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Schul(miss)erfolg von Migrationskindern

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Schulerfolg von Migrationskindern

Part of the book series: Reihe Schule und Gesellschaft ((SUGES,volume 28))

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Zusammenfassung

Die Zahl der Kinder mit direktem oder indirektem Migrationshintergrund ist in deutschsprachigen Ländern seit einigen Jahren stark im Steigen begriffen. Immer mehr Kinder haben Eltern mit einem ausländischen Pass und in manchen Fällen anderer Sprache und Kultur, die selber — oder deren Eltern, das heißt die Großeltern der Kinder — ausgewandert sind. In der Schweiz besaß im Jahr 2000 jedes vierte in der Schweiz geborene Kind eine ausländische Staatsbürgerschaft (diese und die folgenden statistischen Angaben aus Bundesamt für Statistik, 2001). Weitere 15% aller Neugeborenen hatten entweder eine Mutter oder einen Vater mit nichtschweizerischer Staatsangehörigkeit. Der Anteil der neugeborenen Kinder ausländischer Eltern hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen, und derjenige aus binationalen oder multikulturellen Ehen stieg in den letzten sechs Jahren um mehr als die Hälfte — sodass 2000 nur gerade 50% aller Lebendgeborenen in der Schweiz schweizerischer Herkunft waren. Der Hauptgrund dieser Zunahmen liegt im hohen Anteil ausländischer Frauen zwischen 20 und 40 Jahren, in deren höheren Geburtenhäufigkeit und in der steigenden Zahl gemischt-nationaler Ehen. Die durchschnittliche Anzahl Kinder je Frau beträgt bei Schweizerinnen 1,28 und bei Migrantinnen 1,97 (mit Schwankungen von 1,26 bei den Italienerinnen bis 2,32 bei Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien). Nahezu ein Viertel aller in der Schweiz lebenden Migrantinnen und Migranten sind in diesem Land geboren und mehr als ein Drittel der im Ausland Geborenen halten sich seit 15 oder mehr Jahren ununterbrochen da auf, so dass weit mehr als die Hälfte so genannter Ausländer einen stabilen Bestandteil der schweizerischen Wohnbevölkerung darstellen. Bei den Migrationskindern unter 15 Jahren sind sogar 60% in der Schweiz geboren. Da das schweizerische Bürgerrecht aufgrund des Jus sanguinis nur durch Abstammung automatisch erworben werden kann, bleiben sie bis zu einer eventuellen Einbürgerung ‚Ausländer‘. In Frankreich — um ein Beispiel zu nennen, wo das Jus soli gilt — erhalten sie ab Geburt das französische Bürgerrecht und werden nicht mehr als ‚Ausländer‘ gezählt (D’Amato, 2001).

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Literatur

  1. Selbstverständlich sind Aussonderungsquoten irgendwelcher Art kein unmittelbares Maß für Schulleistungsschwächen einer bestimmten Gruppe (z. B. Migrationskinder). Sie gelten vielmehr als Indikator für die Entscheidungen eines Schulsystems, die innerhalb eines vorgegebenen geographischen Raumes aus verschiedenen Gründen getroffen wurden. ( Kronig, 2000, S. 47 )

