Zusammenfassung
Akzeptiert man die skizzierten kommunikations-, zeit- und sozialtheoretischen Bestimmungen des Subjekt- und Handlungsbegriffes, so fällt auf, daß auch in der Politischen Psychologie und speziell in der psychologischen Friedensforschung nur wenige Arbeiten zu finden sind, die, in der einen oder anderen Weise, derartigen theoretisch-terminologischen Bestimmungen und entsprechenden methodologisch-methodischen Konsequenzen (vgl. Kapitel 6) hinreichend Rechnung tragen. Zweifellos ist diesbezüglich auch in der Politischen Psychologie und in der psychologischen Friedensforschung derzeit manches im Umbruch. Ich werde im folgenden kurz auf einige Aspekte eingehen, die solche Veränderungstendenzen illustrieren. Dabei sollte deutlich werden, daß die in den vorliegenden Studien verfolgten Ansätze und Zielsetzungen zwar mit den nun aufzuzeigenden Tendenzen übereinstimmen, zugleich aber über diese hinausweisen und weitere Perspektiven und Folgen beinhalten, die nicht zuletzt die Gestaltung der methodisch kontrollierten Forschungspraxis betreffen.13
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Literatur
Ich begnüge mich im folgenden mit einigen wenigen Anmerkungen zu unschwer erkennbaren, von verschiedenen Beobachtern diagnostizierten Problemlagen und Tendenzen in den einschlägigen Diskursen. Dadurch soll die vorliegende Arbeit leichter “lokalisiert” und auf den Stand der Diskussion bezogen werden können. Ich werde allerdings lediglich zu exemplarischen und illustrativen Zwecken andere Forschungen erwähnen. Mir kommt es nicht darauf an, “besonders wichtige” Einzelarbeiten zu zitieren. Und schon gar nicht wird der Versuch gemacht, den derzeitigen Stand friedenspsychologischer Forschung möglichst umfassend und lückenlos zu skizzieren. Ich werde dagegen selektiv und ganz auf meine Illustrations- und Argumentationsabsichten bedacht vorgehen und entsprechend spärlich zitieren. Für eine umfassendere Übersicht verweise ich auf vorliegende Arbeiten: Fiske (1987) bietet, aus der Sicht des “American Psychologist”, einen knappen Oberblick zum Thema “People’s Reactions to Nuclear War”. Informativ ist auch der von Boehnke, Macpherson und Schmidt (1989) herausgegebene Sammelband; die dort erschienenen Beiträge, insbesondere die (entsprechenden Teile der) Ausführungen von Bullens, Haste, Müller-Brettel (vgl. auch Müller-Brettel 1988) oder Boehnke und Macpherson liefern reichhaltige Einblicke in die internationale psychologische Friedensforschung. Eine gewisse Orientierung bietet auch die knappe Skizze psychologischer Friedensforschung von Nicklas (1991). Einen Einblick in aktuelle Arbeiten und Projekte bieten außerdem die sogenannten “Rundbriefe der Friedensinitiative Psychologie — Psychosoziale Berufe”, etwa die vom Vorstand der genannten Initiative herausgegebene Sonderausgabe Dezember 1989, in der verschiedene Autoren Ergebnisse ihrer Forschungen vorstellen; schließlich sei die umfassende, von Müller-Brettel (1993) herausgegebene Bibliographie zur psychologischen Friedensforschung erwähnt.
Der im deutschsprachigen Raum wohl am bekanntesten gewordene Versuch einer forschungspraktischen “Einlösung” der genannten Forderung in der Friedensforschung stammt von Volmerg, Volmerg und Leithäuser (1983), die im Theorierahmen einer psychoanalytischen Sozialpsychologie den Spuren des Ost-West-Konfliktes im Alltagsbewußtsein nachgehen.
