Zusammenfassung
Im Systementwurf wird eine strukturierte Debatte von heterogenen Problemgemeinschaften an Schlüsselpositionen des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft konzipiert.
Wenn eine heterogene soziale Basis für einen Konflikt gegeben ist, und wenn außerdem für ein Verfahren der Einigung eine politische Kraft in Form von akteursübergreif enden, multifunktionalen Personen vorhanden ist, kann sich die Debatte entfalten.
Sie läßt sich über Merkmale, Formen und Bedingungen in drei Dimensionen charakterisieren, wobei der zeitliche Aspekt in die anderen Dimensionen zurückgenommen ist:
In kognitiver Dimension sieht der Systementwurf die Entwicklung und Verbreitung gesellschaftlich breit verfügbarer hochselektiver Muster vor, mit denen die sinnliche Wahrnehmung relativiert werden kann und die Lernkapazität über kulturtechnische Innovation erhöht wird. Die Debatte selbst wird nicht über binäre Codes strukturiert (wahr/falsch), sondern soll sich über eine vierwertige Logik regeln. Damit ist eine Selektion von Aussagen, Teilnehmern, Modi usw. möglich, die der Komplexität des Problemfeldes noch adäquat ist. Von daher wird auch eine größere Varietät in der Synthese von konfligierenden Positionen möglich: Das Spektrum reicht von der Anerkennung des Konflikts bis zu seiner Aufhebung in einem “Dritten Pol”.
In der sozio-politischen Dimension werden diese kognitiven Instrumente verfügbar im Rahmen einer Struktur von drei Ebenen der institutionalisierten Auseinandersetzung und Einigung. Auf der Wertebene werden im Forum der Massenmedien Ziele diskutiert und Probleme thematisiert; auf der Strategieebene werden daraus Programme selegiert: Eine “Kommission zur Begutachtung der wissenschaftlich-technischen Entwicklung” — angesiedelt im Umkreis des Parlaments und zusammengesetzt aus Akteursvertretern — bestimmt den Entscheidungsbedarf für problemspezifische Ad hoc-Kommissionen; dies wird auf der Implementationsebene der Apparate in politische und gesellschaftliche Praxis umgesetzt. Die Ebenen reduzieren durch ihre Auf schaltung die Komplexität des Problems und der Normen, bewahren sie aber auf. Die Ebenen sind rückgekoppelt; vor allem über die soziale Basis ist der Zusammenhang von Programm und Implementation gewährleistet.
In der reflexiven Dimension strukturiert eine (letzt)begründete kommunikative Ethik als Ethik der Kommunikation die Debatte und sorgt für Veränderbarkeit und Konstanz.
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Anmerkungen Kapitel 10: Strukturierte Debatte
So haben Probleme wie “Risikoakzeptanz” oder “Produktivitätsteigerung” oder “Verikation von Abrüstung” usw. weder innerwissenschaftliche noch rein politische noch sonstige Bewältigungsroutinen zu Verfügung: Es sind sowohl transwissenschaftliche wie transpolitische Probleme, die ihre eigenen Bewältigungsformen erfordern. Einige Aspekte der im folgenden vorgeschlagenen, eigenständigen Form sind von vielen Autoren bereits diskutiert worden: HÄFELE (1974) spricht von “debate”, MITROFF (1981) von “structured debate”, WEINBERG (1972b) von “adversary procedure”, NOWOTNY (1979) von der “Institutionalisierung von Dissens”. Dem wird hier nicht gefolgt, da - wie noch auszuführen ist - der Dissens oder seine Darstellung nicht alleiniges Ziel der Debatte als ganzer ist: Die Handlungsfähigkeit des Gesamtsystems soll organisiert werden.
Ein Beispiel sei genannt: Venn es einer Debatte, beispielsweise um Kernkraftwerke, gelingt, die Erarbeitung von Akzeptabilitätskriterien zu leisten und verschiedene Positionen zu vergleichen oder gar zu vereinheitlichen, braucht dies bei anderen Technologien nicht ab ovo wiederholt zu werden.
