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Über einige Funktionen und Folgen des Leistungsprinzips in industriellen Gesellschaften

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Das Leistungsprinzip

Part of the book series: Universitätstaschenbücher ((2809,volume 533))

  • 428 Accesses

Zusammenfassung

Sozialsysteme (z. B. Industriebetriebe, Schulen, Gesellschaften) lassen sich als Geflechte sozialer Positionen verstehen, die den Beitrag des einzelnen Akteurs zur Erreichung von Systemzielen definieren. Es lassen sich dabei systematisch zwei Arten solcher Beiträge im Rahmen arbeitsteiliger Differenzierung unterscheiden, je nachdem ob sie in familialer (verwandtschaftlicher) oder beruflicher Organisation geleistet werden.1 Mit zunehmender Komplexität der funktionalen Differenzierung einer Gesellschaft werden nun immer mehr ursprünglich dem Bereich familialer Organisation angehörende Positionen in die berufliche Organisation überführt.2

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Anmerkungen

  1. Vgl. H. Daheim: Der Beruf in der modernen Gesellschaft, Köln/Berlin 1967, S. 24 ff.

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  2. Vgl. T. Parsons: An Outline of the Social System. In: T. Parsons, E. Shils, K. D. Naegele und J. R. Pitts (Hrsg.): Theories of Societies. Foundation of Modern Sociological Theory, Vol. 1, Glencoe (111.) 1961, und H. Daheim: a.a.O., S. 28 ff.

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  3. Diese beiden Prozesse sind aufs engste miteinander verknüpft, denn die Festlegung der Sozialisationsinhalte impliziert bereits die Kriterien der Selektion.

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  4. Leistung erfordert nicht nur eine bestimmte Qualifikation, sondern auch die Motivation, diese Qualifikation im Sinne der geforderten Leistung einzusetzen. (Vgl. W. Lempert: Berufserziehung als Sozialisation: Hypothesen über die Aneignung von beruflichen Rollen. In: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik, XLIV [1968], H. 2, S. 85 ff.) Qualifikation und Motivation sind dabei keine unabhängigen Variablen, sondern es besteht ein interdependenter Zusammenhang zwischen ihnen: Die Entwicklung von bestimmten Qualifikationen setzt ein bestimmtes Maß an Impulsen voraus und umgekehrt wird erst ein bestimmter Leistungserfolg neue Motivationen setzen.

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  5. „Leistung“ muß zunächst als rein formale Kategorie verstanden werden. Sie kann außerordentlich viele Bedeutungsinhalte haben, je nach dem funktionalen Zusammenhang, in dem sie erbracht wird. Immer aber impliziert die Feststellung von Leistung in einem konkreten Funktionszusammenhang die Bewertung bestimmter Handlungen an den in ihm gültigen Normen, ist also — wie später noch zu zeigen sein wird — nur herrschaftssoziologisch zu begreifen.

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  6. M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, 4. Aufl. (Hrsg. J. Winkelmann), 2. Bd., Tübingen 1956, S. 552.

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  7. Vgl. R. Dahrendorf: Gesellschaft und Freiheit, München 1962, S. 384 f.

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  8. Chr. von Krockow: Der Wetteifer in der modernen Gesellschaft und im Sport. In: Neue Sammlung, 2. Jg. (1962), S. 301.

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  9. Vgl. ebenda.

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  10. Vgl. K. Mannheim: Über das Wesen und die Bedeutung des wirtschaftlichen Erfolgsstrebens. In: K. H. Wolff (Hrsg.): Wissenssoziologie, Berlin/Neuwied 1964, S. 644.

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  11. Vgl. T. Parsons: Sozialstruktur und Persönlichkeit, Frankfurt 1968, S. 258 ff.

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  12. Ebenda, S. 260.

