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100 Seiten Popfeminismus

Das Missy Magazine als Dritte-Welle-Praxis

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Banale Kämpfe?

Part of the book series: Geschlecht und Gesellschaft ((GUG,volume 51))

Zusammenfassung

So lautete die Diagnose und Selbstverortung, die im Februar 2008 am Anfang unserer Magazingründung stand. Beeinflusst von neuen feministischen Theorieansätzen und Praktiken aus dem angloamerikanischen Raum und gleichzeitig glühende Popkulturfans, die ihre eigenen – weiblichen – Lebensrealitäten viel zu selten in den gängigen Popkritikformaten widergespiegelt sahen, machten wir für uns und andere eine publizistische Lücke aus, die wir dringend füllen wollten. Weder ging es uns dabei um die Konzeption eines weiteren klassischen Frauenmagazins, das Frauen mit ihren spezifischen Erfahrungen zwar in gewisser Weise ‚ernst nimmt‘, dabei aber die binäre Geschlechterordnung mit ihrer Zurichtung auf den männlichen Blick reproduziert, noch wollten wir die gängige Berichterstattung der männlich dominierter Popzeitschriften einfach ‚umdrehen‘. Wir hatten uns stattdessen das ebenso ehrgeizige wie vage Ziel gesetzt, die Ermächtigungsbotschaften des Dritte Welle Feminismus in aktuellen Journalismus zu übersetzen und uns dabei nicht nur auf Pop als Thema zu beschränken, das Begehren an ihm aber nicht auszuschließen. Das alles sollte nicht nur inhaltlich, auf hohem handwerklichen Niveau unterhalten und fordern, sondern auch äußerlich glänzen. Schließlich wollten wir auch all diejenigen Frauen unserer Generation ansprechen, die sich bislang noch nicht mit den Diskursen um Geschlechterrollen und Feminismus befasst hatten – und das konnten wir nur, wenn wir optisch wie inhaltlich neben der Konkurrenz am Kiosk bestehen konnten. Acht Monate später erschien die erste Ausgabe von Missy.

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Notes

  1. 1.

    Online unter: http://www.missy-magazine.de/about [16. 08. 2011].

  2. 2.

    Seitdem erscheint Missy vier Mal jährlich im Eigenverlag mit einer Druckauflage von 20 000 Exemplaren. Das Magazin ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Bahnhofsbuchhandel und an weiteren ausgewählten Verkaufsstellen erhältlich sowie im Abo und kostet derzeit 4,90 Euro pro Ausgabe (18 Euro im Jahresabo). Die Finanzierung erfolgt zur einen Hälfte über Anzeigeneinnahmen und zur anderen über den Heftverkauf.

  3. 3.

    Etwa Barbara Findlens (1995) Listen Up: Voices From the Next Feminist Generation, Heywood and Drakes Third Wave Agenda: Being Feminist‚ Doing Feminism und Baumgardner und Richards‘ Manifesta: Young Women, Feminism, and the Future.

  4. 4.

    Die britische Kulturtheoretikerin Angela McRobbie begann in den 1970er Jahren als eine der ersten die weibliche Subkultur zu erforschen und publizierte zahlreiche Arbeiten unter anderem zu Mode und der Rolle von Mädchen in Subkulturen. Dabei legte sie die Betonung auf die Möglichkeit des kreativen Umgangs der RezipientInnen mit populärer Kultur, die auch widerständige Lesarten zulässt. So beschreibt sie in ihrem Aufsatz „From ‚Jackie‘ to ‚Just Seventeen‘. Girls' Magazines in the 1980s“ (McRobbie 1991), wie sich Mädchenmagazine in den 1980er Jahren veränderten und ein neues emanzipiertes Frauenbild etablierten. Obwohl dort weiterhin vor allem die üblichen Frauenthemen wie Beauty, Mode, Beziehung oder Handarbeit stattfanden, hielt der Feminismus in Form eines selbstbewussten und selbstrefl exiven Umgangs mit Weiblichkeit und Sexualität Einzug (vgl. McRobbie 1994: 164).

  5. 5.

    Ende der 1970er Jahre war Punk in seinen Anfängen eine profeministische Subkultur, zumindest hatte der Do-It-Yourself-Ethos der Szene Musikerinnen bis dato ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, erfolgreich zu partizipieren. Mit der zunehmenden Kommerzialisierung von Punk war aber auch die Punkszene wieder stärker männlich dominiert und patriarchal strukturiert worden (vgl. Rosenberg/Garofalo 1998: 809).

  6. 6.

