Zusammenfassung
Die Klagen über mangelnde demokratische Strukturen der EU gehören spätestens seit dem Maastrichter Vertrag zu den Standardargumenten aller Kritiker des europäischen Integrationsprozesses. Oft wird hieraus die These abgeleitet, es sei aus demokratietheoretischer Perspektive unverantwortlich, der Union weitere Politikbereiche zu übertragen. Auch die Befürworter des europäischen Zusammenschlusses diagnostizieren dieses Demokratiedefizit, leiten hieraus aber andere Konsequenzen ab. Von dieser Seite wird eine institutionelle Reform der Gemeinschaft verlangt, in der Regel eine stärkere Position des Europäischen Parlamentes im Rechtssetzungsprozess.1 Das Problem ist aus staatsrechtlicher und politikwissenschaftlicher Sicht wohlbekannt und an Verbesserungsvorschlägen fehlt es in diesen Disziplinen nicht.2
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Literatur
Winfried Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union. Eine Analyse der These vom Demokratiedefizit der Europäischen Union aus gemeineuropäischer Verfassungsperspektive, Berlin 1995, S. 11.
Die politikwissenschaftliche Literatur zu diesem Thema ist kaum noch zu überschauen und soll hier nicht referiert werden. Grundlegend sind: Peter Graf Kielmansegg, Integration und Demokratie, in: Markus Jachtenfuchs/Beate Kohler-Koch (Hrsg.), Europäische Integration, Opladen 1996, S. 47–71. Beate Kohler-Koch, Regieren in der Europäischen Union. Auf der Suche nach demokratischer Legitimität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B6/2000, S. 30–38.
Eine Ausnahme ist die Darstellung der Geschichte der Hohen Behörde der Montanunion: Raymond Poidevin/Dirk Spierenburg, History of the High Authority of the european coal and Steel Community. Supranationality in Operation, London 1994. Für die Ursprünge des europäischen Rats der Staats-und Regierungschefs ist die Arbeit von Wolfgang Wessels, Der Europäische Rat. Stabilisierung statt Integration? Geschichte, Entwicklung und Zukunft der EG-Gipfelkonferenzen, Bonn 1980, maßgebend.
Die Hohe Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl macht in ihrem Politischen Bericht vom Februar 1965 den Verfassern des Montanvertrages das Kompliment, daß die beiden später errichteten Gemeinschaften auf dieselben vier Institutionen, nämlich Exekutive, Parlament, Rat und Gerichtshof begründet worden seien und daß die einzige Gemeinschaft in Zukunft zweifellos dieselbe institutionelle Basis haben werde.“ Dies schrieb Hermann Mosier, Die Entstehung des Modells supranationaler und gewaltenteilender Staatenverbindungen in den Verhandlungen über den Schuman-Plan, in: Probleme des europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein, Frankfurt 1966, S. 355386, hier S. 355.
Vgl. die Erklärung Schumans in: Europa Archiv, Folge 11/1950, S. 3091/3092. Paul Reuter, La communauté européenne du charbon et de l’acier, Paris 1953, S. 51. Reuter war juristischer Berater Monnets in der Entstehungsphase der EGKS und hatte daher maßgeblichen Einfluss auf ihre institutionelle Konstruktion. Vgl. Jean Monnet, Memoiren eines Europäers, München 1978, S. 375. Pierre Uri, Penser pour l’action. Un fondateur de l’Europe, Paris 1991, S. 79.
Besprechung mit dem Vorsitzenden der Konferenz über den Schuman-Plan, Monnet, in Houjarry, 21. Juni 1950, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD) 1949/50, Dok. Nr. 73, S. 193.
Hanns Jürgen Küsters, Die Verhandlungen über das institutionelle System zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, in: Klaus Schwabe (Hrsg.), Die Anfänge des Schuman-Plans 1950/51, Brüssel u.a. 1988, S. 73–102, hier S. 79.
