Zusammenfassung
Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts befindet sich die deutsche Hochschullandschaft im Umbruch. Herkömmliche, vertraute Studiengänge, insbes. das Diplom, verschwinden, neue Studiengänge wie Bachelor und Master werden eingerichtet. Internationalität und Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraums sind die politischen Stichworte, welche diese Praxis bestimmen.
Die hier erweiterte Fassung des Vortrags im Rahmen der Jahresversammlung der René-König-Gesellschaft bezog sich vor allem auf die Kontroversen zwischen René König und Helmut Schelsky, folglich ist die sog. „Frankfurter Schule“ nicht berücksichtigt. — Otthein Rammstedt stellte mir Aufsätze und Dokumente, insbes. Schelskys unveröffentlichtes Manuskript Grundsätzliche Vorüberlegungen zum Studiengang für Soziologie an der Universität Bielefeld zur Verfügung. Heine von Alemann und Herbert Sallen erteilten mir Informationen zu König. Hansjürgen Daheim hat den vorliegenden Text kritisch gelesen. Allen gilt mein herzlicher Dank. Schelsky, Grundsätzliche Vorüberlegungen zum Studiengang für Soziologie an der Universität Bielefeld (unv. Dokument XXXXII vom 05.08.1968; Handexemplar Rammstedt).
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Literatur
Rainer Lepsius, Die Entwicklung der Soziologie nach dem Zweiten Weltkrieg. 1945 bis 1947. In: Günther Lüschen (Hrsg.), Deutsche Soziologie seit 1945. (Sonderheft 21 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie). Opladen 1979, S. 65.
Die Pädagogischen Hochschulen sind dabei nicht einbezogen.
Rolf Klima, Die Entwicklung der soziologischen Lehre an den westdeutschen Universitäten. In: Günther Lüschen (Hrsg.), Deutsche Soziologie seit 1945, a.a.O., S. 229–233.
Lepsius, Die Soziologie in der Zwischenkriegszeit. In: Ders. (Hrsg.), Soziologie in Deutschland und in Österreich. 1918 bis 1945 (Sonderheft 23 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie). Opladen 1981, S. 17.
Vgl. die autobiographischen Darstellungen dieser Generationen in den Sammelbänden: Christian Fleck (Hrsg.), Wege zur Soziologie nach 1945. Biographische Notizen. Opladen 1996; Karl Martin Bolte und Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Soziologie als Beruf. Erinnerungen westdeutscher Hochschulprofessoren der Nachkriegsgeneration. Baden-Baden 1998; Heinz Sahner (Hrsg.), Soziologie als angewandte Aufklärung. Weniger als erwartet, aber mehr als zu befürchten war. Die Entwicklung der Nachkriegssoziologie aus der Sicht der frühen Fachvertreter. Baden-Baden 2000.
Vgl. dazu die Briefwechsel zwischen König und Schelsky, Horkheimer sowie Adorno (René König, Briefwechsel, Bd. 1 (René König Schriften Bd. 19). Hrsg. von Mario und Oliver König. Opladen 2000.).
„Soziologische Theorie ebenso wie methodisch gesicherte Sozialforschung waren für uns ein Symbol ebenso wie ein Instrument der gesellschaftlichen und politischen Transformation Deutschlands (Dietrich Rüschemeyer, In hindsight-through a glass darkly. In: Christian Fleck (Hrsg.), Fleck (Hrsg.), Wege zur Soziologie nach 1945, a.a.O., S. 333.).“
„Das Projekt Soziologie war deshalb für uns in erster Linie ein aufklärerisches Projekt, das aufs engste verbunden war mit der Absicht oder der Hoffnung, diese restaurative Phase der frühen Bundesrepublik zu überwinden“ (Burkhardt Lutz, Soziologie als Entdeckung. Sahner (Hrsg.), Soziologie als angewandte Aufklärung,a.a.O., S. 39).
Schelsky, Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen. Opladen 1975, S. 299–363.
Dies betont Schelsky in seiner „Ortsbestimmung der deutschen Soziologie“: „Die fundamentale soziale Desorientiertheit ist ja in den Schichten der deutschen Bevölkerung, die als Publikum für die Soziologie in Betracht kamen, tiefer und weiter verbreitet als in der schicksalsdifferenzierten Soziologenschaft selbst; so wurden die Bemühungen der Empirischen Sozialforschung sehr bald von einem öffentlichen Interesse und einer Aktualität getragen, die ihrer wissenschaftlichen Bedeutung nicht immer angemessen waren ... Die Tatsache, dass die empirische Soziologie dem sozialen Lebensgefühl und Zeitbewusstsein der Westdeutschen in der Nachkriegszeit entgegenkam, dieses bestätigte und in vieler Hinsicht aussprach, darf für die Entwicklung dieser Forschungsrichtung nicht unterschätzt werden (Schelsky, Ortsbestimmung der deutschen Soziologie. Düsseldorf 1959, S. 57f.).“
Gerhard Storz, Begrüßung durch den Kultusminister des Landes Baden-Württemberg. In: Verhandlungen des 15. Deutschen Soziologentages. Max Weber und die Soziologie heute. Hrsg. von Otto Stammer. Tübingen 1965, S. 15.
