Zusammenfassung
Die Umwandlung der Eigentumsverhältnisse, einer der zentralen Aspekte der Transformation von einer sozialistischen Wirtschafts- und Bodenordnung zu einer privatwirtschaftlichen, beeinflusst die Stadtentwicklung in Ostdeutschland nachhaltig. Beim Übergang von der sozialistischen zur kapitalistischen Stadt (vgl. Häußermann 1996a; Harloe 1996) und der Transformation zu einem ‚westlichen‘ Stadtentwicklungsmodell treten spezifische Probleme auf — „Übergangsprobleme bei der Anpassung von einer staatlichen Boden-, Bau- und Investitionssteuerung zu DDR-Zeiten zu einem Stadtentwicklungstypus, in dem die konkrete städtische Form sich aus der konkurrierenden Einflussnahme der teilautonomen Systeme Kommunalverwaltung, Boden- und Wohnungsmarkt sowie privatwirtschaftlichen Investitionen ergibt“ (Häußermann 1997: 91, kursivgedruckt im Original). Ob sich die ostdeutschen Städte tatsächlich an das westliche Modell anpassen lassen oder ob sie eigene und neue Wege beschreiten, kann in der gegenwärtigen Phase des Umbruchs und Übergangs nicht vorausgesagt werden. Ein Vergleich der Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung Westdeutschlands in den Nachkriegsjahrzehnten mit denen Ostdeutschlands heute zeigt jedoch, dass sie sich ganz wesentlich voneinander unterscheiden. Ostdeutschland vertilgt über ein deutlich geringeres gesamtwirtschaftliches Wachstum als Westdeutschland in der Nachkriegszeit. Ein einfacher Nachvollzug der westdeutschen Stadtentwicklungsprozesse und eine Reproduktion der Strukturen wird von Stadtforschern daher zumindest in Zweifel gezogen (vgl. Friedrichs 1995; Häußermann 1997: 94ff.). Erschwerend kommt hinzu, dass die Probleme in den neuen Bundesländern, die mit einer Anpassung oder Überleitung einhergehen, gravierender sind als diejenigen in den alten Bundesländern nach dem 2. Weltkrieg. Da die Eigentums- und W irtschaftsverfassung während des Nationalsozialismus kaum nachhaltig geändert wurde, konnte auf ihr im Wesentlichen aufgebaut werden, was das sog. Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik forderte. In der SBZ und der DDR hingegen wurden die Eigentums- und Wirtschaftsverhältnisse über mehr als 40 Jahre grundlegend geändert, so dass sich der heutige Umbau und die Einpassung in die Eigentums- und Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes als ungleich schwieriger und langwieriger gestalten (Sendler 1996: 104).
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Literatur
Entwicklungsprognosen für ostdeutsche Städte gehen auseinander. Für die Städte Berlin (Ost), Dresden, Potsdam und Leipzig wird jedoch einstimmig zu Beginn der 90er Jahre ein Wachstum erwartet (Friedrichs 1995 ).
Leerstand steht auch in Zusammenhang mit dem Bevölkerungsrückgang in diesen Städten und der eklatanten Diskrepanz zwischen Bevölkerungsverlusten in vielen ostdeutschen Städten und Regionen bei gleichzeitiger umfangreicher Neubautätigkeit. Einer seit 1990 kontinuierlichen Abwanderung von Ostdeutschen in den Westen stand bis Ende 1997 eine durch Steueranreize stimulierte zunehmende Neubautätigkeit in Ostdeutschland gegenüber, die in einem Überangebot an Wohnungen resultierte (vgl. Banse/Effenberger 1997). Die Neubautätigkeit ist jedoch seit 1998 rückläufig (Der Tagesspiegel, 27. 3. 1999 ).
Seit Anfang der 90er Jahre haben sich die (wohnungs-)wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ostdeutschen Städten nicht kontinuierlich in Richtung Wachstum oder Niedergang entwickelt. Gegenwärtig werden in Städten, die noch Anfang bis Mitte der 90er Jahre Wachstumserwartungen zeitigten, z. B. Leipzig, deutliche Bevölkerungsrückgänge festgestellt (vgl. Häußermann/Friedrichs 1999 ).
Durch die Entwertung des Eigentums und die Entrechtung des Eigentümers in der DDR rückte der Mieter quasi in eine eigentümerähnliche Position - Hunger spricht vom „Quasi-Eigentum“ des Mieters (Herlyn/Hunger 1994: 28) - zumindest bezogen auf die Gestaltungsmöglichkeiten über seinen Wohnraum und die subjektiv empfundene Erhaltungs-und Instandsetzungspflicht. Die Nutzungsverhältnisse stellen sich als eine Ableitung aus den Eigentumsverhältnissen dar. Mit der gegenwärtigen Neuordnung der Eigentumsverhältnisse und der damit einhergehenden Veränderung der Eigentümerstruktur ist daher auch eine Änderung der Nutzungsstruktur und der Nutzungsverhältnisse zu erwarten.