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  2. Unklar ist, auf welchen Faktoren solche ethnische Ungleichheiten genau beruhen. Fasst man nach Sander (1980) die Voraussetzungen für Schulerfolg als Wechselwirkung von personalen, außerschulischen (darunter familialen) und innerschulischen Bedingungen zusammen, so bleibt es weiterhin ungewiss, welche Rolle sie für die Bestimmung des Schulerfolgs im Einzelnen spielen. In Lanfranchi (1995, S. 43 ff.) werden die relevantesten Untersuchungen über Lem-und Leistungsstörungen bei Migrationskindern synoptisch dargestellt. Dabei zeigt sich, dass man die Fülle der Zusammenhänge letztlich nicht in Form von Ursachenkatalogen einfangen kann, da Schulmisserfolg selten ein Produkt von Dysfunktionen im Bereiche einzelner Konstituenten eines daran beteiligten Systems ist. Die Prozesse, die zu schulischem Misserfolg führen, muss man vielmehr als Mechanismen verstehen, die im Überschneidungsbereich verschiedener Systemkomponenten zu verorten sind. Eine für die (sonder-)pädagogische und (ethno-)psychologische Praxis vielversprechendere Such-und Handlungsstrategie ist deshalb die Erfassung von Systemqualitäten: a) im Kontext Kind — Familie als dynamisches Interaktionsfeld mit einer Lebensbiographie; b) im Kontext unterstützender bzw. separierender Dienste in ihrer Einbettung in die lokalspezifischen Schulstrukturen; c) im Kontext der Schulklasse und der entsprechenden Lehrperson mit einer Geschichte und den spezifischen Denk-und Deutungsmustern. Darauf wird in Kapitel 1.4 eingegangen.

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  3. Ausländerkinder sind in so genannten IV-subventionierten Sonderschulen im Vergleich zu den übrigen Schultypen nach besonderem Lehrplan — im Gegensatz zu ihren Sonderklassenanteilen — seit mehreren Jaren nur gering übervertreten (Sturny-Bossart, 1999; siehe auch Abbildung 2). Der Grund liegt primär darin, dass die schweizerische Invalidenversicherung Sonderschulungsmaßnahmen nur dann finanziert, wenn bestimmte Prämissen migrationsrechtlicher Art erfüllt sind. Minderjährige Ausländer haben grundsätzlich nur dann einen 1V-Anspruch, wenn sie in der Schweiz geboren sind oder seit der Geburt ununterbrochen in der Schweiz gewohnt haben und wenn der Vater oder die Mutter beim ,Eintritt der Invalidität` — etwa bei einem Geburtsgebrechen — versichert ist und während mindestens zehn Jahren Beiträge geleistet hat. (Lanfranchi, 1998)

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  4. In der tabellarischen Darstellung ist zu beachten, dass bei den SFM aufgrund des geschätzten Anteils von Mehrfachmaßnahmen die Zahl der Maßnahmen auf 100 Schüler/innen um 30% reduziert wurde. In der Tabelle steht also die geschätzte Rate von 70%.

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  5. Je nach kantonalem Schulsystem wird die Einschulungsklasse (EKL) in der Schweiz auch Einführungsklasse (EK), Sonderklasse A oder Kleinklasse E genannt. In der Regel dauert die EKL zwei Jahre, in welchen das Programm der I. Primarschulklasse aufgearbeitet wird.

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  6. Nebst den Angaben für so genannte ,underachievers’ scheint mir im Zusammenhang der Übertrittsproblerratik ein Blick auf die Situation der ,overachievers’ angezeigt: Nach den Erhebungen von Stamm (1998) über ,Frühlesen und Frührechnen als soziale Tatsachen` haben in der Schweiz 23% der Kinder bei ihrer Einschulung gemäß Lehrplan einen Vorsprung von mindestens einem halben Jahr und gelten als ,Vielkönner’. 10% sind sogar Alleskönner`, weil sie bei Schuleintritt bereits fehlerfrei nach dem Stoff der 1. Klasse lesen und rechnen können.

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  7. Dieser Faktor wurde in Zusammenarbeit mit R. Lischer (Schweizerisches Bundcsamt für Statistik, Abt. Bildungsstatistik) berechnet. In der Hälfte aller Kantone der Schweiz besuchen über 75% der Kinder den Kindergarten zwei Jahre lang; in vier Kantonen sind es 50 bis 70%; in drei Kantonen etwa 30%; in weiteren vier Kantonen noch weniger. Einzig ins Kanton Tessin und im Kanton Genf besuchen etwa die Hälfte aller Kinder ein drittes Kindergartenjahr. ( Siehe auch EDK, 1997, S. 10 )

