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Erzählen in der faschistischen Nachwelt. Zu Frank Witzels Direkt danach und kurz davor (2017)

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Frank Witzel

Part of the book series: Kontemporär. Schriften zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ((KSDG,volume 4))

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Zusammenfassung

Im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen steht die These, dass die Poetik Frank Witzels die Kernprinzipien postmoderner Narrativik, insbesondere die stete Metaisierung des Erzählaktes, gezielt mit den Sublimationsstrategien des Faschismus überblendet. In ihrer mentalen Konstitution – so wird argumentiert werden – kann die Geschichte der BRD nur als eine inkohärente, die historische Verschuldung stets metonymisch aufschiebende Epoche adäquat erzählt werden. ‚Adäquat erzählt‘ meint gleichwohl nicht, dass die literarische Einsicht in diese Strukturen befreit oder reinigt.

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Notes

  1. 1.

    Zum Roman im Horizont der Verdrängungsagenda der BRD vergl. Frank Witzels Interview mit Dennis Pohl: „Deutschland hat eine Tradition der Verdrängung von Schuld.“ In: Der Spiegel, 02.09.2017: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/frank-witzel-deutschland-hat-eine-tradition-der-verdraengung-von-schuld-a-1165302.html (23.03.2019).

  2. 2.

    Frank Witzel: Direkt danach und kurz davor. Berlin 2017, 120. Im Folgenden unter Angabe der Seite direkt im Text zitiert.

  3. 3.

    Der Vervielfachung der Wahrheiten korrespondiert bezeichnenderweise eine Versiebzehnfachung der Identität „Adolf Hitler“ bzw. korrespondieren „siebzehn Männer, die sich für Adolf Hitler ausgaben oder dafür hielten“ (ebd., 492).

  4. 4.

    Vergl. insbesondere die Besprechungen von Tilman Spreckelsen in der FAZ („Die Krötenkinder legen uns die Bibel aus.“ In: FAZ (30.08.2017): https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/frank-witzels-roman-direkt-danach-und-kurz-davor-15175796.html (26.04.2019)) sowie von Katharina Teutsch in der ZEIT („Ein Roman als Gesprächstherapie.“ In: Die Zeit (07.12.2017): https://www.zeit.de/2017/51/direkt-danach-kurz-davor-frank-witzel-roman (26.04.2019)).

  5. 5.

    Svenja Goltermann: Opfer. Die Wahrnehmung von Krieg und Gewalt in der Moderne. Frankfurt a. M. 2017, 230.

  6. 6.

    Frank Witzel: Über den Roman – hinaus. Heidelberg 2018, 77.

  7. 7.

    Ebd.

  8. 8.

    Teutsch: „Ein Roman als Gesprächstherapie“ (wie Anm. 4).

  9. 9.

    Frank Witzel: „BRD Chamois“. In: Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir. Berlin 2016, 159.

  10. 10.

    „War es das intuitive Gefühl, dem Unbekannten nachzugehen oder einfach eine gehörige Portion Naivität, die andere Kinder in meinem Alter auf ähnliche Weise dem fremden Mann folgen ließ, wie ich den in der Regel ebenfalls fremden Männern auf dem Papier folgte?“ (Witzel: Über den Roman – hinaus (wie Anm. 6), 7). Auch in Direkt danach und kurz davor geht das Gerücht vom Kinderschänder um (281).

  11. 11.

    Witzel: BRD Chamois (wie Anm. 9), 166.

  12. 12.

    Theodor W. Adorno: „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“. In: Kulturkritik und Gesellschaft II (Gesammelte Schriften 10/2). Frankfurt a. M. 1997, 558.

  13. 13.

    Ernst Nolte: Der Faschismus in seiner Epoche. Action française – Italienischer Faschismus – Nationalsozialismus, München 1963.

  14. 14.

    Sigmund Freud: Studien über Hysterie (Gesammelte Werke 1), Frankfurt a. M. 1999, 84.

  15. 15.

    Gilles Deleuze/Félix Guattari: Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus. Aus dem Französischen übersetzt von Gabriele Ricke und Ronald Voullié. Berlin 1997, 665.

  16. 16.

    Aleida Assmann: „Geschichte findet Stadt“. In: Moritz Csáky/Christoph Leitgeb (Hg.): Kommunikation – Gedächtnis – Raum. Kulturwissenschaften nach dem „Spatial Turn“. Bielefeld 2009, 13–27, hier 17.

  17. 17.

    Markus Krajewski: Bauformen des Gewissens. Über Fassaden deutscher Nachkriegsarchitektur. Mit Fotografien von Christian Werner. Stuttgart 2016, 25.

  18. 18.