Gemeinsame Erklärung der Regierungen der BRD und DDR zur Regelung offener Vermögensfragen“ vom 15.6.1990, Einigungsvertrag, Anlage III
Nicht nur die ostdeutschen Verhandlungsführer, auch Politiker der westdeutschen Sozialdemokraten warnten vor den Folgen einer Restitutionslösung und favorisierten eine Ent schädigung. Für Oskar Lafontaine, SPD, stellte das Rückgabeprinzip ein Hindernis für die ökonomische Erneuerung der DDR dar sowie ein Hemmnis bei der Herstellung sozialer Gerechtigkeit (vgl. Zweite und Dritte Lesung des Einigungsvertrages am 20.9.1990 im Deutschen Bundestag, Bonn).
Als nicht selbstverständlich wird die Gleichsetzung der Alteigentümer und Erben in Bezug auf deren Restitutionsansprüche nach dem VermG angesehen. Kritik wird daran geübt, dass Erben an die Stelle der verstorbenen Alteigentümer treten und somit das Erbrecht un-diskutiert als essentielle Verlängerung des Privateigentums verstanden wird (vgl. Ossenbühl 1995) - ungeachtet der Tatsache, dass die Restitution mit der Wiedergutmachung von Unrecht gerechtfertigt wird, die - nach Ossenbühl - „ein persönliches Schicksal und als personengebundenes Ereignis (…) prinzipiell nicht vererbbar (ist) “ (Ossenbühl 1995: 136f., zit. nach Czada 1997a: 27 ).
Das VermG in seiner ursprünglichen Fassung enthielt einen ausdrücklichen Ausschluss vom Schutz des redlichen Erwerbs, beschränkt auf die Veräußerung von Immobilien, falls das Geschäft nach dem 18. Oktober 1989, dem Rücktritt Honeckers als Staatsratsvorsitzenden, abgeschlossen wurde. Diese Stichtagsregelung geht auf die Unterstellung zurück, dass überwiegend Funktionäre der SED nach dem Stichtag Grundstücke gekauft hätten. Dies ist nach heute vorliegenden Erkenntnissen unrichtig. Vielmehr wird heute davon ausgegangen, dass erst das Verkaufsgesetz ab März 1990, das sog. Modrow-Gesetz (Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7.3.1990. In: Gesetzesblatt der DDR, Teil I, 18/1990, S.158f.) in größerem Umfang den Kauf von Grund und Boden aus Volkseigen-turn ermöglichte (vgl. Brouer et al. 1995 ).
Mit dem 2. VermRAG wurden verschiedene Ausnahmen von der Stichtagsregelung vorgenommen. Hierzu gehören z.B. Fälle, in denen der Erwerb vor dem 19. Oktober 1989 schriftlich beantragt oder sonst aktenkundig gemacht worden ist oder der Erwerber vor dem 19. Oktober 1989 in wesentlichem Umfang werterhöhende oder substanzerhaltende Investitionen vorgenommen hat (vgl. Holzinger 1995: 179 ).
Bis zum 30.9.1998 wurden gegen die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen mehr als 135.000 Widerspruchsverfahren eingeleitet. Darüber hinaus wurden knapp 40.000 Klagen bei den Verwaltungsgerichten erhoben. Hierbei wurden bei den erledigten Fallen zu 93% die Entscheidungen der Ämter und Landesämter bestätigt (Pressemitteilung des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen - BAROV -11111998).
In der sowjetischen Besatzungszone und im sowjetisch besetzen Sektor von Berlin gab es nach dem 8.5. 1945 Ansätze zur Wiedergutmachung des NS-Unrechts. In den Ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg wurden in unterschiedlicher Art und Weise Verfahren zur Wiedergutmachung des NS-Unrechts eingeleitet. Nach der Gründung der DDR im Oktober 1949 galt eine umfassende Wiedergutmachung zugunsten der rassistisch Verfolgten jedoch nicht mehr als opportun (vgl. BARoV I994a;b; Kimme 1995 ).
Statistisch gesehen betrifft diese Anzahl etwa jedes vierte Grundstück in Ostberlin. Dies ist insofern zu relativieren, als viele Mehrfachanträge für einzelne Grundstücke gestellt wurden. Auch wird die JCC nur einen Bruchteil dieser Immobilien zurückbekommen, da sich ihre Ansprüche u.a. als nicht berechtigt erweisen, eine Naturalrestitution nicht möglich ist oder Erben der ehemaligen Eigentümer die Grundstücke selbst beanspruchen (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin 1997: 16 ).