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  13. Max Weber bemerkt zu dieser Entwicklung: „Statt des durch persönliche Anteilnahme, Gunst, Gnade, Dankbarkeit, bewegten Herrn der älteren Ordnung verlange eben die moderne Kultur für den äußeren Apparat, der sie stützt, je komplizierter und spezialisierter sie wird, desto mehr den menschlich unbeteiligten, daher streng sachlichen Fachmann.“ (a.a.O., S. 571).

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  14. Vgl. R. Dahrendorf: a.a.O., S. 371.

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  15. T. Pansons: a.a.O., S. 265.

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  16. Vgl. D. C. MacClelland, J. W. Atkinson, R. A. Clark und E. L. Lowell: The achievement motive, New York 1953 (dtsch. Fassung: Die Leistungsgesellschaft, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1966).

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  17. Die Ideologie eines formalen Primats der Leistung als sozialem Bewertungsprinzip geht — wie wir noch zeigen werden — sogar so weit, daß selbst differentielle Chancen auf Grund zugeschriebener Kriterien wie Herkunft, Alter, mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit begründet werden, indem man von der geringen Begabung des Nachwuchses unterer sozialer Schichten, von der geringeren Leistungsfähigkeit von Frauen oder älteren Menschen spricht. (Vgl. R. Dahrendorf, Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft, Stuttgart 1953, S. 65.)

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  18. Vgl. G. Steinkamp: Die Rolle des Volksschullehrers im schulischen Selektionsprozeß. Ergebnisse einer empirisch-soziologischen Untersuchung. In diesem Jahrbuch, 12. Jahr (1967), S. 302–324, und O. Preuß: Soziale Herkunft und die Ungleichheit der Bildungschancen. Eine Untersuchung über das Eignungsurteil des Grundschullehrers, Weinheim 1970.

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  19. Vgl. G. Steinkamp: a.a.O., S. 317.

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  20. Vgl. O. Preuß: a.a.O.

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  21. E. Goffman: Stigma. Uber Techniken der Bewältigung beschädigter Identität, Frankfurt 1967, S. 13.

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  22. E. H. Erikson: Identität und Lebenszyklus, Frankfurt 1966, S. 106.

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  23. Vgl. W. M. Sprondel: Elemente des Zuweisungsprozesses sozialer Positionen. Die Professionalisierung der Lehrer Höherer Schulen, Dissertation München 1968, und G. Sehe fer: Das Gesellschaftsbild des Gymnasiallehrers, Frankfurt 1969.

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  24. W. M. Sprondel: a.a.O., S. 153.

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  25. Es wäre aber in höchstem Maße ungerechtfertigt, die Lehrer zur einzigen Zielscheibe der Kritik zu machen. Sie sind ja selbst in Sozialisationsprozesse involviert gewesen, in denen die Einstellungen und Verhaltenswesen von ihnen internalisiert wurden, die sie bei den Schülern wiederum reproduzieren.

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  26. Dahrendorf kennzeichnet diese Schule als „distanzierte Leistungsschule“, die bei ihren Schülern Begabung, Motivation und Fleiß voraussetze, statt sie selbst zu entwickeln. Vgl. R. Dahrendorf: Ursachen des vorzeitigen Abgangs vom Gymnasium. In: R. Dahrendorf und H. Peisert (Hrsg.): Der vorzeitige Abgang vom Gymnasium, Villingen 1967.