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  8. Zum Beispiel ins Kanton Zürich, wo die Basisstufe ,Grundstufe` heißen soll und nur drei statt vier Jahre umfassen würde (zwei Kindergartenjahre und die 1. Primarklasse). Die obligatorische Grundstufe sieht statt Jahrgangsklassen die Führung von altersheterogenen Gruppen für Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren, die von zwei Lehrkräften mit 150 Stellenprozenten gemeinsam unterrichtet werden. Die flexible Dauer würde beinhalten, dass in der Entwicklung langsamere Kinder vier, hingegen schnellere Kinder zwei statt drei Jahre die Grundstufe besuchen würden, um dann in die 2. Klasse überzutreten. (Bildungsdirektion des Kantons Zürich, 1999, S. 23–25) Aufgrund der im Vernehmlassungsverfahren geäußerten Kritik von Seiten der Schulsynode, des Zürcher Lehrerinnen-und Lehrerverbandes sowie einzelner Parteien hat es die Bildungsdirektion des Kantons Zürich im Mai 2000 als politisch opportun erachtet, vor der Implementation des Grundstufenmodells eine Zwischenstufe einzubauen. lm neuen Gesetzesentwurf zur Reform der Volksschule und zum Bildungsgesetz wird nun als (nach unserer Beurteilung schlechte, politisch jedoch konsensfähige) neue Variante das Modell ,Kindergarten+` vorgeschlagen. Die wesentliche (aber im Vergleich zum Grundstufenmodell unwesentliche) Neuerung ist, dass ein von zwei Kindergartenjahren obligatorisch werden soll und den Kindergärtnerinnen ermöglicht wird, die Kulturtechniken einzuführen. (Vgl. Bildungsdirektion des Kantons Zürich, 2000) Siehe das Experteninterview mit der Verantwortlichen für den Bereich Grundstufe der Bildungdirektion, Frau Margot Heyer-Oeschger, in Kapitel 6.4.4.

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  9. Der Kindergarten ist im Tessin Teil der Schule und ab 3. Lebensjahr für alle Kinder zugänglich. Zur Schulsituation im Tessin siehe Kapitel 4.2.1 sowie 8. 1. 3.

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  10. Eine detaillierte Auflistung kognitiver, sozial-emotionaler und familialer Variablen, die das schulische Lernen von Migrationskindem beeinträchtigen können, geben aus metaanalytischer Sicht Bender-Szymanski and Hesse (1987).

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  11. Anhand einer repräsentative Stichprobe von 1500 Sechstklässlem aus 80 Schulklassen des Kantons Zürich haben Moser and Rhyn ( 2000 ) Daten bei folgenden Variablengruppen erhoben: Schulleistungen in Deutsch und Mathematik, Leistungsbereitschaft, Unterrichtsqualitat, Schulkultur, kognitive Leistungsfähigkeit und Leistungserwartung der Lehrpersonen.

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  12. Allerdings nach folgender strenger Definition von ,Fremdsprachigkeit`: Kinder, die zuerst eine andere Sprache als Deutsch gelernt haben, zu Hause mehrheitlich eine andere Sprache als Deutsch sprechen, eine andere Sprache besser als Deutsch beherrschen und nicht in der Schweiz geboren sind. (Moser and Rhyn, 2000, S. 62)