Wie die empirische Untersuchung der historischen Eigentumsverhältnisse zahlreicher Immobilien in Kapitel 2 zeigt, erfolgten nicht-verfolgungsbedingte Eigentumstransfers während des Nationalsozialismus bei jüdischem Eigentum selten und wenn, dann begrenzt auf die Zeit vor Erlass der Nürnberger Gesetze am 15.9.1935.
Die Liegenschaften sind in den Grundbuch-und Katasterämtern nach Band, Blatt, Flur und Flurstück erfasst. Eine Immobilie kann aus mehreren Flurstücken bestehen. Dabei entspricht ein Flurstück einem Vermögenswert, so dass ein Grundstück mehrere Vermögenswerte im Sinne der statistischen Erfassung darstellen kann. Bei vermögensrechtlichen Ansprüchen, die Grundstücke betreffen, lassen sich die Anträge der Antragsteller dem Vermögensobjekt Immobilie nur durch Flurstücke, aus denen das Grundstück besteht, eindeutig zuordnen. Dabei muss jedes Flurstück als autonomes Vermögensobjekt gesehen und dem entsprechenden Antragsteller zugeordnet werden.
Diese Zahl schließt die Anträge auf Unternehmen mit ein. Nach Auskunft der zuständigen Mitarbeiterin des Berliner LARoV im Dezember 1998 werden Immobilien-und Unternehmensanträge nicht getrennt erfasst. Nach Aussagen der Bearbeiterin kommen im Bereich Immobilien durchschnittlich auf einen Antragsteller/Antrag zwei Vermögenswerte; Berlin weist daher keine Unterschiede zu den anderen Bundesländern auf.
Für Berlin sind keine Angaben hinsichtlich der Art der Erledigung zugänglich. Laut Aussage des Leiters des Berliner LARoV, Hugo Holzinger, wird ein Drittel aller Ansprüche den Alteigentümern zurückgegeben, ein Drittel behalten oder übernehmen der Bund und das Land Berlin und ein letztes Drittel wurde von derzeitigen Besitzern „redlich erworben“ (Der Tagesspiegel, 16.12.1998). Somit werden in Berlin etwa zwei Drittel aller Ansprüche abgelehnt, ein Drittel rückübertragen.
In einigen Fällen, in denen eine WBG diese Auflage nicht beachtete, ergaben sich bei der Übergabe der Immobilie an den Privateigentümer rechtliche Probleme im Zusammenhang mit neuen Mietverhältnissen, die sich letztlich negativ auf deren Gültigkeit auswirkten (vgl. VorOrt, laufende Ausgaben).
Dieser Zustand ist in der Rechtsordnung eigentlich nicht vorgesehen. Das BGB geht davon aus, dass es nur einen verfügungs-und handlungsberechtigten Eigentümer gibt. Die durch die langwierige Klärung der Eigentumsfrage und durch die Verfügungssperre über einen langen Zeitraum existierende Lage entspricht der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ (§ 676ff. BGB). Das BGB sieht dies jedoch immer nur für einzelne Handlungen und kurze Momente der Gefahr vor. Ein solcher ‘Ausnahmezustand’ wurde mit der Neuordnung der Eigentumsordnung umfangreich und über einen langen Zeitraum herbeigeführt.
Fernsehproduktion des WDR vorn April 1996
Hugo Holzinger, der damalige Leiter des Berliner Vermögensamtes, am 9.1.1999 in einer TV-Diskussionsrunde; er gibt mit diesem Zitat nicht seine eigene Einschätzung, sondern die Sichtweise vieler ostdeutscher Bürger wieder.
Mit dieser Regelung geht jedoch eine finanzielle Überlastung vieler ostdeutscher Bürger einher. Die Ausübung des Vorkaufsrechts führt für viele zu einer Überschuldung. Wielgohs (1995: 237, Anmerkung 45) zitiert einen Mitarbeiter des Mieterbundes Land Brandenburg, nach dessen Angaben durch diese Regelung etwa 20 bis 30% der Betroffenen finanziell überfordert seien, vor allem in den Ballungsgebieten bzw. im Umland von Berlin und Leipzig.
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Reimann, B. (2000). Die vermögensrechtliche Neuordnung von Immobilien in Ostdeutschland seit 1990. In: Städtische Wohnquartiere. Stadt, Raum und Gesellschaft, vol 12. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94970-7_2
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