: 443). Desintegration beschreibt den Autoren zufolge nur einen Teil des Ausgrenzungsprozesses richtig, aber gerade nicht den sozialen Aspekt. Denn der allgemeine gesellschaftliche Anpassungsdruck sorge für eine Stigmatisierung derer, die diesem Druck nicht standhalten könnten (ders.: 442). Psychisch handle es sich um einen »Ausschluss, der die Aggression gegenüber dem Stigmatisierten legitimiert. Gesellschaftlich aber bedeutet Stigmatisierung aufgrund von real oder scheinbar abweichendem Verhalten in den meisten Fällen erhöhten Einschluß, da die Gemeinschaft bis hin zu staatlichen Stellen Zugriffsmöglichkeiten gewinnen […]« (ders.: 442). In diesem Sinne ist der Begriff der Desintegration, gekoppelt mit einem Verständnis von Exklusion, missverständlich. Luhmann wie auch Foucault beschrieben in unterschiedlicher Weise die Tendenz moderner Gesellschaften zur Vollinklusion (Luhmann 1999: 141 ff., Foucault 1994 und 2004).

  16. 16.

    Gerda Bohmann hat dies anhand des Islamismus, der den Antisemitismus als konstitutiven Bestandteil in sich trägt, mit einer historischgenetischen Rekonstruktion überzeugend gezeigt (Bohmann 2003).

  17. 17.

    Die Performativität von Sprache wurde in Bezug auf politische Sprechakte später elementar im postmodern-feministischen Diskurs diskutiert, vgl. besonders Butler 2006. Vgl. grundlegend zur Performanz von Sprache die Sprechakttheorie von Austin (1997, zuerst 1955) und Searle (1969) und zum aktuellen Stand des Performanzbegriffes auch Wirth 2002.

  18. 18.

    In den meisten sozialwissenschaftlichen Theorien ist die Strukturierung des Weltzugangs über die räumliche Dimension unstrittig. Die Luhmannsche Systemtheorie hingegen eliminiert die Raumdimension und ersetzt sie durch die Sachdimension (in Bezug auf Semantiken u. a. Luhmann 1993).

  19. 19.

    Auch wenn die Differenzierung Freund/Feind von Plessner und Baumann ebenso verwendet wird, stellen beide mit der Einsicht in die Zufälligkeit dessen, was als eigenes Kollektiv erscheint, die Möglichkeit der Relativierung von bestehenden Freund-Feind-Verhältnissen in Aussicht (vgl. dazu in Bezug auf Plessner auch Srubar 2007a.).

  20. 20.

    So beispielsweise auch Srubar: »Die Polyzentrik der auf den Menschen zentrierten Lebenswelt lässt dann die Spannung zwischen Vertrautem und Unvertrautem als Konkurrenz von gruppenbezogenen Sinnwelten erscheinen, also als ein Verhältnis von ›Freund und Feind‹« (Plessner 1981: S. 191 f., hier als 2003 im Literaturverzeichnis (Srubar: 300).

  21. 21.

    Gleiche Machtchancen haben sich, wie Dux gezeigt hat, nur sehr selten ausbilden können. Er weist darauf hin, dass dies gesamtgesellschaftlich nur unter den Bedingungen von Jäger-/Sammler-Gesellschaften möglich war. Die Chance, dass Macht zu Übermacht wird, ist also immens, weil sie einzig durch die genannten zwei Faktoren begrenzt werden kann (vgl. Dux 1997).

  22. 22.

    Im Unterschied dazu geht Habermas jedoch davon aus, dass Perlokutionen kein genuiner Bestandteil sprachlicher Äußerungen sind (u. a. Habermas 1984: 579).

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© 2013 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Globisch, C. (2013). Theoretischer Zugang. In: Radikaler Antisemitismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93156-2_4

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