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Unterhalb der groben Pinselstriche. Die Rolle der Bildenden Künste in Frank Witzels Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

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Frank Witzel

Zusammenfassung

„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Dieses Credo aus Paul Klees Schrift Schöpferische Konfession (1929) könnte für die Poetik von Frank Witzel gelten, die seinem Werk Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (2015) zugrunde liegt. Denn anhand der literarischen Funktionalisierung der Bildenden Künste können konzeptionelle und kompositorische Gedanken des Romans dargelegt und diskutiert werden.

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Notes

  1. 1.

    Paul Klee: Schöpferische Konfession. In: Kasimir Edschmid (Hg.): Tribüne der Kunst und Zeit. Eine Schriftensammlung. Bd. XIII. Berlin 1920, 28.

  2. 2.

    Vgl. Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. Roman. Berlin 2015. Im Folgenden abgekürzt als Erfindung und im Fließtext angegeben unter der Sigle ‚WE‘ und der Seitenzahl.

  3. 3.

    Dieser Aufsatz basiert auf meiner Masterarbeit, die ich im Wintersemester 2017/2018 an der Georg-August-Universität Göttingen schrieb und die den Titel trägt „Doch zurück zu meiner kleinen Tabelle, meiner Skizze des menschlichen Unvermögens und der daraus entstehenden großartigen Kultur.“ Analyse von Frank Witzels Roman ‚Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969‘.

  4. 4.

    Nicole Henneberg: „Lebenskrisen in Zeiten des Umbruchs“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.09.2015: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/frank-witzels-neuer-roman-lebenskrisen-in-zeiten-des-umbruchs-13712115.html (04.03.2019).

  5. 5.

    Bei den vier „Anderen Pubertäten“ handelt es sich um vier Romankapitel, in denen weitere Biografien von Teenagern mit Problemen, die denen des Protagonisten ähneln, geschildert werden (WE 45., 47., 49. und 51. Kapitel).

  6. 6.

    Es ist ungewiss, ob der Name ‚Timotheus‘ (z. B. WE 715 und 718–721), der mit dem Teenager im Roman in Verbindung gebracht wird, der wahre Name des Protagonisten ist. Im Folgenden wird er je nach Lebensabschnitt entweder als ‚Teenager‘ oder als ‚erwachsener Teenager‘ bezeichnet.

  7. 7.

    Vgl. Hans-Werner Schmidt (Hg.): Willi Baumeister – Karl Hofer. Begegnungen der Bilder. Bielefeld 2004.

  8. 8.

    Vgl. Alex Schildt/Detlef Siegfried: Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik 1945 bis zur Gegenwart. München 2009, 252.

  9. 9.

    Das Register nimmt durchaus eine lenkende Funktion ein: So finden sich längst nicht alle für den Roman relevanten Begriffe wieder. Es fehlt beispielsweise der Begriff der ‚Deckerinnerungen‘, der für die Therapie des Teenagers von Bedeutung ist. Stattdessen finden sich scheinbar irrelevantere Begriffe wie ‚Dummboldt‘ (WE 808).

  10. 10.

    Zur besonderen Bedeutung von Markennamen und Bandnamen in literarischen Texten vgl. Moritz Baßler: Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten. München 2002, 155–183.

  11. 11.

    Wichtig für die Rezeption ist, dass der Großteil des Romans homodiegetisch mit einer internen Fokalisierung erzählt wird, wovon knapp die Hälfte eindeutig als autodiegetisch gewertet werden kann, also aus der Sicht des manisch-depressiven Teenagers erzählt wird. Problematisch daran ist die Erkrankung des Protagonisten, die dazu führt, dass er als unzuverlässig bezeichnet werden muss. Diese Unzuverlässigkeit wird dadurch bestärkt, dass seine Aussagen denen eines heterodiegetischen Erzählers des Romans widersprechen (Vgl. WE 220 und 222). Köppe/Kindt sind der Ansicht, dass bereits ein einmaliger Widerspruch Konsequenzen für die Zuverlässigkeit des Erzählers haben kann, wobei dies selbstverständlich immer vom Text selbst abhängt. (Vgl. Tilmann Köppe/Tom Kindt: „Unreliable Narration With a Narrator and Without“. In: JLT 5/1 (2011), 81–94, hier 87.) Weitere Punkte, die zur Unzuverlässigkeit beitragen, sind die Subjektivität, insbesondere hinsichtlich der Erinnerungen, und die Tatsache, dass sich der Teenager seine eigene Welt imaginiert.

  12. 12.

