Skip to main content

Position beziehen. Artikulation und Agency als Konzepte der Kritik in der Migrationsforschung

  • Chapter
Migrationsforschung als Kritik?

Zusammenfassung

Migrantinnen und Migranten werden im gesellschaftlichen Diskurs zumeist als „kulturell Andere“ wahrgenommen, die sich anzupassen haben bzw. unter dem Stichwort „Integration“ in spezieller Weise gefördert und behandelt werden müssen (vgl. z. B. Mecheril/Rigelsky 2007).

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Gemeint ist jene Debatte, die 2010 nach dem Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch entbrannt ist und durch die Rede des Bundespräsidenten Wulff zum Tag der Deutschen Einheit 2010 sowie durch die Aussage der Union, Multikulti sei tot bzw. gescheitert, weiter angeheizt wurde.

  2. 2.

    Vgl. http://demokratie-statt-integration.kritnet.org (Recherchedatum: 26.11.2010); erschienen ist der Appell unter der Überschrift „Nein zur Ausgrenzung“ auf der Titelseite der tageszeitungam 01. Oktober 2010.

  3. 3.

    Die Überlegungen dieses Abschnittes habe ich an anderer Stelle bereits ausführlicher dargestellt (vgl. Spies 2009a; 2009b; 2010).

  4. 4.

    Eine leicht gekürzte Version des Artikels wurde später auch in dem von Hilal Sezgin herausgegebenen „Manifest der Vielen“ (2011) veröffentlicht.

  5. 5.

    Butler spricht in diesem Zusammenhang von diskursiver Performativität, die sie als „ständig wiederholende und zitierende Praxis“ definiert (Butler 1997: 22; vgl. auch Villa 2006: 227).

  6. 6.

    Ausführlicher zur Diskurstheorie von Laclau/Mouffe sowie zu deren Subjektbegriff (vgl. Spies 2009a; 2010: 126ff.).

  7. 7.

    Butler (1998: 51ff.) verweist jedoch über Althusser hinausgehend auch darauf, dass sich das Subjekt nicht immer umwenden muss, um als Subjekt konstituiert zu werden: „Akzeptiert man […] die Vorstellung, dass die sprachliche Konstituierung des Subjekts auch ohne das Wissen des Subjekts vonstatten gehen kann, wenn jemand gleichsam außer Hörweite konstituiert wird […], dann kann sich die Anrufung auch ohne das ,Umwenden’ vollziehen, also ohne daß irgend jemand erwidert: ,Hier bin ich!’“ (Butler 1998: 53f.)

  8. 8.

    Vgl. zu den Möglichkeiten der Handlungsmacht bei Hall: Spies 2009a; 2010: 137ff.

  9. 9.

    Hierauf verweist – mit Bezug auf Butler – auch Stefanie Graefe (2010: 292, Herv. im Orig.): „Eigensinnige Subjekte […] können sich zwar nicht entscheiden, nicht angerufen zu werden – wohl aber dafür, dem Ruf nicht in der erwarteten Weise zu folgen […].“ Kritische Handlungsfähigkeit bzw. Eigensinn existiere bei Butler daher „nicht trotz oder neben der Reichweite der Subjektivierungsmacht“, sondern begründe sich im Adressiertsein der Subjekte (Graefe 2010: 306).

  10. 10.

    Villa beschreibt, dass sich die Bilder und Geschichten über Tango immer von der Erfahrung, Tango auszuüben, unterschieden. Doch „[d]ie Kluft zwischen Diskurs und Erfahrung“ sei „einer der Hauptantriebe dafür, dass die Tango-Szene lebendig und dynamisch bleibt“ (Villa 2010b: 209).

  11. 11.

    Letztlich wird diese Form von Agency auch durch das Bild verdeutlicht, das über dem Artikel in der Print-Ausgabe der ZEIT prangt und gut ein Drittel der Seite einnimmt. Es zeigt Hilal Sezgin auf einem Eimer hockend inmitten ihrer Ziegen. „Typisch türkische Hirtin?“, fragt daher auch der Untertitel, löst jedoch sofort auf: „Nein, unsere Autorin mit ihren Tieren auf ihrem Hof in der Lüneburger Heide“.

  12. 12.

