Zusammenfassung
Gibt es eine spezifisch realistische Lyrik? In welchem Sinn kann es sie nicht geben, und welches Bild der Lyrik rückt in den Blick, falls ihr doch der Anschluss an das Literatursystem des Realismus in irgendeiner Form gelungen sein sollte (vgl. grundsätzlich Selbmann 1999, 9–24)? Die Realismus-Forschung, zumal die komparatistisch orientierte, würde die Frage nach den Möglichkeiten einer realistischen Lyrik rasch beantwortet haben, und zwar negativ. Zu eng ist das vertraute Bild von realistischer Literatur mit den Verfahren einer narrativen Erschließung gesellschaftsgeschichtlich strukturierter Welten verknüpft, als dass sich lyrische Ausdrucksformen im Begriff des Realismus als alternative oder komplementäre Komponente behaupten könnten. Demnach kann es keine realistische Lyrik geben, weil
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das Merkmal ›lyrisch‹ dem Merkmal ›realistisch‹ widerspricht,
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das Epische als klar darstellende Gattung (Goethe) dem Lyrischen als erregt sprechende entgegensteht,
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die Verskultur den Weg der Prosa ausschließt.
Die Literaturgeschichten, die das literarische Leben nicht nur nach den Grundsätzen des Realismus vermessen, registrieren natürlich die Präsenz der Lyrik, ja betonen sogar deren Dominanz, sind aber weit davon entfernt, diese Lyrik als eigenständigen Beitrag zur realistischen Epoche anzuerkennen (vgl. Martini 41981; BRuG 1996). Vielmehr begegnen in solchen Zusammenhängen geradezu gegenläufige Kennzeichnungen wie epigonale, modische und — neuerdings sogar — serielle Lyrik.
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Aust, H. (2006). Lyrik. In: Realismus. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05033-5_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05033-5_5
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01864-9
Online ISBN: 978-3-476-05033-5
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