    Werner Hofmann: „Hofer und Baumeister – Ein exemplarischer Konflikt“. In: Schmidt: Willi Baumeister – Karl Hofer (wie Anm. 7), 13–21, hier 19.

  13. 13.

    Sabine Schlenker: „Karl Hofer in der Debatte um Figuration und Abstraktion zu Beginn der Fünfzigerjahre“. In: Katharina Henkel (Hg.): Karl Hofer. Von Lebensspuck und stiller Schönheit. Köln 2012, 68–77, hier 70.

  14. 14.

    Vgl. ebd., 70.

  15. 15.

    Vgl. Hofmann: „Hofer und Baumeister – Ein exemplarischer Konflikt“ (wie Anm. 7), 13–21, hier 13.

  16. 16.

    Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir. Berlin 2016, 160.

  17. 17.

    Michel Seuphor: Knaurs Lexikon abstrakter Malerei. Mit einer ausführlichen Darstellung der Geschichte der abstrakten Malerei [frz. 1957]. München 1957, 13.

  18. 18.

    Vgl. Tilmann Moser: Kunst und Psyche. Bilder als Spiegel der Seele. Stuttgart 2014, 7–8.

  19. 19.

    Nicht nur dieser Kapiteltitel lässt sich auf den Romantitel beziehen. Ebenso ist dies bei den Erfindung(en) der Freundlichkeit (WE 54., 63., 74. und 94. Kapitel) der Fall.

  20. 20.

    Gerd Lehmkuhl/Ulrike Lehmkuhl: Kunst als Medium psychodynamischer Therapie mit Jugendlichen. Göttingen 2017, 21.

  21. 21.

    Vgl. Gisela Greve: Bilder deuten. Psychoanalytische Perspektiven auf die bildende Kunst. Göttingen 2009, 9.

  22. 22.

    Vgl. Eckhard Hollmann: Gauguin und seine Zeit. Leipzig 2014, 89.

  23. 23.

    Ebd., 91.

  24. 24.

    Ebd., 133.

  25. 25.

    Witzels Interesse für den Kunstzerstörer war so groß, dass er eigentlich das Vorhaben hatte, nach der Erfindung einen Roman über Bohlmann zu schreiben. Dies verriet er in seiner Heidelberger Poetikvorlesung 2017: „Hans-Joachim Bohlmann war ein Mensch mit einer sehr interessanten Lebensgeschichte, so dass ich mich, ehrlich gesagt, immer wieder wundere, dass noch niemand ein Buch über ihn geschrieben hat.“ (Frank Witzel: Über den Roman – hinaus. Heidelberg 2018, 16.)

  26. 26.

    Als Kapitelformen werden hier solche Kapitel bezeichnet, die inhaltlich, strukturell und formal aufeinander referieren. Dies ist beispielsweise bei den Gesprächen zwischen dem Protagonisten und seiner (imaginierten) Partnerin Gernika der Fall. Schon allein anhand der Kapiteltitel: „Gernika erfährt, was es mit der blassgrünen Leinenschachtel auf sich hat“ (WE, 22. Kapitel) oder auch „Gernika hält eine Orientierung in Richtung Vergangenheit für einen Irrtum“ (WE, 61. Kapitel) kann ein Bezug zwischen den Kapiteln hergestellt werden. Zudem sind sie alle dialogisch aufgebaut und spielen zu einer Zeit, in der der Teenager bereits erwachsen ist, was anhand der Gesprächsinhalte auszumachen ist. Thematisch beziehen sie sich dabei oftmals auf die Sujets Erinnern und Vergessen. (z. B. „[T:] Weil ich jetzt weiß, dass ich mir auch da nicht über den Weg trauen kann./ [G:] Wo: da?/ [T:] Beim Erinnern.“ [WE 193]). Ähnlich verhält es sich bei den „Erfindung(en) der Freundlichkeit“, den „Chronologien“, den „Anderen Pubertäten“ und den „Befragungen“.

  27. 27.

    Beate Lakotta: „Ich bin mein eigener Sklave“. In: Der Spiegel 40/2005, 170–175, hier 171.

  28. 28.

    Vgl. Peter Moritz Pickshaus: Kunstzerstörer. Fallstudien, Tatmotive und Psychogramme. Reinbek bei Hamburg 1988, 228–229.

  29. 29.

    Vgl. o. A.: „Säure als Hilferuf. Attentate auf Kunstwerke – Äußerungen verwirrter Geisteskranker“. In: Der Spiegel 17/1988, 257–258, hier 257.

  30. 30.