    So beschreibt Hall (1994: 29) z. B. „[d]ie verschiedenen Weisen, mit denen schwarze Menschen und schwarze Erfahrungen in den dominanten Repräsentationsregimes positioniert und unterworfen wurden“ als „Effekte einer gezielten Ausübung von kultureller Macht und Normalisierung“. Jedes Repräsentationsregime sei ein Machtregime, das durch Macht und Wissen geformt sei. Das Wissen sei dabei jedoch nicht (nur) äußerlich, sondern würde internalisiert: „Wir wurden durch jene Regimes nicht nur im Sinne von Saids ,Orientalism’ innerhalb der Wissenskategorie des Westens als unterschiedene und andere konstruiert. Vielmehr hatten sie die Macht, uns dazu zu bringen, dass wir uns selbst als ,Andere’ wahrnahmen und erfuhren.“ (Hall 1994: 29f., Hervorhebungen im Original)

  13. 13.

    So muss das (vorgeführte) „Scheitern“ Sezgins beim Einnehmen einer Position als „Muslimin“ sicherlich auch im Zusammenhang mit ihrer Position als „intellektuelle Migrantin“ und „Autorin der ZEIT“ gesehen werden. Sie verfügt über kulturelle und materielle Ressourcen, die es ihr ermöglichen, eine hybride Position einzunehmen und ihre eigene Stimme in den Diskurs einzubringen.

  14. 14.

    Ich danke Helma Lutz, Paul Mecheril, Oscar Thomas-Olalde, Claus Melter, Lisa Romaner, Susanne Arens und Anita Konrad für ihre hilfreichen Überarbeitungshinweise und Kommentare.

Literatur

  • Alkemeyer, Thomas /Villa, Paula-Irene (2010). Somatischer Eigensinn? Kritische Anmerkungen zu Diskurs- und Gouvernementalitätsforschung aus subjektivationstheoretischer und praxelogischer Perspektive, in: Angermüller, Johannes /van Dyk, Silke (Hg.): Diskursanalyse meets Gouvernementalitätsforschung: Perspektiven auf das Verhältnis von Subjekt, Sprache, Macht und Wissen, Frankfurt am Main/New York, 315–335.

    Google Scholar 

  • Althusser, Louis (1977). Ideologie und ideologische Staatsapparate, Hamburg/Westberlin.

    Google Scholar 

  • Barker, Chris /Galasiński, Dariusz (2001). Cultural studies and discourse analysis. A dialogue on language and identity, London.

    Google Scholar 

  • Boatcă, Manuela /Costa, Sérgio (2010). Postkoloniale Soziologie: ein Programm, in: Reuter, Julia / Villa, Paula-Irene (Hg.): Postkoloniale Soziologie. Empirische Befunde, theoretische Anschlüsse, politische Intervention, Bielefeld, 69–90.

    Google Scholar 

  • Butler, Judith (1997). Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt am Main.

    Google Scholar 

  • Butler, Judith (1998). Hass spricht. Zur Politik des Performativen, Berlin.

    Google Scholar 

  • Butler, Judith (2001). Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung, Frankfurt am Main.

    Google Scholar 

  • Denkler, Thorsten (2010). „Man kann den Kampf der Kulturen auch herbeireden“. Interview mit Rita Süssmuth, in: Süddeutsche Zeitung vom 05.11.2010, Internet: http://www.sueddeutsche.de/politik/rita-suessmuth-im-gespraech-man-kann-den-kampf-der-kulturen-auch-herbeireden-1.1019669 (Recherchedatum 23.11.2010)

  • Graefe, Stefanie (2010). Effekt, Stützpunkt, Überzähliges? Subjektivität zwischen hegemonialer Rationalität und Eigensinn, in: Angermüller, Johannes /van Dyk, Silke (Hg.): Diskursanalyse meets Gouvernementalitätsforschung: Perspektiven auf das Verhältnis von Subjekt, Sprache, Macht und Wissen, Frankfurt am Main/New York, 289–313.

    Google Scholar 

  • Gutiérrez Rodríguez, Encarnación (1999). Intellektuelle Migrantinnen – Subjektivitäten im Zeitalter von Globalisierung. Eine postkoloniale dekonstruktive Analyse von Biographien im Spannungsverhältnis von Ethnisierung und Vergeschlechtlichung, Opladen.

    Google Scholar 

  • Hall, Stuart (1994). Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2, Hamburg.

    Google Scholar 

  • Hall, Stuart (1995). Fantasy, Identity, Politics, in: Carter, Erica /Donald, James /Squires, Judith (Hg.): Cultural remix. Theories of politics and the popular, London, 63–69.

