Zusammenfassung
Dieser Beitrag knüpft an die wissenschaftlichen Diskurse zur sprachlichen Gestaltung von Bildungssystemen in Migrationsgesellschaften an, wobei eine selten analysierte Institution Gegenstand der Betrachtung sein wird: die Hochschule bzw. Universität. Zahlreichen Forschungs- und Praxisprojekten geht es in erster Linie um die Frage, wie es an Schulen gelingen kann, an die sprachlichen Voraussetzungen der SchülerInnen (mit Migrationshintergrund) besser anzuknüpfen und deren Sprachkompetenzen im Deutschen so zu fördern, dass sie am monolingual deutschsprachigen Unterricht möglichst problemlos teilnehmen können.
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Notes
- 1.
Davon ausgenommen sind englischsprachige Studienangebote, die einer eigenen Analyse unterzogen werden müssten.
- 2.
Auf eine Darstellung von Zahlen von Studierenden mit Migrationshintergrund wird verzichtet, da sie für die vorgenommene Analyse irrelevant ist.
- 3.
Unter der Bezeichnung „Kinder/Jugendliche/Familien etc. mit Migrationshintergrund“ verstehe ich all jene Kinder, Jugendliche, Familien etc., die in der Migrationsgesellschaft als solche angesehen werden. Für den vorliegenden Beitrag ist irrelevant, welche Definition der Zuschreibung des Migrationshintergrunds zu Grunde gelegt wird. Im Folgenden wird auf sog. „BildungsinländerInnen“ (mit Migrationshintergrund wahrgenommene Kinder, Jugendliche, Studierende, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen bzw. aufgewachsen sind) fokussiert, sowie auf „BildungsausländerInnen“: neu, aus einem amtlich nicht deutschsprachigen Land migrierte Studierende, die Deutsch in der Regel erst kurz vor der Einreise als Fremdsprache gelernt haben. Zur Kritik der begrifflichen Zuschreibungen vgl. Castro Varela/Mecheril 2010.
- 4.
Der Versuch einer selbstreflexiven bzw. selbstkritischen Praxis als Lehrende führt immer wieder zur Frage, inwiefern es legitim ist, für und über die Studierenden zu sprechen; einer Praxis, die in der erziehungswissenschaftlichen Literatur mit dem Begriff „Paternalismus“ diskutiert wird. Zur Problematik des pädagogischen Paternalismus vgl. Zude 2010.
- 5.
Die Möglichkeiten, Diskriminierung durch die Studieneingangs- und -orientierungsphase STEOP zu minimieren, wurden mit Studierenden des Faches Germanistik in Lehrveranstaltungen des Wintersemesters 2011/12 diskutiert. Allerdings handelt es sich nicht um jene Studierende, die selbst an der STEOP teilnehmen, sodass die Distanz zu den durch die STEOP potentiell diskriminierungsgefährdeten Studierenden nur in sehr vermittelter Weise, nämlich in Form der kommunikativen Validierung zwischen den Mitgliedern der universitären Statusgruppen „Dozierende“ und „Studierende“ reduziert wurde. Teil des Systems ist es, dass die Studierenden der STEOP quasi in einer unübersichtlich großen und anonymen Masse „untergehen“ und unter derartigem Zeitdruck arbeiten müssen, dass es für die Dozierenden sowie die Studierenden weitgehend unmöglich ist, Gespräche zur Reflexion der Situation zu initiieren und zu führen.
- 6.
Auch Kinder von Eltern, die autochthonen Minderheiten angehören, müssen – sofern sie monolingual beschult werden – ähnlichen Herausforderungen begegnen wie Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund.
- 7.
Einen Über- und Einblick bieten die Publikationen der Reihe „FörMig-Edition“.
- 8.
Studierende mit Migrationshintergrund, die das österreichische Bildungssystem (zumindest teilweise) durchlaufen haben.
- 9.
Ich stütze mich auf Äußerungen von KollegInnen aus den Pädagogischen Hochschulen. Zahlen und Daten stehen mir hierzu bisher nicht zur Verfügung.
- 10.
Um die Zahl der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund an österreichischen Schulen zu erhöhen, wird an der Universität Wien ein vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) finanziertes Forschungsprojekt durchgeführt, das sich u. a. der Entwicklung eines diagnosegestützten individuellen Coachingverfahrens zur Unterstützung von Studierenden mit (und ohne) Migrationshintergrund im Umgang mit der Wissenschaftssprache Deutsch widmet. (Vgl. http://daf.univie.ac.at/projekte/aktuelle-daz-projekte/diversitaet-und- mehrsprachigkeit-in-paedagogischen-berufen/)
- 11.
Hier möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass nicht alle beteiligten KollegInnen meine Interpretation der Klausurergebnisse teilen. Es geht mir auch hier selbstverständlich nicht darum, jemandem persönlich diskriminierendes Verhalten zu unterstellen.
- 12.
Am Institut für Germanistik der Universität Wien wird daran gearbeitet.
Literatur
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Dirim, İ. (2013). Rassialisierende Effekte? Eine Kritik der monolingualen Studieneingangsphase an österreichischen Universitäten. In: Mecheril, P., Thomas-Olalde, O., Melter, C., Arens, S., Romaner, E. (eds) Migrationsforschung als Kritik?. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19145-4_12
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