Vgl. den Beschluss des Ausschusses für Hochschullehrer-und Studienfragen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zur Frage der Diplomprüfungen für Soziologie vom 23.10.1955, abgedruckt in: Joachim Matthes, Einführung in das Studium der Soziologie. Reinbek 1973, S. 252–255.
Die Entwicklung der Soziologie nach dem Zweiten Weltkrieg. 1945 bis 1947. In: Günther Lüschen (Hrsg.), Deutsche Soziologie seit 1945 (Sonderheft 21 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie). Opladen 1979, S. 65 Lepsius, Die Entwicklung der Soziologie nach dem Zweiten Weltkrieg, a.a.O.
König, Die Berufsmöglichkeiten des Soziologen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie XIV (1962), S. 286–314; ders. König, Das Lehren der Soziologie und seine Wandlungen. In: Atteslander, Peter und Roger Girod (Hrsg.), Soziologische Arbeiten I, Bern-Stuttgart 1966, S. 33–51; ders. König, Das Lehren der Soziologie in entwickelten und unterentwickelten Ländern In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie XVIII (1966), S. 638–670.
Vgl. Dahrendorf, Aspekte der deutschen Soziologie der Nachkriegszeit (1959), hier zit. nach ders. Dahrendorf, Pfade aus Utopia. Zur Theorie und Methode der Soziologie. München 1967, S. 124–126.
Ebenda.
König, Das Lehren der Soziologie in entwickelten und unterentwickelten Ländern, a.a.O., S. 642f.
Ein wichtiger Gesichtspunkt dabei war für König insbes. die Frage der verfügbaren Lehrkapazitäten: „So scheint es einerseits ein Glück zu sein, wenn ein Fach wie die Soziologie zu einem obligatorischen Nebenfach wird, ohne Prüfung; denn bei den 6.000 Studenten der Wi-So-Fakultät und bei den rund 800 Studenten, die heute in Köln im Haupt-oder Nebenfach oder aus Interesse Soziologie studieren, müsste man schon soziologische Schwergewichtsmeister mit olympischen Training anstellen, um der Prüfungsflut Herr zu werden. Darum auch — nebenbei — mein Mißtrauen gegenüber Tendenzen, die aus der Soziologie eines der obligatorischen Fächer der sozialwissenschaftlichen Grundausbildung mit Abschlussprüfung machen wollen Die Berufsmöglichkeiten des Soziologen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie XIV (1962) Der., Berufsmöglichkeiten für Soziologen a.a.O., S.287.) (Hervorh. V.K.).“.
Auskunft von Sallen in einem Telefongespräch vom 21.12.2004.
In diesem Sinne äußerte sich von Alemann in einem Telefongespräch vom 20.12.2004.
So Sallen im Telefongespräch vom 21.12.2004.
„Hauptfach neben den anderen traditionellen Sozialwissenschaften kann die Soziologie aber nur sein — wie jede andere akademische Wissenschaft —, wenn sie sich entschließt, nichts als Soziologie zu sein (König, Die Berufsmöglichkeiten für Soziologen. a.a.O., S. 288).“
Das Lehren der Soziologie in entwickelten und unterentwickelten Ländern. In: Atteslander Peter und Roger Girod (Hrsg.) Soziologische Arbeiten I Bern Stuttgart 1966 Ders. a.a.O. S. 638.
Ders., Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Autobiographie. Frankfurt/M. 19842, S. 218f.
Ebenda, S. 212.
Ebenda S. 212.
Die Berufsmöglichkeiten des Soziologen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie XIV (1962), S. 286–314 Ders., Berfusmöglichkeiten für Soziologien, a.a.O.
Das Lehren der Soziologie und seine Wandlungen. In: Atteslander, Peter und Roger Girod (Hrsg.), Soziologische Arbeiten I, Bern-Stuttgart 1966, S. 33–51; Ders., Das Lehren der Soziologie und seine Wandlungen, a. a.O.
In wichtigen Punkten ist eine Nähe Königs zur Lehrkonzeption-von Karl Mannheim (Die Geogenwartsaufgaben der Soziologie. Ihre Lehrgestalt. Tübingen 1932) unverkennbar. Auffällig ist insbes., dass beide neben der Allgemeinen Soziologie und den Speziellen Soziologien gesamtgesellschaftliche Strukturanalysen als dritten großen Schwerpunkt soziologischer Lehre fordern. Beide begründen dies mit der Notwendigkeit, dass Soziologie eine Orientierung in der Gegenwartssituation bieten muss.