    Google Scholar 

  • Hall, Stuart (1996). Introduction: Who needs ‚identity‘?, in: Hall, Stuart /Du Gay, Paul (Hg.): Questions of cultural identity, London, 1–17.

    Google Scholar 

  • Hall, Stuart (1997). Minimal Selves, in: Gray, Ann /McGuigan, Jim (Hg.): Studying Culture. An Introductory Reader, London, 134–138.

    Google Scholar 

  • Hall, Stuart (2000). Postmoderne und Artikulation. Ein Interview mit Stuart Hall. Zusammengestellt von Lawrence Großberg, in: Hall, Stuart: Cultural Studies. Ein politisches Theorieprojekt. Ausgewählte Schriften 3, Hamburg, 52–77.

    Google Scholar 

  • Hess, Sabine /Linder, Andreas (1997). In between. Die antirassistische Bewegung und hybride Identitäten, in: iz3w 226, Dezember 1997, 36–39.

    Google Scholar 

  • Huxel, Katrin (2008). Ethnizität und Männlichkeitskonstruktion, in: Baur, Nina /Luedtke, Jens (Hg.): Die soziale Konstruktion von Männlichkeit. Hegemoniale und marginalisierte Männlichkeiten in Deutschland, Opladen/Farmington Hills, 61–78.

    Google Scholar 

  • Laclau, Ernesto (1990). New reflections on the revolution of our time, London.

    Google Scholar 

  • Laclau, Ernesto (2002). Macht und Repräsentation, in: Laclau, Ernesto: Emanzipation und Differenz, Wien, 125–149.

    Google Scholar 

  • Laclau, Ernesto /Mouffe, Chantal (2006). Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus, Wien.

    Google Scholar 

  • Lutz, Helma (2010). Biographieforschung im Lichte postkolonialer Theorien, in: Reuter, Julia /Villa, Paula-Irene (Hg.): Postkoloniale Soziologie. Empirische Befunde, theoretische Anschlüsse, politische Intervention, Bielefeld, 115–136.

    Google Scholar 

  • Lutz, Helma /Schwalgin, Susanne (2006). Globalisierte Biographien: Das Beispiel einer Haushaltsarbeiterin, in: Bukow, Wolf-Dietrich /Ottersbach, Markus /Tuider, Elisabeth /Yıldız, Erol (Hg.): Biographische Konstruktionen im multikulturellen Bildungsprozess. Individuelle Standortsicherung im globalisierten Alltag, Wiesbaden, 99–113.

    Google Scholar 

  • Mecheril, Paul (2003). Prekäre Verhältnisse. Über natio-ethno-kulturelle (Mehrfach –)Zugehörigkeiten, Münster.

    Google Scholar 

  • Mecheril, Paul (2006). Das un-mögliche Subjekt. Ein Blick durch die erkenntnispolitische Brille der Cultural Studies, in: Keupp, Heiner /Hohl, Joachim (Hg.): Subjektdiskurse im gesellschaftlichen Wandel. Zur Theorie des Subjekts in der Spätmoderne, Bielefeld, 119–141.

    Google Scholar 

  • Mecheril, Paul /Rigelsky, Bernhard (2007). Nationaler Notstand, Ausländerdispositiv und die Ausländerpädagogik, in: Riegel, Christine /Geisen, Thomas (Hg.): Jugend, Zugehörigkeit und Migration. Subjektpositionierung im Kontext von Jugendkultur, Ethnizitäts- und Geschlechterkonstruktionen, Wiesbaden, 61–80.

    Google Scholar 

  • Reuter, Julia /Villa, Paula-Irene (2010). Provincializing Soziologie. Postkoloniale Theorie als Herausforderung, in: Reuter, Julia /Villa, Paula-Irene (Hg.): Postkoloniale Soziologie. Empirische Befunde, theoretische Anschlüsse, politische Intervention, Bielefeld, 11–46.

    Google Scholar 

  • Reuter, Julia /Wieser, Matthias (2006). Postcolonial, gender und science studies als Herausforderung der Soziologie, in: Soziale Welt, 57, 177–191.

    Article  Google Scholar 

  • Sarrazin, Thilo (2010). Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen, München.

    Google Scholar 

  • Seidel, Eberhard (2010). Die Sehnsucht nach Homogenität, in: die tageszeitung vom 15.10.2010, 3.