Zu einigen prinzipiellen und generellen Schwierigkeiten der auch von Tizard kritisierten, nomologischen “Variablen-Psychologie”, deren wissenschaftliche Erfahrungsund Erkenntnisbildung gänzlich an die Idee der technischen, beliebig oft reproduzierbaren Herstellung standardisierter und kontrollierter “Bedingungen” sowie an die Perspektive eines “Beobachters” gebunden ist, vgl. Aschenbach, Billmann-Mahecha, Straub und Werbik (1983). Zum Ansatz einer interpretativen “Psychologie bedeutungsvollen Handels” vgl. Die wegweisende Albeit von Bruner (1990). Eine interessante Konzeption einer [dural verfaßten Psychologie, innerhalb der drei mögliche, gleichermaßen “grundlegende” Perspektiven der Erfahrungs- und Erkenntnisbildung unterschieden werden (Perspektive der 1. Person, dialogische Perspektive, Perspektive des Beobachters), bietet Werbik (1992).
Dies wird auch in der psychologischen Friedensforschung am ehesten von psychoanalytischen Ansätzen bzw. in den von psychoanalytischem Denken beeinflußten Arbeiten gesehen und berücksichtigt — häufig freilich in einer Weise, die theoretische und methodologische Probleme dieser Forschungstradition unbearbeitet perpetuieren. Zum Beispiel: Wo die Psychoanalyse als klinische Individualpsychologie verstanden wird, werden nicht selten gesellschaftliche und soziale Phänomene psychologisiert und psycho-pathologisiert; nicht in jedem Fall nützlich ist auch der spezifische, eben auch enge theoretische und begriffliche Rahmen, den die Psychoanalyse der Friedensforschung bereitstellt; schließlich kann in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen werden, daß in der Friedensforschung die psychoanalytische Erfahrungs- und Erkenntnisbildung sich bisweilen nicht gerade durch methodische Kontrolle und intersubjektive Überprüfbarkeit auszeichnet. Vgl. aber beispielsweise die bereits erwähnte empirische Arbeit von Volmerg, Volmerg und Leithäuser (1983), in der auch einige der genannten theoretischen und methodischen Probleme zumindest angegangen und reflektiert werden (vgl. dazu auch Leithäuser und Volmerg 1988).
Diese Feststellung ist m.E. haltbar, auch wenn offenkundig ist, daß Königs kritischer Literaturbericht bisweilen etwas zugespitzt und polemisch formuliert ist. Es ist aber gerade dieser bewußte Verzicht auf “zurückhaltende Ausgewogenheit”, der gravierende Schwachsteilen der Politischen Psychologie deutlich macht.
Zur Kritik der Konzeption des Menschen als Merkmalsträger vgl. z.B. Tenbrock (1984), Matthes (1985).
Üblicherweise ging und geht es in den für die hier interessierende Thematik einschlägigen Arbeiten um den Einfluß der atomaren Bedrohung auf politische Orientierungen und politisches Engagement (Boehnke & Macpherson 1989), wobei die unterschiedlichsten Bedingungen und intervenierenden Variablen die beobachteten Varianzen aufzuklären haben: neben Einstellungen und Werten, Geschlecht, Bildungshintergrund, Faktenwissen zur atomaren Bedrohung und Emotionen nennen Boehnke und Macperson in ihrer überblicksartigen Skizze von Forschungsperspektiven und Forschungsresultaten auch noch Aspekte der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter und der spezifisch familialen Sozialisation (a.a.O., 230ff); dem könnten andere Aspekte, Faktoren oder Variablen, denen in den verbreiteten theoretischen Ansätzen und in den durchgefühlten empirischen Arbeiten zum friedenspolitischen Engagement Relevanz zugesprochen wird, hinzugefügt werden.
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© 1993 Leske + Budrich, Opladen
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Straub, J. (1993). Exkurs: Anmerkungen zur psychologischen Friedensforschung. In: Geschichte, Biographie und friedenspolitisches Handeln. Biographie & Gesellschaft, vol 20. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96038-2_3
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