Vgl. WINTER 1981, S. 94f; FIETKAU 1981b, S. 375
Vgl. HARICH 1975; Häfele hat den Begriff des “Kalorienstaats” für ökologisch motivierte, autoritäre Steuerungsmodelle geprägt (Vgl. BERICHT 1980)
Vgl. FIETKAU 1981b, S. 382; dies wird durch die Erweiterung der technischen Möglichkeiten noch potenziert.
Die Wachstumsmodelle “extensiv” und “intensiv” stammen aus der Wirtschaftswissenschaft und finden sich z.B. bei RICHTA 1972; zur Begriffsgeschichte und -an-wendung s. VOWE 1979.
Ich beziehe mich in erster Linie auf NEISSER 1979; die Frage der physiologischen Äquivalente lasse ich hier offen (vgl. FLECHTNER 1979)
Letzteres sind Begriffe aus der Künstlichen Intelligenz-Forschung; die Unterschiede in den Termini “script”, “schema”, “frame” usw. sollen hier nicht interessieren, einzig das Prinzip der musterabhängigen Wahrnehmung.
APEL (1980) macht dies am Beispiel des Bomberpiloten klar, dessen Tötungshemmung nicht mehr durch den unmittelbar erfahrbaren Eindruck des Opfers verstärkt wird.
Die Schwierigkeiten, die Komplexität alltäglicher Orientierungsmuster nachzuvollziehen, werden seit längerem in der Forschung zur Künstlichen Intelligenz deutlich.
Man kann “mental maps” auf vielfältige Art ermitteln: HENRIKSON (1980) z.B. hat die Differenzen und die Entwicklung von mental maps bei US-Politikern durch die Analyse von Redetexten, Vertragsentwürfen, Metaphern und über ihren tatsächlichen Erfahrungshintergrund - dokumentiert durch Reisen und Problemzonen - analysiert. Man kann den geographischen Horizont einer Gesellschaft auch z.B. über ihre Massenmedien und den dort thematisierten Raum ermitteln.
Vgl. RUZSKAY 1979; OBERMAIR 1982; die psychologische Grundlage beschreibt LINDSAY 1981, 5. 10ff; zu Anamorphosen HOCKE 1957. Ich werde verschiedene Fragen in diesem Zusammenhang in einer späteren Arbeit zu klären versuchen, insbesondere wie Formen der Synthese aussehen, ab es mehrfache (nicht allein zweifache) Vexierbilder geben kann und ob es automatisierte Generierungen und Auflösungen geben kann.
ROESSLER 1975, S. 106; hier tauchen die logischen Fallen auf, die ich schon anhand des Verhältnisses von Konflikt und Konsens beschrieben habe.
Der Unterricht würde zunehmend “an seiner eigenen Vorbereitung ersticken” (Luhmann).
Vgl. den Begriff des “Makroskops”: ROSNAY 1979; Vgl. auch die verschiedenen audiovisuellen Arbeiten von Frederic Vester und Bernhard Wember.
Vgl. z.B. den systematischen Wechsel der Perspektive in Akira Kurosawas Film “Rashomon”
Nach HUFF 1981. Überschneidungen zu der Diskussion des Syntheseprozesses sind nicht zu vermeiden. Andere Methoden vgl. BOHRET 1975, HÜRLIMANN 1981.
Bei einer “ex-post-Abschätzung” werden die zu einem bereits vergangenen Entscheidungszeitpunkt möglichen Perspektiven so gut wie irgend möglich rekonstruiert und einer Abschätzung der Folgen zugrundegelegt. Von daher ist die Rekonstuktion vergangenen Wissens um Wirkungen möglich (s. JOCHEM 1976, S. 53, 116ff: “systematischer Matrixwechsel”)
Die Modallogik arbeitet zweiwertig, hat aber zusätzliche Operatoren des “nicht notwendig nicht”. Vgl. auch HAACK 1975; hier finden sich u.a. zurückgehend auf Lukasiewicz drei-, vier-und unendlich-wertige Logiken.
Die Darstellung folgt GUNTHER 1959; vgl. außerdem GUNTHER 1980a; GUNTHER 1980b.
LUHMANN 1981b, S. 162. Auch die Redensart des “Nicht-bis-drei-zählen-könnens” illustriert die Vorstellung von einem notwendigen Differenzierungsvermögen (vgl. VESTER 1980, S. 109).