Gilbert Trausch, Der Schuman-Plan zwischen Mythos und Realität. Der Stellenwert des Schuman-Planes, in: Europa im Blick der Historiker. Europäische Integration im 20. Jahrhundert. Bewußtsein und Institutionen, hrsg. von Rainer Hudemann u.a. (HZ Beihefte NF Bd. 21), München 1995, S. 105–128, hier S. 124.
Marie-Thérese Bitsch, La France et la Naissance du Conseil de l’Europe, in: Raymond Poidevin (Hrsg.), Histoire des Débuts de la Constuction européenne, mars 1948-mai 1950, Bruxelles 1986, S. 165–198. Vgl. auch dies. (Hrsg.), Jalons pour une Histoire du Conseil de l’Europe. Actes du Colloque de Strasbourg (8–10 juin 1995), Berne 1997.
André Philip, L’Europe unie et sa place dans l’économie internationale, Paris 1953. Vgl. auch Pierre Gerbet, La France et l’intégation européenne. Essai d’historiographie, Berne 1995, S. 55.
Küsters, Verhandlungen, S. 79/80. Das Arbeitsdokument, das den Regierungen von Monnet übermittelt wurde, findet sich in: Foreign Relations of the United States 1950 Vol. 3, S. 728–738. Eine weitere Fassung vom 27. Juni in: Europa-Archiv 1950, S. 3409–3411.
AAPD 1949/50, Dok. Nr. 72 Plenarsitzung der Konferenz über den Schuman-Plan in Paris, 21. Juni 1950, S. 187.
AAPD 1949/50, Dok. Nr. 73 Besprechung mit dem Vorsitzenden der Konferenz über den Schuman-Plan, Monnet, in Houjarry, 21. Juni 1950, S. 193.
Für den Gesamtkontext hierzu: Guido Thiemeyer, Supranationalität als Novum in der Geschichte der internationalen Beziehungen der fünfziger Jahre, in: Journal of European Integration History, Vol 4, No.2 (1998); S. 5–21.
Paul Reuter, La Communauté européenne du Charbon et de l’Acier, Paris 1953, S. 50/51.
AAPD 1949/50 Dok. Nr. 99, Besprechung beim Vorsitzenden der Konferenz über den Schuman-Plan, Monnet, in Paris, 27. Juli 1950, S. 283.
Zit. nach AAPD 1949/50 Dok. Nr. 99, Besprechung beim Vorsitzenden der Konferenz über den Schuman-Plan, Monnet, in Paris, 27. Juli 1950, S. 283, Fußnote 3.
AAPD 1949/50 Dok. Nr. 82 Besprechung beim Vorsitzenden der Konferenz über den Schuman-Plan, Monnet, in Houjarry, 2. Juli 1950, S. 221.
AAPD 1949/50 Dok. Nr. 74 Plenarsitzung der Konferenz über den Schuman-Plan in Paris, 22. Juni 1950, S. 197.
Der Ministerrat war schon in den Vorgesprächen zwischen den Regierungen Belgiens und der Niederlande vereinbart worden, vgl. Poidevin/Spierenburg, History of the High Authority, S. 13.
AAPD 1949/50 Dok. Nr. 91, Sitzung des Organisationsausschusses der Konferenz über den Schuman-Plan in Paris, 12. Juli 1950, S. 251.
AAPD Dok. Nr. 99, S. 283, Besprechung beim Vorsitzenden der Konferenz über den Schuman-Plan, Monnet, in Paris, 27. Juli 1950.
Zur EPG jetzt: Seung-Ryeol Kim, Der Fehlschlag des ersten Versuchs zu einer politischen Integration Westeuropas von 1951 bis 1954, Diss. Universität zu Köln 1999. Wilfried Loth, Die EVG und das Projekt der Europäischen Politischen Gemeinschaft, in: Rainer Hudemann/Hartmut Kaelble/Klaus Schwabe ( Hrsg. ), Europa im Blick der Historiker, S. 191–201.
