Auszug
Im Brennpunkt des von Wilhelm von Humboldt formulierten Bildungsideals steht das Individuum, die Entwicklung der Persönlichkeit des Einzelnen. Diese jedoch wird notwendig in die soziale Allgemeinheit eines neuhumanistischen Bildungsbegriffs einbettet: „Was dem Wesen des Menschen gemäß ist, darf rechtens keinem Menschen vorenthalten bleiben. Das ist — aus heutiger Sicht formuliert — der emanzipatorische Gehalt des Humboldtschen Begriffs von (allgemeiner) Bildung“ (Heymann 1996, 39). Bisweilen scheint es, als sei die emanzipatorische Kraft der Bildung lange erloschen. So ist in der „pädagogischen Diskussion der letzten Jahrzehnte von verschiedenen Positionen aus in Zweifel gezogen worden, ob der Bildungsbegriff noch oder wieder als zentrale Ziel- und Orientierungskategorie pädagogischer Bemühungen verwendet werden könne“ (Klafki 1985, 43), dass Bildung also heutzutage überhaupt noch ein tragfähiger Leitbegriff sei, wenn es gilt, über Ziele und Wege auch schulischen Lernens nachzudenken. Ende des 18. Jahrhunderts war die orientierende Kraft des Bildungsbegriffs für dieses Nachdenken überaus stark, und der Bildungs begriff in seiner Auslegung als allgemeine Bildung wurde zu einem Zentralbegriff pädagogischer Reflexion. „Die Pädagogik der Aufklärung löste den Begriff aus überkommenen theologischen und mystischen Zusammenhängen und machte ihn zu einem Schlüsselwort für den bürgerlichen Emanzipationsprozess“ (Klemm/Rolff/Tillmann 1985, 161). Bildung sollte Bildung für alle sein, nicht nur für die geistige Elite und insofern allgemeine Bildung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts aber verfiel der Begriff zu einem „Vehikel der sozialen Abschließung des erstarkten Bürgertums gegenüber den ‚niederen Volksklassen‘“ (ebd., 162).
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Literatur
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Rohlfs, C., Harring, M., Palentien, C. (2008). Bildung, Kompetenz, Kompetenz-Bildung — eine Einführung in die Thematik. In: Rohlfs, C., Harring, M., Palentien, C. (eds) Kompetenz-Bildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90909-7_1
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