Den Vorwurf des Subjektivismus gegenüber diesen Versuchen kann ich nicht verifizieren. Vgl. GUNTHER 1980c, S. 76. Die parallel dazu laufende Diskussion um andere Elemente der Aristotelischen Logik wie Widerspruchsverbot kontra Komplementarität kann ich hier nicht betrachten.
Z.B. - simplifiziert -: Angrif f ist Recht, Verteidigung ist Pflicht (ebda., S. 103ff, vor allem S. 164f); oder: Ein Argument darf in einem Antwortzyklus nur x-mal aufgegriffen werden.
Vgl. die Ableitung dieses Gedankenganges auch mit Hilfe der Informationstheorie in: GUNTHER 1980c, S. 88.
Ebda., S. 84. GUNTHER (1980a) hat in einem anderen Aufsatz eine vierwertige Logik entworfen, in der neben “Ich”, “Du”, “Es” noch ein weitet-es Subjekt als Beobachter existiert, das den Annäherungsprozess zwischen “Ich” und “Du” als Objektivität sieht und selbst nicht einbezogen ist. Dieser Beobachter sieht den Annäherungsprozess dann nicht als eigene Subjektivität.
LUHMANN 198lb, S. 16. Oder es wird zumindest verbal versucht, gänzlich auf Logik zu verzichten (vgl. DELEUZE 1977): Ein Unternehmen, dem kein Erfolg beschieden sein kann.
TOULMIN 1981, S. 21. Er bezog diese Forderung auf eine Definition.
Ähnlich, bezogen auf Wahrheitswerte: MUSHAKO3I 1981
Vgl. die vierwertige Wahrheitstafel für Implikation von Lukasiewicz in HAACK 1974, S. 175.
Der Begriff geht auf CHURCHMANN 1973 zurück. MITROFF (1981, S. 34) hat ihn 1973 wohl als erster publiziert.
W i e dies ausgeschlossen werden kann, soll in der sozio-politischen Dimension angedeutet werden. War um dies ausgeschlossen werden soll, war mehrfach normativ und logisch belegt worden.
Bei Experimenten hat sich die Zurückweisung dieser Stufe als durchaus praktikabler Ausweg von Probanden gezeigt: Sie wollten mit der Sache nichts mehr zu tun haben (MITROFF 1981).
Vgl. die Beispiele mit Zeit-, Raum-und Interessengegensätzen in JOCHEM 1976, S. 138f.
Unter besonderer Betonung des verbalen Kanals: MERTEN 1977, S. 136.
Vgl. zum folgenden das interessante Kap. 6 in MITROFF 1981; dort ist ein logischer Kalkül für dieses Verfahren entwickelt worden, den ich nur dem Prinzip nach vorstelle. Ähnliche Verfahren sind für bestimmte Konfliktbedingungen in der Spieltheorie entwickelt worden; vgl. RAPOPORT 1976, S. 127ff.
Vor allem Kreativitätstechiken wie Synektik und gruppendynamische Techniken wie Gruppenwechsel und Gruppenkonkurenz, um schneller Konflikte auf einen dritten Pol zu beziehen; vgl. MITROFF 1981, S. 82; SCHLICKSUPP 1977.
Auch der Club of Rome hat 1982 die Bedeutung der Institutionen und Entscheidungsprozesse herausgestellt: Die notwendigen Techniken und Mittel zur Bewältigung weltweiter Probleme seien vorhanden, allein die Möglichkeiten ihrer Durchsetzung fehlen (vgl. Tagesspiegel vom 29.10.1982).
Vgl. MAYNTZ 1982a, S.14. BOEHRET (1982) versprechen auch in ihrem Untertitel institutionelle (strukturell-organisatorische) u n d verfahrensmäßige Lösungsansätze für den Bereich Technikfolgenabschätzung, dann werden allerdings nur institutionelle Projekte und Erfahrungen im Sinne von Behörden, Ausschüssen usw. diskutiert, die jeweils über bestimmte Verfahren in den Entscheidungsprozess eingebunden sind. Dennoch hätte man auch rein verfahrungsmäßige Institutionalisierungen (Mitzeichnung u.ä.) diskutieren können.