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  27. Diese letzten Bemerkungen bedürfen einer etwas eingehenderen Begründung: Die Gebundenheit des frühkindlichen Sozialisationsprozesses im familialen Kontext an die soziale Schichtzugehörigkeit der Familie ist in zahlreichen soziologischen Untersuchungen eindeutig nachgewiesen worden. Die in diesem Zusammenhang interessierenden Unterschiede zwischen dem Erziehungsmilieu der Unter-und dem der Mittelschicht betreffenden Aspekte der Wertorientierung, der Leistungsmotivation, der Erziehungstechniken und der Kommunikationsstruktur. Zu einer zusammenfassenden Darstellung des schichtspezifischen Erziehungsmilieus und seinen Konsequenzen siehe die Arbeiten von U. Oevermann: Soziale Schichtung und Begabung. In: Zeitschrift für Pädagogik, 6. Beiheft, 1966, S. 166 ff., und ders.: Schichtenspezifische Formen des Sprachverhaltens und ihr Einfluß auf die kognitiven Prozesse. In: H. Roth (Hrsg.): Begabung und Lernen (Deutscher Bildungsrat, Gutachten und Studien der Bildungskommission, Bd. 4), Stuttgart 1968, S. 297 ff., und H. G. Rolff: Sozialisation und Auslese durch die Schule, Heidelberg 1967. Die Wirkung dieser — hier aus Raumgründen nicht näher zu charakterisierenden — Variablen vermindern kumulativ die Chancen des Unterschichten-Kindes, den Anforderungen des Schulsystems zu entsprechen. Der schichtenspezifisch differenzierte familiale Sozialisationsprozeß erscheint somit als die entscheidende intervenierende Variable zwischen formeller Gleichheit der Ausbildungschancen und der faktischen Möglichkeit ihrer Realisierung. Unabhängig von Unterschieden angeborener Begabung werden Leistungsfähigkeit und-bereitschaft in der Familie derart beeinflußt, daß hier die eigentliche Prädisposition für den Schulresp. Berufserfolg sich ereignet. Trotz dieser Einschränkung bleibt für die Schule und ihre Agenten die — wenn auch begrenzte — Chance, „auch solche kulturellen Muster anzubieten, von denen (sich) eine frühzeitige Fixierung der Lebensgeschichte womöglich ausschließen würde“. (J. Habermas: Pädagogischer „Optimismus“ vor Gericht einer pessimistischen Anthropologie. In: Neue Sammlung, H. 4, 1961, S. 265.) Eine radikalere Angleichung der Sozialchancen kann im Licht der genannten Ergebnisse nur durch eine Verlängerung der allgemeinen Schulpflicht nach unten bei gleichzeitiger Veränderung des familialen Erziehungsmilieus erreicht werden. Letzteres stößt auf besondere Schwierigkeiten, weil die Stellung im Produktionsprozeß bzw. in der Berufshierarchie eine gewichtige Determinante vor allem für die elterlichen Wertorientierungen darstellt. (Vgl. L. J. Pearlin und M. L. Kohn: Social class, occupation, and parental values: A cross-national study. In: American Sociological Review, Bd. 31 [1966], S. 466 ff.) Die Notwendigkeit gesamtgesellschaftlicher Strukturveränderungen wird aus dieser Perspektive besonders deutlich.

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  28. M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, 4. Aufl. (Hrsg. J. Winkelmann), Tübingen 1956, 2. Bd., S. 575.

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  29. H. Hartmann: Funktionale Autorität, Stuttgart 1964, S. 131.

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  30. Ebenda.

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  31. Hinweise für die Berechtigung der Hartmannschen Vermutung liefert z. B. eine Recherche des Spiegels im Bundespresseamt z. Z. der CDU-Regierung in Bonn, wonach die Auswahl des Personals für die gehobenen Positionen des Amtes nach dem Grundsatz seines Personalchefs geschah: „Wer durch die Schule einer solchen Verbindung gegangen ist (gemeint ist der CV, der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen, G. St.), ist bei gleicher Eignung immer einem Nichtkorporierten überlegen.“ (Vgl. den Bericht: Zufall mit CV. In: Der Spiegel, Nr. 45, 22. Jg. [1968], S. 44 f.)

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  32. W. Hofmann: Universität, Ideologie, Gesellschaft. Beiträge zur Wissenschaftssoziologie, Frankfurt 1968, S. 21.

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  33. C. Offe: Leistungsprinzip und industrielle Arbeit. Mechanismen der Status Verteilung in Arbeitsorganisationen der industriellen „Leistungsgesellschaft“, Frankfurt 1970, S. 48.