    Heutzutage müsste von bipolarer Störung gesprochen werden, wenn es um manische Depressionen geht. Unter Berücksichtigung der Zeit der Handlung (1969) scheint jedoch der Begriff ‚manisch-depressiv‘ angemessener zu sein.

  31. 31.

    Lakotta: „‚Ich bin mein eigener Sklave‘“ (wie Anm. 27), 170.

  32. 32.

    Vgl. Pickshaus: Kunstzerstörer (wie Anm. 28), 227.

  33. 33.

    Vgl. ebd., 274.

  34. 34.

    Es kann an dieser Stelle nicht gänzlich geklärt werden, ob es sich bei dem Sohn des Fabrikanten um den Protagonisten handelt. Hierfür gibt es zwar Hinweise, wie die Tatsache, dass der Fabrikant bereits in der ersten Chronologie angesprochen wird, wenn berichtet wird, dass „[m]ein Vater beschließt, den linken Flügel der Fabrik zu erneuern“ (WE 34). Doch gibt es ebenso Gegenargumente, wenn über den Fabrikanten gesagt wird, dass er „besser als alle von der mythischen Pflicht des Vatermordes [wusste], […] weshalb er selbst auch keinen Sohn zeugte“ (WE 508). Relevant ist hier erst einmal, dass es auch in der Erfindung einen autoritären Vater gibt, sodass eine weitere Parallele zu Bohlmann besteht.

  35. 35.

    Vgl. Pickshaus: Kunstzerstörer (wie Anm. 28), 280.

  36. 36.

    Vgl. ebd., 317.

  37. 37.

    Vgl. ebd., 307 und 317.

  38. 38.

    Der Name Gernika erinnert an Pablo Picassos Gemälde Guernica. Dieser Aufsatz nimmt jedoch keine genauere Analyse des Kunstwerks vor, da der Name zwar eine Konnotation nahelegt, das Bild allerdings nicht weiter im Roman thematisiert wird.

  39. 39.

    Auf die Zigarettenmarken und die Popkultur wurde bereits eingegangen, ergänzen ließen sich noch Automarken wie etwa der NSU Prinz (WE 9), der Opel Kapitän (WE 146) und der VW Käfer (WE 226) ebenso wie die Comics Fix und Foxi und Micky Maus. Ausgespart wird auch nicht das Essen, das von Gummiteufeln (WE 128) über Livio-Öl (WE 50) bis zu Fürst Pückler (WE 299) reicht.

  40. 40.

    Tayfun Belgin: Alexej von Jawlensky. Eine Künstlerbiografie. Heidelberg 1998, 102.

  41. 41.

    Volker Rattemeyer: „Alexej von Jawlensky im Museum Wiesbaden“. In: Museum Wiesbaden (Hg.): Jawlensky in Wiesbaden. Gemälde und graphische Arbeiten in der Kunstsammlung des Museums Wiesbaden. Wiesbaden 2007, 15–46, hier 24.

  42. 42.

    Vgl. Cordula Meyer: „‚Das Risiko ist immer da‘“. In: Der Spiegel 27/2006, 116–118, hier 116.

  43. 43.

    Philippe Ariès: Geschichte des Todes [frz. 1977]. München 21980, 424.

  44. 44.

    Vgl. Getrud Maria Rösch: „Schlange“. In: Günter Butzer/Joachim Jacob (Hg.): Metzler Lexikon literarischer Symbole. Stuttgart u. a. 22012, 373–374, hier 373.

  45. 45.

    Es würde an dieser Stelle zu weit führen, zu analysieren, inwiefern es sich bei dieser Szene lediglich um eine Fantasie des Sohnes handelt. Es ist jedoch anzumerken, dass nicht gänzlich ausgemacht werden kann, ob der Fabrikant wirklich der Vater des Teenagers ist.

  46. 46.

    Rösch: „Schlange“ (wie Anm. 44), 35.

  47. 47.

    Vgl. Manfred Lurker: „Zirkel“. In: Ders. (Hg.): Wörterbuch der Symbolik. Stuttgart 41998, 830.

  48. 48.

    Vgl. ebd.

  49. 49.

    Ein weiteres Beispiel ist die Adler-Schreibmaschine, auf dessen Mehrdeutigkeit bereits der Text selbst verweist. Sie kann sowohl in Verbindung mit der Erinnerung an das erste Prosastück stehen wie auch in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus (WE 533).

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Tasche, A. (2019). Unterhalb der groben Pinselstriche. Die Rolle der Bildenden Künste in Frank Witzels Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. In: Detken, A., Kaiser, G. (eds) Frank Witzel. Kontemporär. Schriften zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, vol 4. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04882-0_9

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