Dies setzt ‘Beschaffung von unterstellbarem Konsens für strukturelle Labilität und Änderungsfähigkeit von Systemen“ voraus. Dies hat Folgen vor allem für die Sozialisation (ebda.).
Nun ist Mißbrauch z.B. einer Live-Sendung kein Privileg protestierender Gruppen, bei denen es noch am ehesten zu begründen wäre, sondern kann sich in subtileren Formen als Eitelkeit hochgestellter Persönlichkeiten oder als schlichte Werbung ausdrücken (vgl, “Versuche ins Gespräch zu kommen”: ZDF-Sendung vom 26.1.1983).
Vgl. MC COMBS 1972 zum Agenda-Setting-Ansatz. Zum Agenda-Building-Ansatz vgl. COBB 1972.
Vgl. MAC RAE 1973, COPPOK 1971, S. 135. Auch eine alternative Zuordnung der Kommissionen etwa zur Exekutive oder in unabhängiger Form ist aus vielen Gründen - vor allem aber wegen der Sichtbarkeit und Kontrollmöglichkeit - nicht adäquat (vgl. BOEHRET 1982, S. 85ff).
So hat das “Cambridge-Review-Board” zur Prüfung der Frage, ob ein Gentechnologie-Labor an der Harvard-Universität sicherheitsgfährend ist, alle ethischen Probleme an “Höhere Instanzen” weitergegeben und selbst nicht beurteilt (vgl. NELKIN 1982).
BOEHRET (1982, S. 35f) unterscheiden bei ihrer Charakterisierung der Ansätze lediglich politische Steuerung, Verwaltungsorganisation und Wissenschaftsorganisation.
Beispielhaft hierfür die Zusammensetzung der Enquete-Komission Kernenergie I (vgl. BERICHT 1980).
Je nachdem, in welchem Anteil die Mittel zur Finanzierung eines Stabes oder zur freien Verfügung für externe Projektnehmer verwandt werden, nimmt der Stab mehr Kontrollaufgaben wahr oder die wissenschaftlichen Fragen selbst in Angriff.
Vgl. den Dissens in der “Royal Commission an Constitution” (RASS 1980, S. 140ff).
Hier sind zur Beurteilung erst noch weitere Erfahrungen abzuwarten.
Vgl. ETZIONI 1975, S. 70; die verbesserte Konsensleistung durch Kombination von unvermittelter und technisch vermittelter Kommunikation ist experimentell belegt (vgl. PIEPER 1980, S. 511.).
Zu Erfahrungen in Schweden mit innovativen Möglichkeiten der Forschungspolitik s. BOEHRET 1982, S. 220ff.
Dies wird immer wieder beklagt; vgl. LOMPE 1980, S. 60, REHFELD 1980, S. 260.
Vgl. RASS 1980; REHFELD 1980; BERICHT 1980, ZWISCHENBERICHT 1982; BAUERSCHMIDT 1981.
Gerade hier sind im übrigen subtile Mechanismen entwickelt worden: Wer sich den Mehrheitsmeinungen nicht anschließt, muß kurzfristig ein Minderheitsvotum erstellen und dies zumeist auch selbständig - ohne Stab - begründungsfest machen; vgl. KAMPE 1983.
Nach BOEHRET 1982, S. 336; mehr dazu für Technikfolgenabschätzung ebda., S. 363ff; vgl. auch oben die Analyse der Barriere “Politische Rationalität” (Kap. 9.1.1.).
So geschehen bei einigen Interessenvertretern in der Enquete-Kommission Kernenergie I.
Zur Zeit gibt es nur für das Land Berlin eine gesetzliche Regelung für Enquete-Kommissionen (vgl. den Anhang zu LOMPE 1980); vgl. auch REHFELD 1980, S. 254ff.
Bei MAYNTZ 1982a in einem etwas anderen Zusammenhang “strukturell” und “prozedural”.
Vgl. HUCKE 1982; positiv gewendete Gegenargumente zur Institutionalisierung von Technikfolgenabschätzung s.a. BOEHRET 1982, S. 319f.
