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Gewalt als männliche Ressource?

Theoretische und empirische Differenzierungen am Beispiel junger Männer mit Hafterfahrungen

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Geschlecht — Gewalt — Gesellschaft

Zusammenfassung

Der US-amerikanische Soziologe Gresham M. Sykes schreibt 1958 in seiner Studie „The Society of Captives“: „the prison inmate can never feel safe. And at a deeper level lies the anxiety about his reactions to this unstable world, for then his manhood will be evaluated in the public view“ (1958/1974: 78). Sykes verknüpft hier den Stellenwert alltäglicher Gewalt für die soziale Ordnung im Gefängnis mit Geschlecht: Aus seiner Sicht stiftet die Gewalt in der Subkultur der Gefangenen einen dauerhaften Männlichkeitskonflikt, den der Einzelne bewältigen muß.1 Der hohe Stellenwert alltäglicher Gewalt im Gefängnis zeigt sich auch gegenwärtig, beispielsweise in einer jüngst erschienenen Untersuchung zu „Prison Violence“ in England und Wales. Edgar Kimmett u.a. sprechen von einer „ordinary, day-to-day“ Routine-Viktimisierung zwischen Insassen und betonen den unspektakulären, profanen Charakter dieser „‚everyday‘ violence“ (Kimmett et al. 2003: 9).2 Dies bestätigt sich auch in der von mir durchgeführten qualitativen Längsschnittstudie zum gegenwärtigen Jugendstrafvollzug3, auf die ich mich im Folgenden beziehen werde. Genau wie in der britischen Studie zeigt sich in den Interviewerzählungen von rund vierzig heranwachsenden Männern aus drei verschiedenen Vollzugsanstalten, wie dynamisch und vielschichtig Gewalt im Gefängnis ist, und wie strukturierend sie auf die sozialen Interaktionen in der gesamten Institution wirkt. Wie bereits mit dem Zitat von Sykes angedeutet sind die Positionen von Opfern und Tätern instabil, überlappen sich und unterliegen schnellen Wechseln (vgl. Kimmett et al. 2003: 29ff.; Bereswill 2001: 272ff.).

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© 2003 Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

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Bereswill, M. (2003). Gewalt als männliche Ressource?. In: Lamnek, S., Boatcă, M. (eds) Geschlecht — Gewalt — Gesellschaft. Otto-von-Freising-Tagungen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97595-9_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97595-9_7

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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