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  34. Das von uns eingehender analysierte Merkmal sozialer Herkunft ist in diesem Zusammenhang nur ein — wenn auch besonders illustratives — Paradigma für die Wirkung askriptiver Kriterien. Die Untersuchungen von H. Anger (Probleme der deutschen Universität. Berichte über eine Erhebung unter Professoren und Dozenten, Tübingen 1960) und H. Gerstein (Studierende Mädchen. Zum Problem des vorzeitigen Abgangs von der Universität, München 1965) machen deutlich, daß z. B. das zugeschriebene Merkmal Geschlecht eine in gleiche Richtung zielende selektive Wirkung ausübt: Studentinnen stellen sich auf Grund traditioneller Vorurteile ihrer hauptsächlich männlichen Dozenten erhebliche Bildungsbarrieren entgegen.

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  35. U. Oevermann: Soziale Schichtung und Begabung, a.a.O., S. 167.

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  36. So sprechen z. B. die in einer Untersuchung der Kölner Forschungsstelle für empirische Sozialökonomik befragten Wirtschaftswissenschaftler in der BRD von einer erheblichen Diskrepanz zwischen den Inhalten der Ausbildung an den Universitäten und den Anforderungen der Berufspraxis. (Vgl. G. Schmölders: Die Berücksichtigung der Wirtschafts-und Arbeitswelt in der Universitätsausbildung. In diesem Jahrbuch, 15. Jahr [1970], S. 293-301.)

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  37. Vgl. U. Oevermann: Soziale Schichtung und Begabung, a.a.O., S. 181.

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  38. Vgl. U. Oevermann: Schichtenspezifische Formen des Sprachverhaltens und ihr Einfluß auf die kognitiven Prozesse, a.a.O., S. 300.

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  39. C. Offe: a.a.O., S. 10.

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  40. U. Oevermann: Schichtenspezifische Formen des Sprachverhaltens und ihr Einfluß auf die kognitiven Prozesse, a.a.O., S. 300.

    Google Scholar 

  41. Ch. Lütkens: Die Schule als Mittelklassen-Institution. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 4: Soziologie der Schule (Hrsg. P. Heintz), 1959, S. 28.

    Google Scholar 

  42. J. Habermas: Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt 1969, S. 71.

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  43. Das häufig vorgebrachte Argument, daß viele subjektive Beurteilungen im Endeffekt sich irgendwann ausgleichen, gewissermaßen objektivieren, tröstet-selbst wenn es richtig wäre-nicht über die Tatsache hinweg, daß schon oft eine subjektiver Willkür entsprungene Entscheidung die Weichen des sozialen Schicksals eines Individuums auf die Abstellgleise der Gesellschaft richten kann.

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  44. R. Lautmann: Das Examen. Notizen für eine soziologische Interpretation, unveröffentlichtes Manuskript, S. 20.

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  45. Diese Terminologie ist für Parsons nur zu bezeichnend. Von den Interessen des Individuums ist bei ihm nicht die Rede; er fragt nicht, ob es die Art von „Persönlichkeit“ werden will, die das System braucht.

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  46. U. Bronfenbrenner: Wandel der amerikanischen Kindererziehung. In: H. Friedeburg (Hrsg.): Jugend in der modernen Gesellschaft, Köln/ Berlin 1965, S. 331.

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  47. U. Bronfenbrenner: a.a.O., S. 331.

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  48. Vgl. T. Parsons: Beiträge zur soziologischen Theorie, herausgegeben und eingeleitet von Dietrich Rüschemeyer, Neuwied/Berlin 1964, S. 240 ff.

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  49. D. Ciaessens: Rolle und Macht, München 1968, S. 130.

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  50. A. Mitscherlich: Auf dem Wege zur vaterlosen Gesellschaft, München 1963, S. 200 (Hervorhebungen von G. St.).

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  51. M. L. Moeller: Die Prüfung als Kernmodell psychologischer Konflikte. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 21. Jg. (1969), H. 2, S. 355 ff.

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  52. Ebenda, S. 360.

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  53. A. Malewski: Verhalten und Interaktion, Tübingen 1967, S. 63.

