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Der Held aller

Folter und Geschlecht in der Serie 24

  • Chapter
Banale Kämpfe?

Part of the book series: Geschlecht und Gesellschaft ((GUG,volume 51))

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Zusammenfassung

Jack Bauer ist ein Held. Er ist bereit alles zu geben, um das und die zu retten, die ihm am Herzen liegen: sein Land und die zahllosen Menschen, deren Leben in jeder der acht Staffeln der Serie 24 bedroht sind. Die Aufgaben, mit denen er konfrontiert ist, sind kaum zu bewältigen: Er muss das Leben des Präsidenten schützen, Atombomben und schmutzige Bomben entschärfen, Terrorist_innen jagen, Verschwörungen aufdecken, chemische und biologische Anschläge vereiteln und Kriege verhindern. Zeit hat er hierfür jedoch kaum. Die Bedrohung einer ‚tickenden Bombe‘ gibt den Takt vor, der Jack Bauer (gespielt von Kiefer Sutherland) einen bedingungslosen und ‚heldenhaften‘ Einsatz abverlangt. Ein Einsatz, der vor allem eines mit sich bringt: Verlust. Zum einen weil die Menschen, die Jack Bauer liebt, durch ihre Beziehung zu ihm zur Zielscheibe für Terrorist_ innen werden; zum anderen weil Jack Bauer die drohenden Katastrophen nur dann verhindern kann, wenn er sich selbst außerhalb des Rechts stellt, Befehle missachtet und zum Teil extreme Gewalt anwendet, um an Informationen zu gelangen. Die Konsequenz ist, dass er die Menschen, die er liebt, ebenso verliert wie seine Position innerhalb der Rechtsordnung.

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Notes

  1. 1.

    24 besteht aus acht Staffeln mit jeweils 24 Episoden und einem Spielfilm (24: Redemption). Die Schauplätze der Serie sind Los Angeles (S01 – 06), Sangala – ein fiktives Land in Afrika (Redemption), New York (S07) und Washington (S08). In den USA wurde die Serie zwischen 2001 und 2010 auf Fox ausgestrahlt. In Deutschland wurden die Staffeln 01 bis 05 zwischen 2003 und 2006 von RTL II gesendet. Staffel 06 wurde von Pro Sieben ausgestrahlt und Staffel 07 2009 zunächst von Premiere und dann von kabel eins. Staffel 08 lief 2010 auf sky und anschließend auf kabel eins. Im Zentrum der Handlung steht Special Agent Jack Bauer, der im Auftrag der CTU – einer fiktiven Anti-Terror-Einheit mit Sitz in Los Angeles – terroristische Anschläge abwehrt. Das dramaturgische Schema der Serie ist immer gleich: In jeder Staffel wird ein neues Bedrohungsszenario entworfen: der amerikanische Präsidentschaftskandidat Senator David Palmer soll ermordet werden (S01), Terrorist_innen drohen damit eine Atombombe in L. A. zu zünden (S02), die Regierung wird mit einem tödlichen Virus, das sich in den Händen von US-Terrorist_innen befindet, erpresst (S03), arabische Terrorist_innen versuchen alle Atomreaktoren innerhalb der USA zur Kernschmelze zu bringen (S04), russische Terrorist_innen drohen mit einem Nervengas- Anschlag (S05), arabische Terrorist_innen gelangen in den Besitz von nuklearen Kofferbomben (S06), eine US-Sicherheitsfirma droht damit biologische Waffen einzusetzen (S07), in Manhattan droht ein Anschlag mit einer schmutzigen Bombe (S08).

  2. 2.

    Hier und im Folgenden verwende ich den Begriff „Terrorismus“, um die Narration der Serie deutlich zu machen, er ist keinesfalls als analytische Kategorie zu verstehen. Zur Problematik des Terrorismusbegriffs siehe Hippler (2007): „Es wurde schon häufig darauf hingewiesen, dass der Terrorismusbegriff oft einen politischen Kampfbegriff darstellt, der dazu dienen soll, die jeweiligen Gegner zu brandmarken. […] Der Terrorismusbegriff ist demnach häufig keine analytische, sondern eine politische oder gar demagogische Kategorie.“ (Ebd.).

  3. 3.

