Zusammenfassung
Die kulturelle Selbstbeschreibung der Moderne war stets von einer erheblichen Ambivalenz geprägt: Zum einen konnte man sich das erste Mal in der abendländischen Geschichte mit der Selbstzumutung ausstatten, man sei selbst der Urheber des innerweltlichen Geschehens. Die moderne Kultur ist geradezu beseelt davon, an die Gestaltbarkeit der Welt, an den Fortschritt der menschlichen Geschichte und an die nahezu universale Problemlösungskompetenz von Wissenschaft, Politik und Ökonomie zu glauben. Zum anderen aber prägt die moderne Kultur eine grundlegende Verunsicherung: Die Enttraditionalisierung der Lebensführung und die radikale Erosion von Erfahrungswissen aufgrund der Beschleunigung von Ereignissen, die vielfältigen und oft beschriebenen Freisetzungsprozesse aus alten Versorgungsbezügen in materieller und sinnhafter Hinsicht, die Rationalisierung und Versachlichung von Sozialbezügen und Weltanschauungen haben ein kulturelles Syndrom hervorgebracht, das in der Moderne eher eine Lähmung denn aktive Gestaltungskräfte freizulegen scheint. Diese beiden hier nur angedeuteten Wurzeln der Moderne — die titanische Selbstüberschätzung und die paralysierende Verunsicherung — haben die Selbstbeschreibungen der modernen Kultur stets mitbegleitet. Ohne Zweifel hängen diese beiden Seiten des Projekts der modernen Kultur unmittelbar zusammen. Wer für die Gestaltung der Welt verantwortlich gemacht werden kann, d.h.: wer die Entwicklung des sozialen Lebens auf menschliche Entscheidungen zurechnen kann, muß im Horizont möglichen Scheiterns leben.
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© 1997 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Hijikata, T., Nassehi, A. (1997). Vorwort der Herausgeber. In: Hijikata, T., Nassehi, A. (eds) Riskante Strategien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85107-9_1
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