Der Entwurf des Ad-hoc-Ausschusses ist publiziert bei: Jürgen Schwarz, Der Aufbau Europas. Pläne und Dokumente 1945–1980, Bonn 1980, Dok. Nr. 29 Entwurf eines Vertrages über die Satzung der Europäischen Gemeinschaft/Europäische Politische Gemeinschaft (EPG), S. 108ff.
PAAA B10 (Abt. 2), Bd. 888, BI. 94, Bericht des Vorsitzenden des Verfassungsausschusses der Sonderversammlung, Dr. Heinrich von Brentano, über den Stand der Arbeiten für den Entwurf eines Vertrages über eine europäische Politische Gemeinschaft, 14. 1. 1953.
Wilfried Loth, Der Weg nach Europa, Göttingen 1991, S. 102.
PAAA B10 (Abt. 2), Bd. 891, Bl. 78–86, Staatssekretär Hallstein an diplomatische Vertretung Paris, betr. Europäische Gemeinschaft. Ergebnisse der AußenministerStellvertreter-Konferenz in Rom vom 22. September bis 9. Oktober 1953, 21./22. Oktober 1953. Eine auch die parteipolitischen Interessen berücksichtigende Interpretation bei Kim, Fehlschlag, S. 203–206.
PAAA, B10 (Abt.2), Bd. 873, Bl. 134/135, Programm für die Pariser Verhandlungen über die Politische Gemeinschaft, 21. 12. 1953.
Aufzeichnung des Leiters der Europaabteilung im französischen Außenministerium, Sexdoux vom 2.1.1953, in: Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. Dokumente 1949–1963, hrsg. von Klaus Hildebrand/Horst Möller, Bd. I: Außenpolitik und Diplomatie, bearbeitet von Ulrich Lappenküper, München 1997, Dok. Nr. 70.
Dies erklärte der französische Delegationsleiter Seydoux am 12. Januar 1954, vgl. PAAA, BIO (Abt.2), Bd. 876, Bl. 43–46, Kurzprotokoll der fünften Sitzung, Zweiter Teil, des interministeriellen Ausschusses, 12. 1. 1954.
Hinsichtlich der Verfassung gab es zunächst Differenzen zwischen Bundeskanzler Adenauer, der eine Konföderation anstrebte, und Staatssekretär Hallstein, der das bundesstaatliche Modell bevorzugte. Erst nach der Außenministerkonferenz vom 13.5. 1953 akzeptierte der Kanzler die Direktwahl des europäischen Parlaments und damit die Position des AA, vgl. Bundesarchiv Koblenz (BA), Nachlaß Herbert Blankenhorn, Bd. 19b, Bl. 109. Das Dokument findet sich auch in: Deutschland-Frankreich, Nr. 72.
PAAA B10 (Abt. 2), Bd. 867, Bl. 135–141, Aufzeichnung betr. Verhandlungen über die Europäische Politische Gemeinschaft (Ophüls), 19.2. 1954 (Vgl. auch Frankreich-Deutschland, Dok. Nr. 77 ).
PAAA B10 (Abt.2), Bd. 874, Kommission für die Europäische Politische Gemeinschaft, Lenkungsausschuß. Entwurf eines Protokolls der ersten Sitzung vom 28. und 29. Januar 1954, 30. 1. 1954.
PAAA B 10, Abt. 2, Bd. 876, Bl. 43–46, Kurzprotokoll der fünften Sitzung, Zweiter Teil, des interministeriellen Ausschusses, Paris, 12. 1. 1954.
PAAA, B10 (Abt. 2) Bd. 876, Bl. 130/131, Kurzprotokoll der siebzehnten Sitzung des institutionellen Ausschusses, 1. Teil, Paris, 12. 2. 1954.
PAAA B10 (Abt. 2), Bd. 867, Bl. 135–141. Aufzeichnung: Betr. Verhandlungen über die Europäische Gemeinschaft (Ophüls), 19.2.1954 (Vgl. auch Deutschland-Frankreich, Dok. 77).