REHFELD (1981a) schlägt vor, daß nach dem Bericht der Kommision die Bundesregierung Stellung nimmt und dann ein einziger Ausschuss mit der Umsetzung betraut wird, um zu verhindern, daß die Angelegenheit zwischen den Zuständigkeiten hin und her geschoben wird.
Vgl. MAYER-GOERGEN 1980, S. 31; vgl. auch die Statistik der Gesetzentwürfe bei HUCKE 1982. MAYNTZ (1982a; 1982b) hält sogar in der Bundesrepublik die Ministerialbürokratie für den Teil des Entscheidungsapparates, der die größte Offenheit für “substantielle Rationalität” besitzt.
Eine soziale Basis ist als Grundlage für Institutionen und ihre Entscheidungen, so auch für die “Kommission”, unerlässlich; damit ist aber über den strukturellen Charakter der sozialen Basis nichts ausgesagt: Auch die Kommission für technische Komunikation (KtK) hat in ihrer Politik Interessenausgleich betrieben und konnte sich in ihren letztendlich gefundenen Kompromissen auf eine soziale Basis stützen, die durch die Industrie - mit einem spezifischen Entwicklungsstand und in Abhängigkeit von der Bundespost -, die Ministerialbürokratien aus dem Post-und Forschungsministerium, die Rundfunkanstalten und verschiedene Politiker gebildet wurde. Die Koalition ist mittlerweile zerbrochen (vgl. METTLER-MEIBONI 1982).
Die verschiedenen Dezentralisierungen finden sich bei MAYNTZ 1982a, S. 14.
Dies wäre z.B. eine “Clearing-Stelle” zur Koordination und Iniitierung von Aktivitäten im Umweltbereich (ANDRITZKY 1977, S. 180ff). Vgl. auch als neue schiedsrichterliche Instanz den Wissenschaftsgerichtshof bei MAZUR 1977 oder NOWOTNY 1979 (S. 222f; ohne weitere Präzisierung). Dadurch scheint mir das Problem nur um eine Ebene verschoben worden zu sein.
Der Informationsbegrif f wird im folgenden unter den Kommunikationsbegrif f subsummiert; vgl. zu den Begriffen Kap.1 und WERSIG 1983.
Unübertroffen die Konzeption einer “Ethosphäre”, die eine technische Festschreibung von ethischen Regeln mit dann natur-gesetzlichem Charakter vorsieht (S. Lem in INFORMATIONSSTRUKTUREN 1982); Ansätze dazu sind vielerorts zu sehen. Auch in dem “WISE”-Vorschlag (KOCHEN 1972; s.o.die Schilderung des enzyklopädischen Gedankens in Kap. 9.2.) soll der Computer Übereinstimmungen zwischen Konfliktpartnern, Lügen und Betrug aufdecken und evtll. Sanktionen verhängen.
Etwaige Überschneidungen der folgenden Ausführungen mit der Diskussion des Diskursbegriffes sind also beabsichtigt und durch den inzwischen erfolgten Wechsel der Perspektive von Umwelt und System begründet.
Man kann Normen darum leicht als “naiv” kennzeichnen, wie dies in einer Untersuchung über das Normenverständnis der am Apollo-Projekt beteiligten Wissenschaftler geschlußfolgert wurde (MITROFF 1981, S. 142ff); aber dies geht am Charakter von Normen vorbei.
So veröffentlicht die Zeitschrift “Nature” mittlerweile regelmäßig einen Börsenindex der Gentechnologiefirmen.
Auftragsforschung und höherer Anteil der Industrieforschung lassen den Anteil des unveröffentlichten Wissens anwachsen. Dazu gibt es eine eigenartige Gegenbewegung nicht nur in der immens verstärkten Öffentlichkeitsarbeit von Wissenschaftsorganisationen, sondern z.B. auch in der Entwicklung der Nachrichtendienste, die mehr und mehr als ihre Aufgabe begreifen, öffentliches Wissen zu produzieren, um so eine bestimmte Politik durchsetzbar zu machen, also Medien und darüber Bevölkerung in ihren “Verteiler” aufnehmen (vgl. COLBY 1982). In beiden Bereichen - Wissenschaf t und Spionage - scheinen sich Adressatenkreis und Vermittlungsmodus zu verbreitern - u.a. in die traditionelle Richtung des jeweils anderen.
