Zusammenfassung
Ein Ereignis, das in einer liberalen Demokratie alltäglich sein sollte, hat die Bundestagswahl 1998 zu einer besonderen Wahl gemacht. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde eine amtierende Bundesregierung durch den Bürger abgewählt. Eine Regierung aus SPD und Bündnis90/Die Grünen löste die von Helmut Kohl geführte christlich-liberale Regierung ab. Damit fand nicht nur ein Austausch des politischen Führungspersonals statt, sondern endete nach 16 Jahren auch die bürgerlich konservative Ära. Anders als noch 1994, setzte sich 1998 die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der christlich-liberalen Regierung in Stimmengewinne für die SPD um, so daß ein Regierungswechsel möglich wurde. Die Bundestagswahl sei ein Volksbegehren gegen Helmut Kohl, titelte „Die Zeit“ in ihrem Dossier vom 1. Oktober 1998: der Überdruß erfasse alle Schichten, Altersgruppen und Regionen. Erste Analysen des Wahlverhaltens zeigen, daß die SPD in fast allen Bevölkerungsgruppen mehr Stimmen errang als die CDU, lediglich bei den über 60jährigen und unter den Katholiken konnte die Union Mehrheiten gewinnen.1 Gegen die allgemeine Stimmungslage in der Bundesrepublik stand eine Mehrheit der katholischen Wähler zu ihrer Stammpartei, was der Anlaß ist, den Einfluß von des „Kirchturms langem Schatten” (vgl. Mielke 1991) auf das Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 1998 erneut zu untersuchen.2 Die übergreifende forschungsleitende Fragestellung dieser Untersuchung lautet: Welche politische Relevanz besitzt die konfessionell-religiöse Spannungslinie noch für das Wahlverhalten in Deutschland?
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Jacobs, J. (2000). Die konfessionell-religiöse Spannungslinie bei der Bundestagswahl 1998. In: Pickel, G., Walz, D., Brunner, W. (eds) Deutschland nach den Wahlen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93326-3_8
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