PAAA BIO (Abt.2) Bd. 891, Bl. 122, Hallstein an alle diplomatischen Vertretungen. Betr. Verschiebung der Brüsseler Außenministerkonferenz über Europäische Politische Gemeinschaft, 27. 3. 1954.
Gemeint sind die deutsch-französischen Wirtschaftsvereinbarungen vom Oktober 1954. Vgl. hierzu: Andreas Wilkens, Das Programm von La-Celle-St. Cloud. Der Ausbau der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen 1954–1957, in: Revue d’Allemagne, Bd. 25 (1993), S. 565–580. Georges Henri Soutou, La France, l’Allemagne et les accords de Paris, in: Relations internationales, No. 58 (1987), S. 451–470. Soutou hebt die herausragende Bedeutung dieser Vereinbarung für die deutsch-französischen Beziehungen heraus. Doch waren diese Verträge auch entscheidend für die Entstehung des Benelux-Memorandums, das in Messina die „Relance européenne“ einleitete. Vgl. hierzu: Guido Thiemeyer, Zwischen deutsch-französischem Bilateralismus und europäischer Solidarität: Die „Relance européenne” (1954–1955), in: FRANCIA Bd. 26/3 ( 1999 ), S. 49–75.
Der Spaak-Bericht (Deutsche Fassung) vom 21.4.1956 findet sich in: Jürgen Schwarz (Hrsg.), Der Aufbau Europas, Bonn 1980, S. 277–334.
PAAA B10 (Abt. 2), Bd. 928, Bl. 40/41, Fernschreiben Ophüls an AA, 14. 9. 1956.
PAAA B10 (Abt. 2). Bd. 912, Bl. 91, Aufzeichnung Brüsseler Integrationskonferenz Delegationsleiter, 13.9.1956.
Die Entscheidung, die Verhandlungen über Euratom und den Gemeinsamen Markt voranzutreiben, fiel schon bei dem Treffen am 29. September in Bonn. Hierzu mit Quellenbelegen: Guido Thiemeyer, Vom Pool Vert zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, München 1999, S. 218–220.
PAAA B10 (Abt. 2), Bd. 914, Bl. 153/154 Besprechung bei Ministerialdirigent Dr. Carstens, 19. 11. 1956.
PAAA B 10 (Abt.2), Bd. 914, Bl. 248/249, Fernschreiben Brüssel an AA, 30. 11. 1956.
PAAA B 10 (Abt.2), Bd. 915, Bl. 77, Besprechungspunkte betreffend Gemeinsamen Markt für Ministertagungen in Paris, 8. Dezember 1956.
Documents Diplomatiques Français (DDF), 1956, Tome III, Paris 1990, No. 253, M. Pineau aux Représentants diplomatiques de France à l’étranger, 1. 12. 1956.
Hierzu Art. 144 EWG-Vertrag. Vgl. auch Hans von der Groeben/Hans vom Boeckh (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Baden-Baden/Bonn 1960, S. 18/19. Zum Gesamtvertrag Hanns Jürgen Küsters, Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Baden-Baden 1982, S. 462, Wilfried Loth, Der Weg nach Europa, Göttingen 1991, S. 130 /131.
Hans von der Groeben, Legitimationsprobleme der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1987, S. 82.
Ministerie van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij, Archiefdepot, Den Haag, Direktie Internationale Organisaties (Blok 2), Vol. 822, Memorandum über die Landwirtschaftsintegration, geheim, 18.6.1953 (Das Dokument ist bemerkenswerterweise in deutscher Sprache verfasst.).
Vertrag von Amsterdam. Texte des EU Vertrags und des EG Vertrags, Bonn 1999, S. 19.
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Thiemeyer, G. (2001). Die Ursachen des „Demokratiedefizits“ der Europäischen Union aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive. In: Loth, W. (eds) Das europäische Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Grundlagen für Europa, vol 8. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97497-6_2
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