Währenddessen war herkömmliche Ethik auf die relativ homogene und integrierte Kleingrupppe ausgerichtet.
Die Ethik des Verhältnisses von Staaten zueinander ist nicht auf soldatisches Fair-play oder die diplomatische Etikette zu begrenzen.
HABERMAS 1980, S. 39. Vgl. die Diskussion der existentialistischen Position bei APEL 1980 und von Kant’s Kategorischem Imperativ bei KUHLMANN 1980, S. 300f und HABERMAS 1980.
Dieser 1%iderspruch ist nicht aufzulösen, sondern produziert ständig fruchtbare Spannungen: Die Gültigkeit der Norm ist gerade nicht mit Realisierungszwang gleichzusetzen.
ALBERT (1980) hat dies in dem “Münchhausen-Trilemma” als Unmöglichkeit von Letztbegründungen zu verallgemeinern versucht und daraus die Notwendigkeit einer dezisionistischen Dogmatisierung von Normen abgeleitet. Widerlegungsversuche finden sich bei KUHLMANN 1980 und APEL 1980.
Dies begrenzt sich nicht nur auf die Behandlung von Normen oder die Argumentation im Rahmen von Humanwissenschaf ten, sondern gilt tatsächlich für alle Argumentationsf or men mit rationalem Anspruch, vgl. APEL 1973, S. 383ff; 1980, S. 288.
Hier bietet sich lt. APEL (1973, S. 435) “kein besseres ethisches Regulativ als dies: im eigenen reflexiven Selbstverständnis die mögliche Kritik der Idealen Kommunikationsgemeinschaf t zur Geltung zu bringen”. Dies ist das “Prinzip der möglichen moralischen Selbsttranszendenz”.
Der transzendentalpragmatische Ansatz geht bei der Forderung nach universaler Beratung immer von “…Interessen und Bedürfnisse(n)…” aus, “…die mit denen aller anderen vereinbar sind” (APEL 1980, S. 289). Dies dürfte der Ausnahmefall in der hier konzipierten Debatte sein.
In JANICH (1974) ist die Prüfung von inkompatiblen Bedürfnissen geschildert.
Z.B.: Inwieweit besteht noch eine offene Wahl für die zu treffenden Entscheidungen?
Dies umfaßt z.B. auch die Bedingungen der Möglichkeit, über die Kommunikation zu reden.
Z.B.: “willingness to admit the bona fides of those with whom they disagree” (COURNAND 1976, S. 90)
Hierunter zählen auch die Form der Messung ihrer Befolgung und die Beurteilung von Entwicklungsmöglichkeiten. Grundlegend dabei ist die Frage, ob analog z.B. zu den Grundrechten in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ein Teil der Regeln unverrückbar festgeschrieben wird (oder gar durch die sprachliche Form - Letztbegründung - schon ist).
Projektvorschläge in dieser Richtung liegen vor in VOWE 1983b, S. 457ff; entsprechende Arbeiten sind angelaufen.
Dies ist versucht worden in einer Analyse der Technikfolgenabschätzung als Informations-und Kommunikationsproezeß in VOWE 1983b, S. 375ff. Modell und Systementwurf erwiesen sich dabei als mächtig genug, kritische Analysen und alternative Entwürfe anzubieten.
BERGMANN (1981, S. 238ff) hat diese Wirkungen von Informations-und Kommunikationsproezssen anhand der Entwicklung und Folgen von Schrift gezeigt. Ob es in dieser Dialektik von Selektivität und Komplexität eine “fundamentale Komplexität” gibt, deren Steigerung nicht mehr möglich erscheint, sei hier dahingestellt. Ich gehe von veränderbaren Komplexitätsdif ferenzen zwischen Vermittlungssystem und Problemumwelt bzw. Modellumwelt aus.
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Vowe, G. (1984). Vorschlag Eines Komplexen Integrationsinstrumentes: Die Strukturierte Debatte von Heterogenen Problemgemeinschaften an Schlüsselpositionen. In: Information und Kommunikation. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 57. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88134-2_10
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