„Im übrigen hat sich das [der Diplomvolkswirt sozialwissenschaftlicher Richtung (V.K.)] insofern bewährt, als unsere Absolventen niemals besondere Schwiegkeiten gefunden haben, Anstellungen zu bekommen (René König Schriften Bd. 19), Hrsg. von Mario und Oliver König. Opladen 2000.) Ders., Briefwechsel 1, a.a.O., S. 208).“
Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Autobiographie. Frankfurt/M. 19842., Leben im Widerspruch, a.a.O., S. 213.
Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Autobiographie. Frankfurt/M. 19842, Ebenda 207.
Ebenda, S. 214–216, vgl. auch ders., Vom Wesen der Deutschen Universität (René König Schriften, Bd. 2). Opladen 2000, S. 9.
Vgl. zu alledem Schelsky, Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der Deutschen Universität. Düsseldorf 19712; zusammenfassend Schelsky, krtsbestimmung der deutschen Soziologie. Düsseldorf 1959, a.a.O., S. 152–155.
Mikat, Paul und Schelsky, Grundzüge einer neuen Universität. Zur Planung einer Hochschulgründung in Ostwestfalen. Gütersloh 1967.
Korte, Hermann und Bernhard Schäfers, Helmut Schelskys Planung der „Theoretischen Univesität“ Bielefeld. Ein soziologisches Lehrstück. In: Kaufmann, Xaver und Rüdiger Korff (Hrsg.). Soziologie in Bielefeld. Ein Rückblick nach 25 Jahren. Bielefeld 1995, S. 52–59.
Otthein Rammstedt, Helmut Schelsky und die Fakultät für Soziologie. In: Kaufmann und Korff (Hrsg.), Soziologie in Beielefeld, a.a.O.
Schelsky, Grundsätzliche Überlegungen zum Studiengang für Soziologie an der Universität Bielefeld, a.a.O. (Hervorh. im Original).
Ebenda.
Ebenda. S. 2.
Ebenda., S. 3.
Ebenda., S. 2.
Ebenda.
“In den letzten Jahren ist die Konzeption des soziologischen Ausbildungsganges vor allem durch die Emanzipation und Verselbständigung dieser Wissenschaftsund Ausbildungsrichtung von älteren und traditionelleren Ausbildungsgängen bestimmt worden; daher hat der Gesichtspunkt einer wissenschaftlichen Autonomie die Vorstellung und Bemühungen bei der Gestaltung dieser Ausbildung beherrscht. Demegegenüber erscheint es uns heute an der Zeit, das Verhältnis der Sozialwsissenchaften zu bestimmen, vor allem auf ihre Erkenntnisse bezogenen Bereiche der Praxis systematisch festzulegen und zu pflegen. Das bedeutet auf der einen Seite eine Aufnahme der beruflichen Ansprüche bestimmter Leistungsbereiche der Gesellschaft in die Ausbildung der Soziologen, auf der anderen Seite muss der Einfluss des wissenschaftlichen Fortschritts unserer Disziplinen auf die Praxis dieser Berufsbereiche systematischer gepflegt und verstärkt werden.“ (Ebenda.) — „Diese Forderung, dass bestimmte Bereiche der Praxisder sozialwissenschaftlichen Ausbildung spezifisch zugeordnet werden, macht bereits deutlich, dass eine solche verstärkte Berufsbezogenheit der sozialwissenschaftlichen Ausbildung nicht zu gewinnen ist, indem man den Studiengang als eine Mischung traditioneller Berufe (Ökonomie, Jurisprudenz und Soziologie) konzipiert, wie es z.B. bestimmte Vorstellungen des Studienganges für Sozialwirte im Auge hatten, sondern es ist nach denBereichen der sozialen Praxis zu frage, in denen eine sozialwissenschafltiche Ausbildung besondere Leistungschancen eröffnet, die durch andere akademische Berufsausbildung und Studiengänge nicht in gleicher Art und in gleichem Maße geboten werden können ...“ (Ebenda, Schelsky, Grundsätzliche Vorüberlegungen zum Studiengang für Sozioogie an der Universität Bielefeld (Hervorh. im Original). S. 3).
Ebenda.
Leben im Widerspurch, a.a.O., S. 216.
„Alte Universitäten, wie z.B. die in Köln, wurden dagegen in dieser Periode verdammt, für die anderen die schmutzige Arbeit zu machen, und verwandelten sich sowohl für Studenten wie für Professoren in wahre Arbeits-oder Pauk-Universitäten, was ebenfalls dem Sinn der Hochschulausbildung widerspricht (Ebenda, König, Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Autobiographie. Frankfurt/M 19842, S. 217).”
René König Schriften Bd. 19). Hrsg. von Mario und Oliver König. Opladen 2000). Ders., Briefwechsel I, a.a.O., S. 208.
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Kruse, V. (2006). Soziologie als universitäres Lehrfach — Konzeptionen und Kontroversen in den 1960er Jahren. In: Franke, B., Hammerich, K. (eds) Soziologie an deutschen Universitäten: Gestern — Heute — Morgen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90263-0_3
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