Zusammenfassung
Der Bundestag wird durch die Wahl der einzelnen Abgeordneten gewählt. Das Verfassungsorgan Bundestag wird also dadurch handlungsfähig, daß die gesetzlich festgelegte Zahl von Personen das Mandat eines Abgeordneten erhält; »das Amt eines Bundestagsabgeordneten ist ein oberstes Staatsamt« (so Maunz-Dürig). Es kann für sich allein nicht ausgeübt werden, es verlangt die Mitwirkung der anderen Mitglieder des Bundestages. Denn der Bundestag kann nur handeln, indem er Beschlüsse faßt; es sind Willensäußerungen des Organs Bundestag, in denen die Mehrheit sich durchgesetzt hat. Der Beschluß gilt als Wille des ganzen Bundestages, schließt also auch die überstimmte Minderheit mit ein. Der einzelne Abgeordnete und der Bundestag als solcher bedingen sich gegenseitig. Die Verfassung und die Gesetze enthalten daher hinsichtlich des einzelnen Abgeordneten nur Bestimmungen darüber, wie man ein Mandat erlangt, daß die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes sind, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, sondern nur ihrem Gewissen unterworfen sind; andere Bestimmungen sichern die Unabhängigkeit des Abgeordneten bei der Ausübung des Mandats, Artikel 48, und schützen den Abgeordneten gegen willkürlichen Zugriff, Artikel 46. Indem die Unabhängigkeit des einzelnen Abgeordneten geschützt wird, soll der Bundestag in seiner Autonomie und Funktionsfähigkeit gesichert werden. Die Aufgabe der Abgeordneten ergibt sich aus den dem Bundestag gestellten, aus seinem Wesensinhalt und aus den in der Verfassung im einzelnen aufgeführten Verpflichtungen. Der Abgeordnete für sich allein hat kein realisierbares Recht; sein Recht und seine Pflicht besteht in der Mitwirkung bei der Willensbildung des Parlaments. Soweit die Geschäftsordnung dem einzelnen Abgeordneten Rechte einräumt, bestimmt sie damit lediglich, daß der einzelne Abgeordnete allein oder zusammen mit der vorgesehenen Zahl von Mitgliedern, Rechte des gesamten Parlamentes wahrnehmen kann. Er kann weder eine Behörde inspizieren, noch kann er einem Minister, mehr als es jeder Staatsbürger tun kann, sein Mißfallen ausdrücken. Politisch wirkungsvoll handelt er nur im Parlament und durch das Parlament. Dies schließt nicht aus, daß Erklärungen von Abgeordneten auch außerhalb des Bundestages ernst genommen werden, da jedermann bewußt ist, daß jederzeit im Bundestag die gleiche Erklärung abgegeben werden kann. Das Hinwirken auf den verbindlichen Beschluß des Parlaments ist das Ziel des Abgeordneten. Dies überhaupt erst zu ermöglichen verlangt, daß er in außerparlamentarischer Arbeit sich darum bemüht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Jeder andere Staatsbürger könnte dies zwar ebenfalls, aber der Abgeordnete ist besonders dazu berufen. Inwieweit er in der Bevölkerung gehört wird, hängt nicht zuletzt vom Gewicht seiner Stimme im Parlament ab.
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Schäfer, F. (1982). Der einzelne Abgeordnete. In: Der Bundestag. Demokratie und Frieden, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83643-4_12
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