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  54. M. L. Moeller: a.a.O., S. 360.

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  55. In deutscher Fassung B. F. Skinner: Futurum Zwei, Hamburg 1970.

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  56. T. Parsons: Beiträge zur soziologischen Theorie, a.a.O., S. 241.

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  57. Anlage und Umwelt lassen sich dabei nicht als schlichte additive Faktorenkomplexe betrachten. Sie stehen vielmehr nach gegenwärtigem Forschungsstand in einer ständigen und nur schwer analysierbaren Interaktion. (Vgl. etwa H. Heckhausen: Förderung der Lernmotivierung und der intellektuellen Tüchtigkeit. In: H. Roth [Hrsg.]: Begabung und Lernen, a.a.O., S. 199.)

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  58. Das setzt allerdings voraus, daß unterschiedliche Begabung zum Ansatzpunkt sozialer Bewertungsprozesse wird, was keineswegs selbstverständlich sein muß.

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  59. Vgl. H. Heckhausen: a.a.O., S. 200. — Unter den angenommenen Bedingungen totaler Chancengleichheit der Entdeckung, Förderung und Verwendung angeborener Begabungspotenzen wird — und das ist ein bisher kaum diskutierter Aspekt — die Zahl derjenigen außerordentlich ansteigen, die auf Grund ihres besonderen Ausbildungsganges Ansprüche auf Eliteposten in der Gesellschaft stellen. Denn die akademische Ausbildung wird heute noch weitgehend als Leistungsbeweis verstanden, an den sich quasi automatisch ein Anspruch auf elitäre Positionen und die mit ihnen verbundenen Gratifikationen (hohes Einkommen, Prestige, Macht) knüpft. Kurt Sontheimer vertritt die Ansicht, daß hier die Ansprüche des aus einer vordemokratischen Epoche stammenden Bildungsbürgertums in ein demokratisches System hineingetragen werden, dessen elitäre Positionen (im traditionellen Verständnis) in deutlichem Mißverhältnis zu dem output an Hochschulabsolventen stehen. Den Ausweg aus diesem Dilemma sieht Sontheimer nicht etwa in der traditionellen Beschränkung höherer Bildung auf eine sozialprivilegierte kleine Schicht, sondern in dem Abbau der elitären Ideologie und der damit verbundenen Statuserwartung. (Vgl. K. Sontheimer: Massenbildung und Elitebewußtsein. In: Die Zeit, Nr. 43 [1970], S. 29.)

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  60. Eine vollkommene Verwirklichung des Leistungsprinzips hat in der Tat eine bisher wenig gesehene fatale Konsequenz. Die Verlierer des Wettbewerbsprozesses (der sich vor allem im Bildungssystem abspielt) werden das Gefühl entwickeln, unverdient zurückgesetzt oder ungerecht behandelt worden zu sein. Denn ihr Erwartungsanspruch verliert sich nicht mehr in Schicksalsdemut wie in einer auf Zuschreibung hin orientierten traditionalistischen Gesellschaft, in der der Erwartungshorizont des einzelnen im Durchschnitt von vornherein an den geringen Möglichkeiten sich orientierte, Hoffnung auf Veränderung der sozialen Lage durch Aufstieg strukturell limitiert war. Unter den angenommenen Bedingungen werden strukturell bedingte individuelle Frustrationen zu einem Problem, das nach einer Lösung verlangt, weniger wegen der Gefahr möglicher kollektiver Abweichungen und der durch sie bedingten Gefährdung der Systemstabilität, sondern um das einzelne Individuum vor Repressionen zu bewahren. In einem Aufsatz mit dem Titel „The,Cooling-Outc Function of Higher Education“ (in: American Journal of Sociology, Vol. 65 [1960], S. 569 ff.) macht Burton R. Clark den Vorschlag, das hohe berufliche Aspirationsniveau der in den verschiedenen Stufen des Bildungssystems auf Grund mangelnder Qualifikationen Gescheiterten wieder „hinunter-zusozialisieren“. Die Chance eines solchen, durch ausgebildete Kräfte gelenkten Indoktrinationsprozesses sei, so meint Clark, den abgewiesenen Aspiranten das Gefühl gesellschaftlicher Bedeutung und Wertschätzung unabhängig vom jeweiligen sozialen Rang ihrer beruflichen Position zu vermitteln. Die Problematik dieser Therapie liegt unserer Meinung nach weniger in der doch wohl naiven Hoffnung auf die Wirkung einer solchen „moral suasion“, sondern vielmehr in der völligen Ausklammerung der strukturellen Ursachen individueller Frustrationen. Im Hinblick auf diese wäre es erstens erforderlich zu überprüfen, welche Möglichkeiten das jeweilige Spektrum vorhandener beruflicher Positionen ihren Inhabern zur Verwirklichung ihrer spezifischen Talente und Neigungen bietet. Zweitens wäre festzustellen, ob ein zu eng an den fragwürdigen Maximen gesellschaftlichen Bedarfs orientiertes Positionsangebot nicht zum Gegenprinzip des gesellschaftlich garantierten Anspruchs auf Selbstverwirklichung wird. Und drittens wäre auf die weiter oben behandelte Frage des Zusammenhangs zwischen der gesellschaftlichen Bedeutung der Berufsposition und ihrer Entschädigung einzugehen.