    Den Begriff „nacktes Leben“ verwende ich in Anlehnung an Giorgio Agamben: „Der Protagonist dieses Buches ist das nackte Leben, das heißt das Leben des homo sacer, der getötet werden kann, aber nicht geopfert werden darf, und dessen bedeutende Funktion in der modernen Politik wir zu erweisen beabsichtigen. Eine obskure Figur des archaischen römischen Rechts, in der das menschliche Leben einzig in der Form ihrer Ausschließung in die Ordnung eingeschlossen wird […].“ (Agamben 2002: 18 f).

  4. 4.

    Marysia Zalewski beschreibt die Männlichkeit, die von Jack Bauer repräsentiert wird, folgendermaßen: „Jack Bauer is, without doubt, (represented as) a ‚real man‘; a man fit to protect and serve in a post 9/11 era. And a ‚real man‘ – bleeding, emotional, sometimes frightened man – not an otherwordly super-hero.“ (Zalewski 2010: 38).

  5. 5.

    Michael Meuser verweist darauf, dass die vielbeschworene Krise der Männlichkeit „in der Moderne eine längere Tradition hat“ (Meuser 2010: 326) und als Teil hegemonialer Männlichkeit(en) gedeutet werden kann (vgl. ebd.).

  6. 6.

    Von dieser Szene erfahren die Zuschauer_innen nur durch Erzählungen, sie ist nicht direkt zu sehen.

  7. 7.

    In Verbindung mit dem Szenario einer ‚tickenden Bombe‘ wirkt diese Zeitanzeige wie ein permanenter Countdown (vgl. Shimpach 2010: 131). Verstärkt wird dieser Effekt zusätzlich durch die unruhigen Bilder einer Handkamera und durch die häufige Verwendung eines Split-Screen, der mehrere parallel verlaufende Handlungsstränge gleichzeitig zeigt. Niels Werber bezeichnet das Szenario der ‚tickenden Bombe‘ als „literarisch cineastische Fiktion, […] die inzwischen eine großartige massenmediale Karriere gemacht hat.“ (Werber 2008: 4).

  8. 8.

    Michael Niehaus schreibt: „Die Strafprozessrechtsgeschichte lässt erkennen, dass der Gebrauch der Folter stets mehr oder weniger unmittelbar mit dem Ausnahmezustand zusammenhängt. Sie wird gegen die anderen geübt, die uns bedrohen, von denen wir uns bedroht fühlen. Sie wird zunächst nicht innerhalb eines ordentlichen Verfahrens geübt. Entscheidend ist nicht, dass ein wirklicher Ausnahmezustand vorliegt. Man kann überhaupt nicht wissen, was ein wirklicher Ausnahmezustand ist. Man muss entscheiden, dass ein Ausnahmezustand vorliegt. Wenn nach Carl Schmitts berühmter Formel: ‚Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet‘, dann hat das Gemeinwesen bei der gewohnheitsmäßigen Anwendung der Folter diese Entscheidung immer schon getroffen […]“ (Niehaus 2006: 120 f).

  9. 9.

    Die Frage, wie sich die Serie 24 in den Folterdebatten der Nullerjahre in den USA verorten lässt, wurde bereits breit diskutiert u. a. in den beiden Sammelbänden „Jack Bauer for President. Terrorism and Politics in 24“ (Miniter: 2008) und „24 and Philosophy. The World According to Jack“ (Hart Weed u. a. 2008), Arnold (2007) oder Žižek (2006). Dass die Serie durchaus Position in diesen Debatten bezieht, lässt sich nicht von der Hand weisen. Interessant erscheint mir vor allem, wie sich die Debatte um die Anwendung von Folter im Verlauf der Staffeln verschiebt. Der Effekt, der sich dabei einstellt ist so erstaunlich wie perfide: Je offener, kontroverser und ambivalenter die Frage nach der Legitimität von Folter innerhalb der Serie diskutiert wird, desto unausweichlicher erscheint die Notwendigkeit ihrer Anwendung. Das eventuelle kritische Potential der Serie erschöpft sich – je nach Perspektive – in der Spiegelung der Mechanismen einer Post-9/11-Ära oder in deren Legitimierung.

  10. 10.

    Jens Wiesner zeigt, dass Informationsbeschaffung in über 90 Prozent der Fälle das dominierende Motiv für die Anwendung von Folter in 24 ist (vgl. Wiesner 2008: 88).

