Zusammenfassung
Das Konzept des Issues Managements wurde ursprünglich für die Wirtschaft entwickelt. Gesteigerte Skandalisierungsrisiken der Unternehmen führten zu der Einsicht, dass der Handlungsrahmen eines Unternehmens von übergeordneten und langfristigen Trends und Erwartungen seines öffentlichen Umfelds geprägt wird, deren Nichtbeachtung zu gravierenden Reputationseinbußen führen kann. Gelingt es umgekehrt dem Unternehmen, öffentliche Ansprüche rechtzeitig zu identifizieren und aktiv auf sie einzuwirken, kann es seine Strategie darauf ausrichten und Reputationschancen wahrnehmen. Issues Management soll also das öffentliche Umfeld systematisch beobachten, relevante Themen (Issues) herausfiltern und sie mit konkreten Maßnahmen im Sinne der Organisationsziele beeinflussen. Zum einen soll verhindert werden, dass bestimmte Themen der öffentlichen Kommunikation Reputationsverluste und/oder Beschränkungen von Handlungsspielräumen zur Folge haben. Zum anderen sollen aber auch positiv besetzte Issues verstärkt werden, d. h. Reputationschancen wahrgenommen und Handlungsoptionen genutzt werden.
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Notes
- 1.
Der Begriff des Kommunikationsereignisses wird hier synonym verwendet zum Begriff des Issues. Kommunikationsereignisse bestehen methodisch gesprochen aus Beiträgen öffentlicher Kommunikation, die in sachlicher, sozialer, zeitlicher und räumlicher Hinsicht dasselbe thematisieren. In der Zeitdimension werden spezifische Ereignisse oder Vorgänge zu einer laufenden Geschichte gefügt, die sich über kurze (z. B. Fußball-WM 2010) oder lange Zeit (z. B. Klimawandel) erstrecken kann. In der Sachdimension beziehen sich Kommunikationsereignisse auf spezifische Ereignisse (z. B. Tod Papst Johannes Paul II.), Vorgänge (z. B. Gesundheitsreform Schweiz) oder abstrakte Probleme (z. B. globale Finanz- und Wirtschaftskrise). In der Raumdimension fokussiert das Kommunikationsereignis auf einen bestimmten Geltungsraum (z. B. die Schweiz). Schließlich aktualisieren Kommunikationsereignisse in der Sozialdimension spezifische Akteursensembles (z. B. EU, OECD, EU-Kommission). Sofern solche Kommunikationsereignisse das Handlungsfeld einer Organisation, Institution oder eines Rollenträgers (Person) tangieren, wird im Rahmen des Issues Managements von strategischen Kommunikationsereignissen/Issues gesprochen (Eisenegger 2003, 2005, S. 136ff.).
- 2.
Als Leitmedien werden hier Medien mit hoher Eigenreputation und/oder hohem Beachtungsgrad definiert, die die Kommunikationsdynamik in einer bestimmten Medienarena maßgeblich prägen, indem sie eine Vorthematisierungs- (Pfetsch 1986, S. 209) und/oder Multiplikationsfunktion (Mathes und Pfetsch 1991, S. 35) übernehmen. Die Vorthematisierungsfunktion bemisst sich am Vermögen eines Mediums, erfolgreich neue Kommunikationsereignisse zu kreieren oder erneut zu lancieren. Die Multiplikationsfunktion wiederum bemisst sich an der Potenz eines Mediums, breitenwirksame Diffusionsprozesse anzustoßen, das heißt Kommunikationsereignisse auf den Agenden anderer Medien, Medienarenen, des Zielpublikums sowie der Teilsysteme Politik und Wirtschaft zu verankern und Anschlusskommunikation auszulösen.
- 3.
So lassen sich beispielsweise die Umweltsünden einer Organisation leichter skandalisieren, wenn die Umweltproblematik bereits stark auf der Medienagenda verankert ist. Insbesondere Schlüsselereignisse (Brosius und Eps 1993) haben die Kraft, wirkmächtige neue Frames einzuziehen. So haben die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York der Problemwahrnehmung einer islamistischen Terrorgefahr im Westen massiven Aufschub verschafft.
- 4.
Dieses von der Firma commsLAB zusammen mit dem Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög/Universität Zürich) entwickelte und in dieser Form neuartige Analyseinstrument erlaubt bei langen Zeitreihen einen aufschlussreichen Blick auf die langfristige Reputationsentwicklung von politischen oder wirtschaftlichen Organisationen und Akteuren.
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Eisenegger, M., Künstle, D. (2014). Issues- und Reputationsmonitoring. In: Scholten, H., Kamps, K. (eds) Abstimmungskampagnen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93123-4_20
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