Zusammenfassung
Das vorliegende Buch beschreibt, erklärt und bewertet die Sozialpolitik der Deutschen Demokratischen Republik von ihrer Gründung am 7. Oktober 1949 bis zu ihrem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990.1 Welche Wirkungen hatte die Sozialpolitik der DDR, so auch die offizielle Kurzbezeichnung für das sozialistische Regime in Ostdeutschland? Wie beeinflusste die Sozialpolitik die soziale Lage der Bevölkerung und die Schichtung der Gesellschaft in der DDR? Wie und in welchem Ausmaß prägten die Diktatur und die sozialistische Zentralverwaltungswirtschaft die Sozialpolitik? Welche Gestalt nahm die Sozialpolitik im letzten Jahr der DDR an, insbesondere nach dem Sturz von Honecker2 im Oktober 1989 und dem seines Nachfolgers Krenz?3 Ferner: Was hat die DDR-Sozialpolitik mit den sozialpolitischen Weichenstellungen in Deutschland vor 1945 gemeinsam, und an welcher Stelle hat sie alte Pfade verlassen? Schließlich: Was unterscheidet die DDR-Sozialpolitik von der Sozialpolitik in anderen sozialistischen Staaten und in der Bundesrepublik Deutschland vor 1990? Diese Fragen leiten die hier vorgelegte Bilanz der Grundlinien der DDR-Sozialpolitik.
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Literatur
Dies ist die überarbeitete und aktualisierte Fassung von Schmidt 2001a.
Erich Honecker, 1912–1994, war 1958–1989 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED und 1976–1989 Generalsekretär des Zentralkomitees der SED. 1971 wurde er als Erster Sekretär des ZK der SED Nachfolger von Walter Ulbricht. 19761989 fungierte er als Vorsitzender des Staatsrats der DDR. Am 18.10.1989 erfolgte der Rücktritt Honeckers von allen Ämtern und am 3.12.1989 sein Ausschluss aus der SED.
-1989 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED, 18.10.1989–3.12.1989 Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, 24.10.19896.12. 1989 Vorsitzender des Staatsrats der DDR. Am 21.1.1990 wurde Krenz aus der SED/PDS ausgeschlossen.
Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (vom 22. Mai 1976 ); in: Programm und Statut der SED 1982: 75. Der Begriff entstammt Marx’ Lehre. Als „revolutionäre Diktatur des Proletariats“ hatte Karl Marx die Übergangsperiode zwischen kapitalistischer und kommunistischer Gesellschaft bezeichnet (Marx 1970b: 24). Friedrich Engels nannte als Paradebeispiel der Diktatur des Proletariats die Pariser Kommune von 1871 (Engels 1970: 453). Die Pariser Kommune war jenes revolutionäre Stadtregime, das nach dem Aufstand in Paris im Anschluss an den Waffenstillstand im deutsch-französischen Krieg von Sozialisten und Kommunisten — den Kommunarden — von März bis Mai 1871 errichtet worden war. In seinen Politischen Schriften feierte Marx die Kommune. Ihr historisches Verdienst sah Marx in ihrer Mitwirkung an der Zerschlagung der politischen Form der Klassenherrschaft des alten Staates und darin, dass die Kommune an die Stelle des alten Regimes eine — zu einer neuen Gesellschaftsordnung strebende — gewaltenmonistische direktdemokratisch legitimierte „Regierung der Arbeiterklasse” setzen wollte (Marx 1970a: 490 ). Gewaltenmonismus kennzeichnete auch den Staat der DDR. Doch im Unterschied zu Marx’ propagierter direktdemokratischer „Regierung der Arbeiterklasse“ setzte die politische Führung in der DDR auf „sozialistische Demokratie”, und das hieß zuvörderst politische Hegemonie der SED.
Art. 17 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Neufassung der Bekanntmachung vom 27. September 1974 (Gbl. der DDR Teil I, 432); vgl Mampel 1997; Roggemann 1989.
Glaeßner 1988. Zum Wandel nach Honecker vgl. Kapitel 4.5. Auch die folgenden Charakterisierungen der DDR beziehen sich — soweit nicht anderes ausdrücklich erwähnt wird — auf die DDR von ihrer Gründung bis zum Ende des SED-Staates im Dezember 1989, Anfang 1990. Zur weiteren Entwicklung Kapitel 4. 5.