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  61. M. Young: The Rise of Meritocracy 1870-2033, London 1958 (Deutsche Fassung: Es lebe die Ungleichheit, Köln 1961).

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  62. M. M. Tumin: Schichtung und Mobilität, München 1968, S. 152.

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  63. Vgl. u. a. K. Davis und W. E. Moore: Some Principles of Stratification. In: American Sociological Review, Vol. 10 (1945), S. 242 ff.

    Article  Google Scholar 

  64. M. M. Tumin, a.a.O., S. 152.

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  65. Vgl. R. D. Schwartz: Functional Alternatives to Inequality. In: American Sociological Review, Vol. 20 (1955), S. 424 ff.

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  66. Vgl. C. Offe: a.a.O., S. 170.

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  67. J. Habermas: Technik und Wissenschaft als „Ideologie“, Frankfurt 1968, S. 103.

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  68. Die auf nachträgliche Umverteilung zielende progressive Einkommensbesteuerung und andere Formen der Sozialisierung der Einkommenschancen sind nur wenig effektive Maßnahmen zur Korrektur eines im Grunde ungerechten und dem Stand industrieller Entwicklung inadäquaten Modells der Einkommensverteilung.

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  69. Diese letzten Bemerkungen beinhalten in allzu geraffter Form zwei Argumente: Erstens, daß soziale Ungleichheit unter Menschen kein historisches, sondern ein universales Phänomen sei. Auf der Grundlage der Universalitätsthese würden damit alle Fragen, die die Existenz von Ungleichheitsrelationen beträfen, müßig; statt ihrer träten dann aber die Modalitäten der Ungleichheit in den Vordergrund. Zweitens, daß Eigentum für das soziale Schicksal des Individuums ein folgenreicheres Differenzierungsmerkmal als z. B. die angeborene Begabung sei. Daß es sich hier weitgehend um eine Spekulation handelt, dürfte schon daraus hervorgehen, daß der genetisch vermittelte „I. Q.“ zum Ansatzpunkt sozialer Bewertung und damit Differenzierung werden kann, die für das einzelne Gesellschaftsmitglied ebenso frustrierende Folgen wie das heute so unterschiedlich verteilte Einkommen mit sich bringen kann.

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  70. Vgl. R. Dahrendorf: Uber den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, Tübingen 1961, S. 31 f.

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Steinkamp, G. (1977). Über einige Funktionen und Folgen des Leistungsprinzips in industriellen Gesellschaften. In: Hartfiel, G. (eds) Das Leistungsprinzip. Universitätstaschenbücher, vol 533. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85262-5_8

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