Auszug
Seit 1989 hat sich laut einer Unicef Studie (2005) die Zahl der in Armut lebenden Kinder in West-Deutschland verdoppelt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband veröffentlichte aktuelle Zahlen, nach denen jedes 7. Kind unter 15 Jahren in Armut lebt, regionale Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland sind erheblich (vgl. Martens 2005). Allein seit Einführung der Hartz IV- Reform wird ein Anstieg von 965.000 Kindern auf 1,5 Millionen Kinder verzeichnet. Als arm gilt eine Familie in Deutschland dann, wenn sie mit weniger als 60% bzw. 50% des durchschnittlich verfügbaren Einkommens auskommen muss (sog. relative Armut). Ein besonders hohes Risiko, von Armut betroffen zu sein, haben Kinder nicht-deutscher Herkunft, Kinder von Alleinerziehenden, Kinder von Arbeitslosen, Kinder aus kinderreichen Familien und Kinder mit Eltern eines niedrigen Bildungshintergrunds. Kinderarmut — dies zeigt auch die rege Diskussion in der Presse — ist in Deutschland zu einem erheblichen gesellschaftspolitischen Problem geworden. Da die Probleme der Kinderarmut und der Bildungschancen sehr eng zusammen hängen, stellt sich auch für die Schulpädagogik die Aufgabe, Kinderarmut in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken — und zwar Armut in seiner Mehrdimensionalität von ökonomischer, kultureller und sozialer Unterversorgung. Gerade die Bedeutung des ökonomischen Kapitals wird aber nach meiner Einschätzung im schulischen Kontext häufig vernachlässigt oder unterschätzt. Im Folgenden gehe ich der Frage nach, welche theoretischen und empirischen Anknüpfungspunkte es für eine stärkere Berücksichtigung der mit Kinderarmut zusammenhängenden Fragen in der Schulpädagogik gibt, um dann am Beispiel erster Ergebnisse aus einem eigenen qualitativen Forschungsprojekt vorzustellen, wie die Herstellungsprozesse von Bildungsungleichheit von Armut betroffener Kinder in der Schule konkret aussehen können.
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Literatur
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Miller, S. (2006). Heterogene Lerngruppen aus grundschulpädagogischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung von Kindern in Armutslagen. In: Hinz, R., Schumacher, B. (eds) Auf den Anfang kommt es an. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90429-0_13
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