    Google Scholar 

  • Sezgin, Hilal (2010). Deutschland schafft mich ab, in: Die Zeit vom 2. September 2010, 49, Internet: http://www.zeit.de/2010/36/Muslimifizierung (Recherchedatum 31.01.2011)

  • Sezgin, Hilal (Hg.) (2011). Manifest der Vielen. Deutschland erfindet sich neu, Berlin.

    Google Scholar 

  • Spies, Tina (2009a). Diskurs, Subjekt und Handlungsmacht. Zur Verknüpfung von Diskurs- und Biografieforschung mithilfe des Konzepts der Artikulation, in: Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research, 10(2), Art. 36, Internet: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0902369 (Recherchedatum 30.04.2009)

  • Spies, Tina (2009b). „…ich sag Ihnen jetzt mal was…“ Subjektpositionierungen unter dem Einfluss gesellschaftlicher Diskurse über Gewalt, Geschlecht und Ethnizität, in: Feministische Studien, 27. Jg.(1), 67–82.

    Google Scholar 

  • Spies, Tina (2010). Migration und Männlichkeit. Biographien junger Straffälliger im Diskurs, Bielefeld.

    Google Scholar 

  • Spies, Tina (2011). ‚Alte‘ Männlichkeiten und ‚neue‘ Ethnizitäten – Positionierungen junger Migranten in transnationalen Räumen, in: Gender. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Heft 1/2011, 65–80.

    Google Scholar 

  • Supik, Linda (2005). Dezentrierte Positionierung. Stuart Halls Konzept der Identitätspolitiken, Bielefeld.

    Google Scholar 

  • Villa, Paula-Irene (2003). Judith Butler, Frankfurt am Main.

    Google Scholar 

  • Villa, Paula-Irene (2005). Wer weiß was? Geschlechtersoziologische Überlegungen zum produktiven Scheitern konkreter Menschen bei der Subjektwerdung, in: Funder, María /Dörhöfer, Steffen / Rauch, Christian (Hg.): Jenseits der Geschlechterdifferenz? Geschlechterverhältnisse in der Informations- und Wissensgesellschaft, München/Mering, 39–57.

    Google Scholar 

  • Villa, Paula-Irene (2006). Scheitern – ein produktives Konzept zur Neuorientierung der Sozialisationsforschung? In: Bilden, Helga /Dausien, Bettina (Hg.): Sozialisation und Geschlecht. Theoretische und methodologische Aspekte, Opladen/Farmington Hills, 219–238.

    Google Scholar 

  • Villa, Paula-Irene (2009). „Das fühlt sich so anders an…“ Zum produktiven ‚Scheitern‘ des Transfers zwischen ästhetischen Diskursen und tänzerischen Praxen im Tango, in: Klein, Gabriele (Hg.): Tango in Translation – Tanz zwischen Medien, Kulturen, Kunst und Politik, Bielefeld, 105–122.

    Google Scholar 

  • Villa, Paula-Irene (2010a). Subjekte und ihre Körper. Kultursoziologische Überlegungen, in: Wohlrab- Sahr, Monika (Hg.): Kultursoziologie. Paradigmen – Methoden – Fragestellungen, Wiesbaden, 251–274.

    Google Scholar 

  • Villa, Paula-Irene (2010b). Verkörperung ist immer mehr. Intersektionalität, Subjektivierung und der Körper, in: Lutz, Helma /Herrera Vivar, María Teresa /Supik, Linda (Hg.): Fokus Intersektionalität. Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzeptes, Wiesbaden, 203–221.

    Google Scholar 

  • Winter, Rainer (2001). Die Kunst des Eigensinns. Cultural Studies als Kritik der Macht, Weilerswist.

    Google Scholar 

  • Wulff, Christian (2010). „Vielfalt schätzen – Zusammenhalt fördern“. Rede von Bundespräsident Christian Wulff zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 in Bremen, Internet: http://www.bundespraesident.de/Anlage/original_667187/Vielfalt-schaetzen-Zusammenhalt-foerdern.pdf (Recherchedatum 26.11.2010).

Download references

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2013 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Spies, T. (2013). Position beziehen. Artikulation und Agency als Konzepte der Kritik in der Migrationsforschung. In: Mecheril, P., Thomas-Olalde, O., Melter, C., Arens, S., Romaner, E. (eds) Migrationsforschung als Kritik?. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19145-4_9

Download citation

Publish with us

Policies and ethics