Ein Blockparteiensystem charakterisierte die Parteiensysteme der sozialistischen Lander Mittel-und Osteuropas von den 50er Jahren bis Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, mit Ausnahme der Sowjetunion. Dort war die KPdSU bis in die zweite Hälfte der 80er Jahre die einzige Partei geblieben. In der DDR bildete die SED zusammen mit der ostdeutschen CDU, der LDPD (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands), der NDPD (National-Demokratische Partei Deutschlands), der DBD (Demokratische Bauernpartei Deutschlands) und den Massenorganisationen FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund), FDJ (Freie Deutsche Jugend), KB (Kulturbund der DDR), DFD (Demokratischer Frauenbund Deutschlands) und VgB (Vereinigung für gegenseitige Bauernhilfe) bis zur Wende von 1989/90 den Block der Nationalen Front. Die Blockparteien hatten mit Ausnahme der SED einen äußerst knapp bemessenen Handlungsspielraum. Leitlinie war die Unterordnung unter die SED. Die Zahl der Parlamentssitze der Blockparteien und der Verbände wurde schon vor den Wahlen bindend festgelegt. Die 500 Sitze der DDR-Volkskammer in der Zeit vor der Wende wurden wie folgt verteilt (Stand September 1989): 127 Sitze für die SED, je 52 Sitze für CDU, LDPD, NDPD und DBD, FDGB 61, FDJ 37, DFD 32, KB 21 und VgB 14 Sitze.
G.R. Stephan 1997.
Die SED war ihrem Selbstverständnis nach „die Partei der Arbeiterklasse und des ganzen werktätigen Volkes […] Sie ist eine marxistisch-leninistische Kampfpartei.“ Protokoll der Verhandlungen des VI. Parteitages der SED 1963: 299; vgl. Herbst/Stephan/Winkler 1997.
Vgl. Herbst/Stephan/Winkler 1997.
So vor allem Vertreter der Totalitarismustheorie. Vgl. Seidel/Jenkner 1976; Jesse 1999.
Kocka 1995: 588–597.
Schroeder 1998: 633, 642 in Abgrenzung von Kocka 1995.
Vgl. Huinink/Mayer/Diewald 1995.
Vgl. z.B. Schroeder 1998.
Zwischen 1949 und 1989 waren schätzungsweise 200.000–250.000 Personen in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert worden. Als Instrument politischer Strafjustiz wurden 1945–1981 in erster Instanz 372 Todesurteile ausgesprochen (davon 136 wegen des Tatvorwurfs von NS-Verbrechen) und in 206 Fallen vollstreckt. Die Zahlen basieren auf: Schlußbericht der Enquete-Kommission vom 10. Juni 1998. In: Materialien der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“, Bd. 1. Hrsg. v. Deutschen Bundestag 1999: 173. Vgl. zur Politischen Justiz u.a. Fricke 2000: Kapitel Ill.
Niethammer 1997: 314; vgl. Niethammer/von Plato/Wierling 1991; Niethammer 1999b: 307–327.
Vgl. Huinink/Mayer/Diewald 1995.
Erstmals in die Diskussion eingeführt wurde dieser Begriff von Ludz 1970, 35ff., 98f., 324f.
Vgl. Schroeder 1998: 648, der in der politischen Geschichte der DDR einen „Wechsel von einem gewaltsamen totalitären System zu einem spättotalitären Versorgungs-und Überwachungsstaat“ sieht.
Hier machte sich die Partei den Staat völlig untertan, saugte ihn gewissermaßen aus und setzte sich an seine Stelle“ (Kocka 1995: 596).
Vgl. Schroeder 1998; von Beyme/Zimmermann 1984; Kaelble/Kocka/Zwahr 1994; Pirker/Lepsius/Weinert 1995; Fulbrook 1995; Ritter 1998; H. Weber 1999, 2000; Schroeder 1998; Deutscher Bundestag 1999a bis 1999k; Ritter 2002.
Busch 1995.
Auf das „Wohl des Volkes“ — durchaus klassenkämpferisch gemeint — nahm auch die Selbstdarstellung der Sozialpolitik Bezug, vor allem in der Honecker-Ära, so Trumpler/Sellin/Zeising 1980; Trümpler/Finzelberg/Lauschke 1986.
Honecker 1986, zitiert nach: Winkler 1989: 232.
Vgl. BISS 1990: 6344; Grundmann 1993: 79–89; Hanke 1995; Schöppner 1997: 67ff.
Okun 1975.
Vgl. Schmidt 1993b, 1997, 1998.
Dieser Ansatz konzentriert die Aufmerksamkeit vor allem auf Wechselbeziehungen zwischen dem „Politik-Output“ (z.B. sozialpolitischen Entscheidungen, ihren Ergebnissen und ihre Ablagerung in Form von Institutionen der sozialen Sicherung) einerseits und dem „Politik-Input” und dessen Umfeld andererseits, so hauptsächlich den Rahmenbedingungen des politischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozesses, der Struktur der Staatsverfassung, der Machtverteilung zwischen gesellschaftlichen Gruppierungen und politischen Kräften, politisch-kulturellen Größen, sozialökonomischen Rahmenbedingungen politischen Handelns und außenpolitischen oder internationalen Abhängigkeiten. Vgl. z.B. Schmidt 1998.
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Schmidt, M.G. (2004). Einleitung. In: Sozialpolitik der DDR. Sozialpolitik und Sozialstaat, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90678-6_1
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