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  13. Es ist dabei wichtig zu betonen, dass fremdsprachige Schülerinnen und Schüler überdurchschnittlich oft aus sozial tiefen Schichten stammen, sodass wir— wenn schon — von,ungünstig zusammengesetzten Klassen’ (nach den Merkmalen Fremdsprachigkeit und sozialer Schicht) und nicht von,Klassen mit hohen Migranten-oder Fremdsprachigenanteilen` sprechen sollten (Moser and Rhyn, 2000, S. 107). Darüber hinaus muss bekräftigt werden, dass die Klassenzusammensetzung keinen statischen Sachverhalt darstellt: Einerseits befinden sich fremdsprachige Kinder in einem Entwicklungsprozess und holen mit zunehmender Aufenthaltsdauer im Aufnahmeland ihre Leistungsrückstände allmählich auf (Moser and Rhyn, 2000, S. 66 ff.). Andererseits kann eine Lehrperson mil guter interkultureller Kompetenz ungünstige Merkmale der Klassenzusammensetzung weitgehend neutralisieren. Nach Helmke and Weinert (1998, S. 96) stellt eine ungünstige Klassenzusammensetzung zwar einen potenziellen Risikofaktor für die Qualität schulischer Lemprozesse dar. Ob sich diese schlussendlich auf das Lemen der Kinder auswirkt, ist wesentlich von der einzelnen Lehrperson und von der Art ihres Unterrichtes abhängig. Es stellt sich deshalb die Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls wie Lehrpersonen ihren Unterricht auf (lie spezifische Zusammensetzung ihrer Schulklasse abstimmen (dazu Rüesch, 1998, S. 327 ).

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  14. Mit statistischen Verfahren ist es möglich, sämtliche Effekte zu neutralisieren, die aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen zwischen den Klassen zustande kommen. Man kann also die kognitive Leistungsfähigkeit, die soziale Herkunft, die Sprache und das Geschlecht sowie die Zusammensetzung der Klasse in Form des Anteils Fremdsprachiger pro Klasse statistisch kontrollieren, sodass korrekte Vergleiche zwischen den Klassen möglich werden. Tatsächlich ergeben sich einzelne sehr positive Beispiele von ,Best-Practice-Klassen`, die sehr hohe Mittelwerte (* 60%) in den gelösten Deutsch-oder Mathematik-Aufgaben erreichen und einzelne Negativbeispiele von Klassen, die sehr niedrige Mittelwerte erreichen (* 40%). (Siehe Moser and Rhyn, 2000. S. 115 ff.)

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  15. Hingegen scheint sich eine Optimierung der Organisationskultur auf der Ebene des Schulhauses (wie etwa Kooperationsformen im Lehrerkollegium) oder des Schulumfeldes (wie neue bildungspolitische Regelungen) nur indirekt auf die Leistungssteigerung von Schulkindern auszuwirken. (Wang et al., 1993, S. 276)

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  16. Graphische Bearbeitung von Priska Sieber (Stiftung Bildung und Entwicklung) anhand der von Andrea Lanfranchi erarbeiteten Unterlagen für die Studienwoche,Migration und Schulerfolg’ am Primarlehrerseminar des Kantons Zürich (2000). Vgl. auch das,Porträt einer erfolgreichen Schule im kulturell heterogenen Kontext` in Rüesch (1999, S. 102 ff.).

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  17. Die Untersuchungen von Bless (1995) scheinen indessen diese etwas apodiktischen Aussagen zu relativieren. Unter bestimmten Bedingungen — so seine empirisch belegte Überzeugung — sind integrative Schulungsformen durchaus in der Lage, Kinder mit Lernschwierigkeiten zu effektiven Lernfortschritten anzuregen, so dass Zweifel an der Effizienz integrativer Maßnahmen nicht angebracht seien. Zu dieser entstandenen Kontroverse siehe SturnyBossart (1999) und Bless (1999).

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  18. Der Präventivaspekt als Programm frühkindlicher oder zumindest vorschulischer Intervention wird freilich auch in den Items der Fragebogen-Survey von Rosenmund et al. (1999) nur am Rande berücksichtigt und tritt schließlich auch im fundierten Umsetzungsbericht der Studie (Rosenmund and Fries, 1999) nicht in Erscheinung.

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Lanfranchi, A. (2002). Schul(miss)erfolg von Migrationskindern. In: Schulerfolg von Migrationskindern. Reihe Schule und Gesellschaft, vol 28. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97562-1_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97562-1_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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