    Die Selbstbezeichnung Riot Grrrl ist dabei ein Beispiel für die von Judith Butler als „diskursive Performativität“ (Hobuß 2007: 40) beschriebene, postrukturalistische sprachpolitische Strategie, sich ehemals entwertend oder verletzend gebrauchte Begriffe wieder anzueignen, in anderen Kontexten zu verwenden und damit in die bestehende symbolische Ordnung einzugreifen (vgl. ebd.). Indem sich die Frauen selbst als Riot Grrrls bezeichneten, wollten sie den innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft entwerteten Begriff Girl/Mädchen zurückerobern, ohne die damit einhergehenden negativen Zuschreibungen von Schwäche, Niedlichkeit und Passivität zu übernehmen. Das wütende Knurren in Grrrl sollte diese Stereotype konterkarieren und den Begriff mit neuen Bedeutungen wie Stärke, Rebellion und Randale aufzuladen (vgl. Byers 2000: 137). Im Riot-Grrrl-Manifesto liest sich das folgendermaßen: „BECAUSE we are angry at the society that tells us Girl = Dumb, Girl = Bad, Girl = Weak (…) BECAUSE we are unwilling to let our real and valid anger be diffused and or be turned against us via the internalisation of sexism (…) BECAUSE I believe with my wholeheartmindbody that girls constitute a revolutionary soul force that can, and will change the world for real.“ (Riot Grrrl Manifesto 1991).

  7. 7.

    Vgl. Fußnote 11.

  8. 8.

    Jens Balzer: „Szenen sagenhafter Kaputtheit. Aber musikalisch zu muschihaft: die No-Neck Blues Band in der Volksbühne.“ Berliner Zeitung, 03. 05. 2006, www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0503/feuilleton/0036/index.html [26. 05. 2011].

  9. 9.

    Zur Blütezeit der Zweiten Frauenbewegung in den 1970er und frühen 1980er Jahren entstanden – neben den Kiosk-Magazinen Emma (1977) und Courage (1976 – 1984) – zahlreiche feministische Magazine mit unterschiedlichsten Schwerpunkten. Die wenigsten existieren heute noch (vgl. Notz 2008: 32). Beispiele sind: Das anarchistische Magazin Die Schwarze Botin (Berlin, 1976 – 1987), Frauen sind gemeinsam stark oder Frauen und Film (1974 – 2006), Wir Frauen (Düsseldorf, 1982 – heute) aber auch die FRAZ (Zürich, 1982 – 2009) oder die an.schläge (Wien, 1983 – heute).

  10. 10.

    Damit stehen wir durchaus im Widerspruch zu den Ideen der Riot Grrrls, deren Fanzines dezidiert antikommerziell angelegt waren, mit niedriger Auflagenzahl und nur in eigenen Vertriebsstrukturen für einem kleinen Kreis erscheinend. Uns war jedoch daran gelegen, auch solche LeserInnen zu erreichen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht mit Feminismus oder Gleichberechtigung auseinandergesetzt hatten. Auch deswegen wählten wir eine kommerzielle Vertriebsstruktur über den herkömmlichen Zeitschriftenhandel.

  11. 11.

    Unser Ansatz, von einer „weiblichen Perspektive“ zu sprechen und Frauen in Feldern, in denen sie unterrepräsentiert sind, besonders zu fördern, steht unserer Meinung nach nur scheinbar im Widerspruch zu dekonstruktivistischen Ansätzen. Die Idee von Geschlechterdekonstruktion zielt nicht auf das „Unsichtbarmachen der Geschlechter“, wie es häufig missverstanden wird, oder verunmöglicht es generell, von Frauen und Männern, Weiblichkeit und Männlichkeit zu sprechen, sondern deutet lediglich auf die Konstruiertheit dieser Kategorien hin und wehrt sich gegen eine geschlechtliche Normierung. Auch wenn Weiblichkeit diskursiv konstruiert ist, gibt es nach wie vor eine spezifisch weibliche Sozialisation als Mädchen oder Frau in unserer Gesellschaft, die entsprechend auch zu spezifisch ‚weiblichen‘ Perspektiven und Erfahrungen führt und manchmal auch zu spezifischer Diskriminierung.

  12. 12.

    Hier stoßen wir manchmal an ganz praktische Grenzen, wie etwa, dass die Modeindustrie Kollektionen, die für Fotoshootings verliehen werden, nur in Konfektionsgrößen bis maximal 38 herstellt. Ein kaum aufzulösender Widerspruch, der uns jedoch nicht davon abhalten soll, Modestrecken zu produzieren, denn Mode ist für uns als zentrale identitätsstiftende Praxis relevanter Gegenstand einer popkulturellen Herangehensweise an Feminismus (vgl. Wilson 1987).

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Eismann, S., Köver, C., Lohaus, S. (2012). 100 Seiten Popfeminismus. In: Villa, PI., Jäckel, J., Pfeiffer, Z.S., Sanitter, N., Steckert, R. (eds) Banale Kämpfe?. Geschlecht und Gesellschaft, vol 51. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18982-6_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-18982-6_3

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