Zusammenfassung
Hat es für Heines Interpunktionsregime jemals Aufmerksamkeit gegeben? Ist gefragt worden, wie sie den Kosmos seiner literarischen und publizistischen Texte strukturieren? Stand ihr subversiver Eigensinn jemals zur Diskussion? Kaum — abgesehen von editorischen Kommentaren oder einer Pionierleistung wie der Jochen Zinkes zum »Buch der Lieder«, die aus editorischer Arbeit erwuchs.1 Das Aufarbeiten von sozialen, politischen oder privaten Gehalten, Hermeneutik und Dekonstruktion, die erfolgreich aufstrebende intertextuelle Spurensuche oder die jüngsten überraschenden Versuche, kabbalistische Textspuren Heines zu entschlüsseln: Interpunktionsphänomene haben all diese Ansätze übergehen müssen. Das lag und liegt nicht zuletzt daran, dass, im Zug allgemeiner Feldverschiebungen, der Gegenstand »Literatur« der Forschung (zugespitzt gesagt) nicht genug schien. Literatur wurde (nochmals zugespitzt gesagt) essentiell nurmehr durch das, was außer ihr existierte. Konsequenterweise gingen Literaturwissenschaftler und Literaturwissenschaftlerinnen irgendwann dazu über, gerade diese faktischen Essentiale als Text zu bezeichnen. Kurzum: Heine ist als Virtuose der Interpunktion noch zu entdecken, und dieser essayartige Text versucht am Beispiel von »Lutetia« — und abschließend mit Blick auf Heines Gesamtwerk — auszumitteln, ob und inwieweit Heines Interpunktion rhetorische Force und subversive Energie zu eigen sind oder nicht.
Der Text beinhaltet Teile des Aufsatzes: Olaf Briese: Auslassungszeichen. Interpunktionsregime bei Heinrich Heine. — In: [Auslassungen]. Leerstellen als Movens der Kulturwissenschaft. Festschrift für Hartmut Böhme, hrsg. v. Natascha Adamowsky u. Peter Matussek. Würzburg 2004, S. 213–220. Für Hinweise danke ich herzlich Bernd Füllner (Düsseldorf) und Wolfgang Rasch (Berlin).
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Anmerkungen
Vgl.: Jochen Zinke: Autortext und Fremdeingriff. Die Schreibkonventionen der Heine-Zeit und die Textgeschichte des »Buches der Lieder«. Hamburg 1974, S. 242–283, vgl. auch:
Marianne Bockelkamp: Heine et »sa« ponctuation. — In: Edition und Interpretation/Edition et Interprétation. Akten des […] deutsch-französischen Editorenkolloquiums, hrsg. v. Louis Hay u. Winfried Woesler. Bern, Frankfurt a. M., Las Vegas 1981, S. 182–193.
Vgl.: Alexander Bieling: Das Princip der deutschen Interpunktion nebst einer übersichtlichen Darstellung ihrer Geschichte. Berlin 1880, S. 12, 16f.;
M. B. Parkes: Pause and effect. An introduction to the history of punctuation in the West. Aldershot 1992, S. 279, 213, 215. Am Beispiel deutscher Schulgrammatiken ist die Genese des Fragezeichens im Deutschen nachvollziehbar, vgl.:
Stefan Höchli: Zur Geschichte der Interpunktion im Deutschen. Eine kritische Darstellung der Lehrschriften von der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Berlin, New York 1981, passim.
Vgl.: Heinrich Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft. München 1960, S. 379.
Vgl.: Martina Michelsen: Weg vom Word — zum Gedankenstrich. Zur stilistischen Funktion eines Satzzeichen in der englischen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts. München 1993, S. 28 ff.; Bieling [Anm. 2], S. 27.
Vgl.: [Johann Jacob Bodmer:] Die Grundsätze der deutschen Sprache […], Zürich 1768, S. 126; Johann Christoph Adelung: Vollständige Anweisung zur Deutschen Orthographie. 2. Aufl. Leipzig 1790, S. 391; Brosse zit. nach: Alexander Kosenina: Der gelehrte Narr. Gelehrtensatire seit der Aufklärung. Göttingen 2003, S. 259.
Zu Gedankenstrichen in Goethes »Werther« vgl.: Jürgen Stenzel: Stiluntersuchungen an deutscher Prosadichtung. Göttingen 1966, S. 40–54.
Vgl.: Joseph Anton Kruse: Heines Gedankenstriche: ›Auslassungen‹ zur Politik und Liebe. — In: Gedankenstrich. Gedichte — Bilder — Essays, hrsg. v. Joachim Rönneper. Gießen 1992, S. 35–37.
Karl Gutzkow: Presszwang (1831). — In: Heinrich Hubert Houben: Zeitschriften des Jungen Deutschlands. (Erster Teil.). Berlin 1906, Sp. 115–122, hier: Sp. 119.
Vgl. u.a.: Ludwig Börne: Denkwürdigkeiten der Frankfurter Zensur. — In: Sämtliche Schriften. Neu bearb. u. hrsg. v. Inge und Peter Rippmann. Bd. I. Dreieich 1977, S. 906–920; vgl. auch: Bd. V, S. 986–989.
Vgl.: H.H. Houben: Polizei und Zensur. Längs- und Querschnitte durch die Geschichte der Buch- und Theaterzensur. Berlin 1926, S. 57.
Theodor Mundt an Charlotte Stieglitz (Anfang Mai 1834). — In: H. H. Houben: Verbotene Literatur. Von der klassischen Zeit bis zur Gegenwart. Zweiter Band. Berlin 1928, S. 373.
Vgl.: Adolf Glaßbrenner: Berlin wie es ist und — trinkt. Fünftes Heft: »Berliner Fuhrleute«. Dritte durchaus vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig 1843, S. 4;
David Kalisch: Junger Zunder — Alter Plunder. Posse mit Gesang in drei Akten (1850). — In: David Kalisch, Altberliner Possen, hrsg. v. Manfred Nöbel. Berlin 1988, Bd. II, S. 141–242, hier: S. 184. Eine Reihe weiterer Beispiele für den kreativen Umgang mit der Gestaltung von Zensurlücken in: Houben [Anm. 17], S. 56ff.
Vgl.: Wolf Peter Klein u. Marthe Grund: Die Geschichte der Auslassungspunkte. Zu Entstehung, Form und Funktion der deutschen Interpunktion. — In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 25 (1997), S. 24–44, hier: S. 28 ff.
Vgl. zu dieser Interaktivität: Bernhard J. Dotzler: Werthers Leser. — In: Modern Language Notes 114 (1999), S. 445–470;
Brigitte Obermayr: Erfahrungen der Leere. Zum Status der Leerstelle in der ästhetischen Text-Erfahrung. — In: Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste. Epistemische, ästhetische und religiöse Formen von Erfahrung im Vergleich, hrsg. von Gert Mattenklott. Hamburg 2004, S. 137–154, hier: S. 145 ff.
Vgl.: Theodor W. Adorno: Satzzeichen. — In: Ders.: Noten zur Literatur. Frankfurt a. M. 1958, S. 161–172.
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Briese, O. (2008). Punkt, Punkt, Komma, Strich Heinrich Heine als Virtuose der Interpunktion. In: Kruse, J.A. (eds) Heine-Jahrbuch 2008. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00360-7_3
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