  11. 11.

    So wird beispielsweise in Staffel 04 der Sohn des Verteidigungsministers, mit dessen Einverständnis im Verhörraum der CTU gefoltert, weil er Informationen zurückhält. Es stellt sich heraus, dass er geschwiegen hat, um sich nicht als schwul outen zu müssen. Sein Vater daraufhin: „This is not about you choose to live your life, son. This is about how you put this country in jeopardy.“ (S04/E22/24 : 10).

  12. 12.

    Insgesamt gibt es in 24 drei CTU-Agenten, deren einzige Funktion die Anwendung von Folter in Verhören zu sein scheint: Agent Johnson, Eric Richards und Rick Burke.

  13. 13.

    Tatsächlich findet sich in 24 auch das Motiv der Wiedergeburt. Gegen Ende von Staffel 04 stirbt Jack Bauer. Er wird von seinen Freunden wiederbelebt (S04/E24/35 : 10). Bis auf wenige Eingeweihte halten ihn alle für tot (Prequel S05).

  14. 14.

    In seiner fast zweijährigen Haft in China übersteht Jack Bauer die Folter ohne zu sprechen: „Please convey to your president, that Mr. Bauer never broke his silence. He hasn't spoken a word in nearly two years.“ (Cheng Zhi bei der Übergabe von Jack Bauer S06/E01/9 : 15).

  15. 15.

    In Staffel 07 ist Renee Walker neben Jack Bauer die einzige Figur, die in allen 24 Episoden zu sehen ist.

  16. 16.

    Frauen arbeiten in 24 als Agentinnen und Spezialistinnen (Cloe O'Brian, Michelle Dessler), agieren als Terroristinnen (Nina Myers, Mandy), sind Handlungs- und Entscheidungsträgerinnen (Allison Taylor als Präsidentin, Erin Driscoll als Leiterin der CTU) und schrecken vor der Anwendung von Gewalt keineswegs zurück.

  17. 17.

    „Whatever this conspiracy is that you think that I'am a part of, I guarantee you won't find a shred of material evidence connecting me to it. In the eyes of the law, I'm an innocent man.“ (Alan Wilson zu Renee Walker/S07/E24/20 : 58).

  18. 18.

    Interessanterweise wird in 24 sexuelle Gewalt nicht als Foltermethode gezeigt. Es finden sich auch keine Hinweise, dass Jack Bauer während seiner Verschleppung nach China Opfer sexueller Folter geworden ist, obwohl dort alles versucht wurde, ihn zu brechen.

  19. 19.

    SS Reichsführer Heinrich Himmer am 6. Oktober 1943 in einer Rede vor Reichs- und Gauleitern in Posen: „Es mußte der schwere Entschluß gefaßt werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen. Für die Organisation, die den Auftrag durchführen mußte, war es der schwerste, den wir bisher hatten. Er ist durchgeführt worden, ohne daß – wie ich glaube sagen zu können – unsere Männer und unsere Führer einen Schaden an Geist und Seele erlitten hätten. Diese Gefahr lag sehr nahe. Der Weg zwischen den beiden hier bestehenden Möglichkeiten, entweder zu roh zu werden, herzlos zu werden und menschliches Leben nicht mehr zu achten oder weich zu werden und durchzudrehen bis zu Nervenzusammenbrüchen – der Weg zwischen dieser Scylla und Charybdis ist entsetzlich schmal.“ (Himmler 1943).

  20. 20.

    Für kritische Anmerkungen danke ich Anneke Helms, Angela Koch, Eva Bahl und Marina Mayer sowie meinen Mitherausgeber_innen, insbesondere Ralf Steckert für den Hinweis auf Friedrich Schillers Text „Über die tragische Kunst.“

Literaturverzeichnis

Filme

  • 24. The Complete Collection, USA 2001 – 2010, Created by: Joel Surnow/Robert Cochran, Twentieth Century Fox Home Entertainment.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Pfeiffer, Z.S. (2012). Der Held aller. In: Villa, PI., Jäckel, J., Pfeiffer, Z.S., Sanitter, N., Steckert, R. (eds) Banale Kämpfe?. Geschlecht und Gesellschaft, vol 51. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18982-6_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-18982-6_9

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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