    Gerade die Bahnhöfe ziehen – bedingt nicht zuletzt durch das „große Zugunglück“ – die Aufmerksamkeit des Romans auf sich; „zerfressen und zerfasert“ zeigen sie sich, als Ruinen ohne Dächer, Puffer, Mauern, Automaten und Fahrpläne. (511).

  19. 19.

    Krajewski: Bauformen des Gewissens (wie Anm. 17), 29.

  20. 20.

    Ebd.

  21. 21.

    Ebd., 33.

  22. 22.

    Der alte Siebert meint, „die Namenslosigkeit der Stadt stünde in einem engen Zusammenhang mit ihrer Geschichte“ (383).

  23. 23.

    Wie aber ließe sich solch eine Ambiguität ausdeuten? Denkbar wäre es, jenes Umschlagen von Machtkritik in eine Verdunkelungsstrategie totalitärer Strukturen als einen Gegenwartskommentar zu entziffern. Dort, wo nicht mehr verstanden wird, dass die Programmierung, die das westliche Denken durch die Impulse der Tel-Quel-Bewegung erhalten hat, immer eine ethische Komponente hatte, mithin ohne ihren historischen Kontext – die Erfahrung des Faschismus – nicht begründbar war: Genau dort verlieren die durch sie etablierten Verfahren ihren aufklärerischen Wert. Wer Autorschaft, Intentionalität, Bedeutung und, ja: auch Verortung in ein Spiel mit Referenzen verwandelt, ohne diesem Spiel eine ethische, auf die Verantwortung gegenüber dem Anderen gerichtete Funktion zuzuweisen, der schafft einen Raum, in dem dann eben nur alles und nichts, das Alles als Nichts sagbar wird und umgekehrt. Das aber, recht genau bestimmt, ist der Raum postfaschistischer Existenz.

  24. 24.

    Von jener Überlegung, den Menschen als lebbare Unordnung aus der Ordnung des nicht lebbaren Göttlichen zu erklären, führt natürlich eine Spur zur Heidegger-Rezeption in Witzels Werk, nicht zuletzt zur Erfindung, in der Heideggers Ontologie vorgehalten wird, „[i]n höchster Not und wenn man nicht mehr weiterkommt, […] sich dann eben gegen den Menschen im Allgemeinen“ zu wenden und diesen „vom Sein her zu bestimmen“ (Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. Berlin 2015, 427). Im Grunde wäre der Einfluss von Heideggers Sprachdenken in Witzels Poetik einen eigenen Beitrag wert, zumal sich direkte Verweise auf Heidegger auch immer wieder in Interviews, auf Witzels Blog und auch in Vorträgen finden (etwa in „Zehn Bemerkungen über den Leerstand. Zur Ausstellung „Under Construction“ von Benita Mylius und Andreas Masche am 21. Mai 2011, Salon 13, Offenbach“: www.frankwitzel.de/VanReuningenLP4ZehnBemerkungen.pdf (26.09.2019).

  25. 25.

    Zum Faschismus als nackter Performanz der Ideologie vergl. Robert O. Paxton: The Anatomy of Fascism. New York 2004, 16; im Weiteren Tomaž Brejc: „Das Spektakel der Ideologie“. In: Inke Arns (Hg.): Irwin: Retroprincip. 1983–2003. Frankfurt a. M. 2003, 62–63.

  26. 26.

    Witzel: „BRD Chamois“ (wie Anm. 9), 156.

  27. 27.

    Interessanterweise wird dabei das Scheitern des Romans dem Umstand zugeschrieben, dass es diesem nicht gelingt, „den Marga-und-Siebert-Stoff in die aktuelle Gegenwart weiterzuführen und eine Verbindung zu aktuellen Themen zu knüpfen“. Zugesprochen wird die Fähigkeit zur Aktualisierung und damit zur Aufdeckung des Postfaschismus allerdings dem Theater – was das zweite Buch des Romans dann zu simulieren versucht und über die Inszenierung des Banalen gleichfalls widerruft, gleichfalls scheitert. („‚Na, du bist vielleicht gut. Meinst du vielleicht, den Faschismus gibt es sonst?‘ Er darauf: ‚Ich wollte keinen Faschismus.‘ Sie: ‚Natürlich. Du willst ja nie etwas‘.“ 166).

  28. 28.

    Nicht zuletzt imaginiert der Roman das traumatische Erzählen als die Ablösung des Körpers „von dem sonst mit ihm verbundenen Narrativ“ (526).

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Theisohn, P. (2019). Erzählen in der faschistischen Nachwelt. Zu Frank Witzels Direkt danach und kurz davor (2017). In: Detken, A., Kaiser, G. (eds) Frank Witzel. Kontemporär. Schriften zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, vol 4. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04882-0_12

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-04881-3

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