Zusammenfassung
Empirische Untersuchungen zur Gewissensfunktion und zur Gewissensbildung im pädagogischen wie im psychotherapeutischen Prozess sind und bleiben auch nach den vorangehenden Kapiteln ein Desiderat erster Güte angesichts einer radikal individualisierten und privatisierten Kultur des Handelns, wie sie die globale postindustrielle Wirklichkeit inauguriert. Als Fazit der vorliegenden Arbeit kann gesagt werden, dass der Gewissensarbeit im Horizont des therapeutischen Prozesses eine ebenso wichtige wie vernachlässigte Rolle im Interesse der personalen Autonomie des Klienten zukommt. Die dargelegten Inhalte haben die Bedeutung der Gewissensfunktion für das menschliche Verhalten und Handeln gerade in einem individualisierten und zugleich konnektivierten gesellschaftlichen Umfeld betont und für den psychotherapeutischen Arbeitsprozess dargestellt und begründet. Autonomie und Relationalität im Zeichen der Personalität des Menschseins sind dabei gleichermaßen gewissensgesteuerte menschliche Bewusstseinszustände mit bedeutender Alltagsrelevanz für das Individuum in den Bezügen seiner Lebenswelt. Hier knüpfen sämtliche praktisch-ethische Überlegungen an. Nicht mehr kollektivierte und standardisierte Normen, sondern in zunehmendem Masse individuelle Legitimationskonstrukte, privatistische Ansprüche und Beteiligungsforderungen, strategische Durchsetzung von partikularen Interessen und Wahrung mehrheitlicher Rechte prägen in der Gegenwart die gesellschaftliche Großwetterlage in Sachen Ethik. Das individuelle Werthandeln bewegt sich dabei praktisch zwischen allgemeinen Verhaltensregeln und privatistischen bzw. partikularen Ansprüchen. Die Frage nach der jeweils konkreten Form einer systematischen Gewissensarbeit als Teil des öffentlichen oder privaten Bildungsauftrags ist angesichts weitgehender normativer Souveränität des Einzelnen eine brisant-dringlich aber gerade um des Individuums in seiner globalen Vereinzelung willen eine notwendige. Personale Autonomie und Relationalität im Zeitalter der medialen Massenbeeinflussung erweisen sich (aus unserer Sicht) als ein in letzter Konsequenz nur durch gezielte Gewissensarbeit zu schaffendes und zu bewahrendes Gut. Sie (die Gewissensarbeit) ist es, die das einzelne Individuum zu jener Wertorientierung befähigt, welche zur Wahrung eigener Entscheidungsmöglichkeiten sowie vom gesellschaftlichen und ideologischen Druck unabhängiger Ansichten unverzichtbar ist.
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Mahler, R. (2009). Fazit und Ausblick. In: Gewissen und Gewissensbildung in der Psychotherapie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91667-5_10
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